„Spieglein, Spieglein an der Wand, ich bin der schönste Strand im ganzen Land!“
Mein Name ist Çıralı. Falsche Bescheidenheit ist nicht mein Ding, ich bin ein Strand der klaren Worte. Allein schon meine Maße sprechen für sich: bis zu 250 Meter breit, über drei Kilometer lang, unverbaut. Hinten Sand, vorne Kies, ein Handtuch da, ein Handtuch dort, nur zur türkischen Ferienzeit kann es mal ein wenig voller werden.
Davor glasklares Wasser, dahinter Pinien und hinter den Pinien Oleanderhecken, Obstgärten, eine Schule und eine Moschee, ein paar Bauernhäuser sowie schüchtern versteckte Hotels und Pensionen. Bei mir könnt Ihr alles haben, nur keine Bettenburgen. Dafür Boutiquehotels mit reinweißen Betten, alternative Yoga-Hotspots oder einfache holzverschalte Zimmer in lauschigen Gärten mit altem Baumbestand.
Ach ja, ich bin übrigens gar nicht so aus der Welt wie ich vielleicht klinge. Nur 90 Kilometer trennen mich vom Flughafen Antalya. Aber schaut doch erstmal hier: Habe ich zuviel versprochen?
Inhaltsverzeichnis
Berge mit weißer Haube: Tahtalı Dağı & Co
So kocht Çıralı: Hausmannskost vom Feinsten
Olympos: Der hippieske Nachbar
Die Buddler: Schildkröten am Strand
Raus aus dem Beachtrott: Die schönsten Ausflugsziele
Berge mit weißer Haube: Tahtalı Dağı & Co
Jetzt geht erstmal ins Wasser. Im Sommer hat es Badewannentemperatur. So wohlig wird Euch darin werden, dass Ihr vermutlich erst mit verschrumpelten Fingern wieder herauskommt. Oder kauft Euch eine Luftmatratze und dreht Euch auf den Rücken. Schaut auf die offene See und schaut auf die Bucht, die so heißt wie ich und das Dorf dahinter: Çıralı, gesprochen etwa „Tschirralle“. Kein Gebäude überragt die Baumgipfel, man sieht einfach nur Grün, Grün, Grün. Und über dem Grün die atemberaubende Kulisse des Taurusgebirges.
Der höchste Berg, der Tahtalı Dağı, misst immerhin 2366 Meter. Vielleicht seid Ihr zwischen November und Mai da, dann guckt Ihr auf schneebedeckte Gipfel – ein Anblick der Extraklasse. Den Tahtalı Dağı kann man übrigens auch besteigen, das ist allerdings kein Zuckerschlecken. Wer zu faul ist, fährt mit einer Seilbahn hinauf, trinkt oben eine Cola und schaut auf mich herab wie der Adler in der Luft.

So kocht Çıralı: Hausmannskost vom Feinsten
Ich bin ein Ort, der sexy riecht – nach dem harzigen Duft der Pinien und nach süßem Jasmin. Und oft auch nach gegrilltem Blaubarsch, hausgebackenem Brot, Auberginenauflauf oder frischer Minze. Ich sag’s Euch, die Pensionsmamas können kochen, eine besser als die andere.
Kein Wunder, dass es die meisten Çıralı-Gäste kaum ins Dorf oder zu den Restaurants am zentralen Strandabschnitt schaffen. Dort kann man aber auch essen: Die einen bieten Gözleme mit Spinatfüllung, Lahmacun oder Pide zum unaufhörlichen Klack-klack der Tavlaspieler, die anderen bunte Mezevitrinen und frischen Fisch. Dresscode? Ein sauberes Hemd reicht.
Olympos: Der hippieske Nachbar
Nightlife, Halligalli? Fehlanzeige bei mir. Zappeln könnt Ihr jedoch in den Backpacker-Unterkünften von Olympos an meinem südlichen Ende. Am besten spaziert Ihr am späten Nachmittag hin, wenn das Licht schön weich wird, und lasst Euch erstmal durch die Ausgrabungsstätte von Olympos treiben. Was heute ein Steinhaufen an einem Flusslauf im Lorbeerwald ist, gehörte in antiker Zeit zu den sechs bedeutendsten Städten Lykiens.
Der Abenteuerspielplatz birgt Reste eines Theaters, ein fünf Meter hohes Tempeltor, ein paar Sarkophage und die Relikte der Akropolis ganz oben. Da müsst Ihr hoch und den Ausblick genießen.
Die Unterkünfte von Olympos liegen etwas weiter landeinwärts, meist simple Bungalowkonglomerate für die hippe Alternativszene des Landes. Am originellsten sind die → Kadir’s Yörük Top Tree Houses, die man sich ein bisschen wie eine Mischung aus den Robinson-Crusoe-Hüttchen thailändischer Strände und der Bretterbudenästhetik des Berliner Holzmarkts vorstellen kann.
Kunterbunt bemalte Schilder weisen zu zusammen gezimmerten Hütten mit morschen Steuerrädern abgetakelter Schiffe, zu abenteuerlichen Konstruktionen, die sich um Baumstämme winden. Abends kommt man am großen Büfett zusammen, zum Nachtisch gibt’s Joints, Lagerfeuer und Techno.

Die Buddler: Schildkröten am Strand
Die Füße im Sand am Lagerfeuer, dazu Bier unterm Sternenhimmel. Geht leider nicht – in Olympos wie in Çıralı. Warum? Ganz einfach: Nächtliches Hausrecht haben die Wasserschildkröten, die Caretta carettas, die „Unechten Karettschildkröten“. In lauen Sommernächten kommen sie zu mir, buddeln ihre Nester im Sand und legen ihre Eier hinein.
Die Sonne brütet im Anschluss die Gehege aus. Nach rund 60 Tagen graben sich die Schlüpflinge, wiederum meist nachts, ihren Weg ins Freie. Um dann den Weg ins Meer zu finden, orientieren sich die winzigen Kröten an der hellsten Fläche – in der Regel dem im Mondlicht glänzenden Wasser.
Diesen Weg prägen sich die weiblichen Schildkröten für ihr ganzes Leben ein. Nach 20 bis 30 Jahren beziehungsweise tausenden von geschwommenen Kilometer kehren sie zu mir zurück, um an den Orten ihrer Geburt die eigenen Eier abzulegen. Diesen Kreislauf dürft Ihr nicht unterbrechen. Also: Lagerfeuer und Autoscheinwerfer sind absolute No-Gos! Und rammt Euere Sonnenschirme am besten in Ufernähe in den Kies, um keine Nester zu zerstören –die Schildkröten meiden beim Nestbau den meernassen Bereich.

Raus aus dem Beachtrott: Die schönsten Ausflugsziele
Raus aus dem Bett, ran an den Frühstückstisch, Handtuch und Buch und ab zu mir, danach Dusche, Barbecue und rein ins Bett. Als wäre das Vorschrift. Ob Europäer oder Türken. Alle gleich. Die meisten meiner Fans haben nur wenige Ansprüche an ihr Tagesprogramm. Das ist schade, denn bei mir könnt Ihr auch richtig aktiv werden.
Nach rechts und links verlaufen Teilstrecken des Lykischen Wegs, eines über 500 Kilometer langen Fernwanderwegs von so atemberaubender Schönheit, dass Ihr mit den Ohren schlackern werdet. Markierte Abschnitte führen zu verschwiegenen Badebuchten nördlich und südlich von mir.
Ihr könnt aber auch zu den Forellenfarmen von Ulupınar hoch über der Küste wandern und zu den Ewigen Flammen Chimaera. Bei den erdgasgespeisten Flammen, die an einem Bergkamm aus dem Fels züngeln, gab es in der Antike ein Heiligtum. Damals waren die Flammen noch größer, so groß, dass sich die Kapitäne auf offener See an ihnen wie an einem Leuchtfeuer orientieren konnten. Die Türken, die hier gerne mit dem Samowar antanzen und ihren Tee über den züngelnden Spalten aufbrühen, nennen den magischen Ort ganz simpel Yanartaş, „Brennenden Stein“.
Fahrt ins Blaue: Mit dem Boot in umliegende Buchten
Die Faulen unter Euch werden einen Bootstrip buchen. Für 13 Euro schippert Ihr einen Tag lang von Traumbucht zu Traumbucht, könnt schnorcheln, lesen, dösen und bekommt mittags auch noch Grillfisch mit Spaghetti. Auf dem Rückweg seht Ihr mich dann wieder in meiner ganzen Schönheit, meinen weißen Saum aus Sand und Kies vor einem blau schimmernden Meer, dahinter die grünen Wälder und die mächtigen Berge.

Auf den Geschmack gekommen? Aber Zweifel?
Die Türkei hatten zuletzt nur noch wenige ausländische Urlauber auf ihrem Reiseplan. Verständlich. Bevor Ihr zu mir kommt, checkt unbedingt die Reisehinweise des → Auswärtigen Amtes. Aber eines kann ich Euch sagen: Die Erdowahn-Zeiten haben mich sogar noch attraktiver gemacht: Keiner tritt sich bei mir auf die Flip-Flops und alles ist schön günstig. Und bärtige Bombenleger habe ich hier noch nie gesehen. Die einzigen Terroristen sind die Hähne, die oft die Zeit durcheinander bringen und die Nacht zum Morgen machen. Und die Zikaden, die ganztags um die Wette sägen. Ansonsten bekommt Ihr bei mir Ruhe, die für das ganze Leben reicht.
„Habt keine Angst vor mir!“
ANREISE
Vom Busbahnhof Antalyas (Busverbindungen zum Flughafen) verkehren regelmäßig Busse und Minibusse entlang der Küstenstraße bis zur Abzweigung nach Çıralı. Dort warten Minibusse und Taxis, die Euch über eine sieben Kilometer lange Serpentinenstraße hinunter nach Çıralı bringen. Den Transfer kann man auch mit seiner Unterkunft absprechen. Oder man bucht den direkten Airporttransfer gleich mit (ab 50 Euro one way pro Auto).
LITERATURTIPP
Noch viel mehr Infos zu Çıralı und zur gesamten Lykischen Küste, dazu detaillierte Wanderbeschreibungen, findet Ihr in unserem Reisehandbuch → „Türkei – Lykische Küste“.
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