„Die Gozitaner sind viel schlanker als die Mitteleuropäer, weil kein McDonald’s in der Nähe ist.“
aus dem Reisebericht des Tauchsportclubs Bietigheim e.V.
Zu den stillen Genüssen auf Gozo gehört, bei einem schönen Glas Wein an das Tohuwabohu drüben auf Malta zu denken, sich selbst aber auf der ruhigen Seite zu wissen. Die kleine Schwester Maltas ist ein relaxtes Plätzchen – sofern man die ultraheißen und auch vollen Sommermonate ausspart.
Macht es wie wir und fahrt am besten im April, Mai, September oder Oktober hin: Das Meer ist dann schon oder noch schwimmtauglich, die in Seelenruhe badende Landschaft mit ihren sanften Hügeln und terrassierten Feldern grün getupft statt karg und dürr.
Allzu groß dürft Ihr Euch Gozo aber nicht vorstellen. Gozo, die Kornkammer Maltas, ist gerade 14 Kilometer lang und sieben Kilometer breit. 39.000 Bewohner teilen sich das Eiland. Zum Vergleich: Die Insel Malta ist etwa viermal so groß, hat aber nicht viermal soviel Bewohner, sondern 12-mal so viele.
Gossip aus Victoria
Die Insulaner. 7200 davon leben im knuffigen Hauptstädtchen Victoria im Herz der Insel: eine mächtige Zitadelle, eine Winkelgassen-Altstadt, in der Autos ihre Ohren anlegen müssen, eine stolze Basilika.
Ein guter Tag auf Gozo beginnt für uns stets mit einem Cappuccino im Bellusa Café am lebendigen Hauptplatz It-Tokk. Jeder Tourist wird dort bereits am zweiten Tag mit „Okey dokey, alles klaaaar?“ wie ein Stammgast begrüßt.
Während die Fischer nebenan ihre Catches of the Day verkaufen, wird Inseltratsch ausgetauscht. Schwingt Altfreak Ronny (Name geändert) gerade in der Nachbarschaft den städtischen Besen, kommt wahrscheinlich mal wieder folgende Geschichte aufs Tapet: Vor vielen Jahren soll Ronny, dem die heute graumelierten Rastas bis zum Hintern reichen, auf die Idee gekommen sein, eine der wenigen Banken Gozos zu überfallen. Flugs zog Ronny eine Feinstrumpfhose über Gesicht und Rastamatte. Er muss Marge Simpson geähnelt haben. Aber nicht genug. In der Schalterhalle hatte man für ihn nur ein Lächeln übrig und vertrieb ihn mit den Worten: „Ronny, get out of here!“. Wir lieben diese humorvollen Geschichten von schrulligen Menschen, die Gozo so liebenswert machen.
Bis vor ein paar Jahren lief auch immer einmal wieder George vorbei. Heute leider nicht mehr. Gott hab‘ ihn selig. Er war eine Inselmarke. Weiße Koteletten fast wie Kaiser Wilhelm, Cowboy-Hut, Hawaiihemd und behängt mit Kilos von Gold wie ein anatolischer Bräutigam. Er selbst nannte sich gerne „Mr. Goldman“, wir bevorzugten „Pippis Papa“ – zum perfekten Outfit fehlte nur noch der Papagei auf der Schulter. Zum Gedenken zwei Bilder aus einer anderen Zeit:
Auch Patrick Grima ist nicht mehr. Die nächste Insel-Marke! Das Schwergewicht mit Rauschebart galt in den 1990ern als so etwas wie der gozitanische Jon Bon Jovi. Mit dem Slogan „Musikboxen an allen Straßenecken“ trat er bei den Stadtratswahlen an und siegte triumphal. Seine politische Karriere war allerdings nicht von langer Dauer. Patrick starb 2019.
Nicht verpassen: Die Zitadelle von Gozo
Die Zitadelle ist der große Besuchermagnet Gozos. Dort kann man die Kathedrale besuchen, dazu ein paar verstaubte Museen. Dazu gibt es ein großartiges Fern-Seh-Programm über cremefarbene Dörfer hinweg aufs Meer. Kommt am besten am Abend hierher, wenn die Touristenbusse weg sind und sich eine fast magische Stimmung um die Zitadelle legt.
Oben in der Zitadelle sollte aber auch das Ta’Rikardu auf dem Zettel stehen. In dem urigen Lokal gibt es die mit Abstand besten Ziegenkäse-Ravioli Maltas. Sowas von lecker! Außerdem: Karnickelbraten, kleine runde Pfefferkäse, getrocknete Tomaten und selbst gekelterten Wein.
Gozos Strände – Sand, Fels oder Saline?
Wir schwingen uns aufs Mountainbike. Wer sich ein wenig Zeit für Gozo nimmt, sagen wir mal eine Woche, kann die Insel spielend auch mit dem Rad erkunden. Rauf und runter, rauf und runter – dass Euch kübelweise der Schweiß vom Buckel rinnen wird, wollen wir Euch nicht vorenthalten. Geht aber alles, macht Spaß und schlank!
Wir fahren zur San Blas Bay im Nordosten Gozos. Rauf und runter, rauf und zum Schluss steil bergab. Ein rotgoldener Sandflecken, rechts und links Tamarisken und Zitronenbäume. Ein Kiosk serviert eisgekühltes Cisk, wie das maltesische Bier heißt. Glücklich halten wir unsere Gesichter in die Sonne. Glaubt uns, hier werdet Ihr so schnell braun, dass man Euch abends im Dunklen nicht mehr sehen wird!
Deutlich größer ist die Ramla Bay etwas weiter westlich, die über eine separate Zufahrt zu erreichen ist (rauf, runter, Ihr kennt das ja mittlerweile). Bewacht wird der Beach von einer schneeweißen Madonna auf einem Podest:
Ausgiebig plantschen kann man zudem in Marsalforn und Xlendi (sprich: Schlendi), den beiden Ferienorten Gozos. Auch wenn den Städteplanern hie und da ein bisschen zuviel Beton ausgerutscht ist, kann man es in den beiden entspannten Orten gut aushalten. Rund um Marsalforn faulenzt man zwischen Salinen aus dem 18. Jahrhundert. Xlendi wiederum liegt malerisch an einer engen fjordartigen Bucht, die diverse Einstiegsmöglichkeiten ins Meer bietet.
Schließlich sei noch die kleine Bucht Mgarr Ix-Xini erwähnt. Auch ohne Strand gibt es hier gute Bademöglichkeiten. Zudem eine urgemütliche Taverne mit Tischen unter Schatten spendenden Bäumen. Diese erlebte einen regelrechten Hype, nachdem in der Bucht 2015 der Film By the Sea mit Brad Pitt und Angelina Jolie gedreht worden war.
Noch mehr zu Gozos (und auch Maltas) Stränden findet Ihr in einem separaten Artikel: Wenig Sand, viel Fels: Malta und die Sache mit dem Baden
Die stillen Dörfer Gozos
Von Mauern oder Oleanderhecken gesäumte Miniatursträßchen mäandern über die Insel, vorbei an Weinbergen, Olivenhainen und Feigenkakteen. Sie führen zu Dörfern, die Xaghra (Schaara), Sannat, Gharb (Arb), Ghasri (Asri), Nadur oder San Lawrenz heißen – allesamt im Inselinneren, aber gleichzeitig nie weit weg vom Meer gelegen.
Beige Kalksteinfassaden unter einer azurblauen Himmelswand, eine knallrote Telefonzelle, eine überdimensionierte Pfarrkirche mit Bar daneben. Mäuschenstill ist es in diesen idyllischen Nestern, wo man dem Leben beim Langsamsein zusehen kann. Und zwar am besten vom eigenen Haus aus!
Viele Gozotouristen quartieren sich in jahrhundertealten, zu Ferienhäusern umfunktionierten Farmhäusern ein. Diese sprühen vor rustikalem Wagenrad-Charme, haben bepflanzte Innenhöfe hinter dicken Mauern, Dachterrassen, Grills und nicht selten auch einen kleinen Pool. Ein paar Adressen findet Ihr am Ende des Beitrags.
Aber zurück zu den Dörfern! In den meisten kann man nicht nur schlafen, sondern sich auch etwas angucken: ein Maritime Museum in Nadur, imposante Klippen bei Sannat, die Wallfahrtskirche Ta’Pinu bei Gharb und – das große Highlight – eine prähistorische Tempelanlage bei Xaghra. Die beiden Ggantija-Tempel, die rund 1000 Jahre älter sind als die Pyramiden von Gizeh, haben es sogar auf die UNESCO-Welterbeliste geschafft. Bis zu 16 Meter hoch sollen die Mauern des heute recht zerbröselten Heiligtums gewesen sein, in dem, so vermutet man, die Erdmutter verehrt wurde.
Das Wahrzeichen Gozos aber, der monumentale, aus dem Meer ragende Kalksteinbogen Azure Window in der Dwejra Bay bei San Lawrenz, kollabierte nach einem Sturm im März 2017. Bis dahin zierte es übrigens auch immer wieder Michaels Buch über Malta.
Gozo kulinarisch
Zeit fürs Abendessen! Wir entscheiden uns für ein kleines Lokal an der Uferpromenade von Marsalforn. Genießen im lauen Lüftchen und mit dem Meer im Ohr Goldmakrele mit Kapernsauce und Spaghetti Rizzi mit gelb-orangefarbenem Seeigelfleisch. Einfach und grundehrlich ist die maltesische Küche. Sie lebt von jenen besten Zutaten, die der fast ewige Sommer und das klare Meer drum herum so hervorbringen.
Gerne kochen wir das eine oder andere Gericht zuhause nach. Wer das auch tun will, sollte im → Ta’Mena Estate zwischen Victoria und Marsalforn vorbeischauen. Dort bietet die Familie Spiteri erstklassige Produkte von den eigenen Feldern an. Das süße zähe Tomatenmark ist so gut, dass man es wie Nutella direkt aus dem Glas löffeln könnte. Wir packen uns immer den halben Koffer voll damit, in der Hoffnung, dass es bis zur nächsten Recherche reicht…
Urlaub auf Gozo – ein paar praktische Infos
Wie kommt Ihr hin und rum?
Vom Flughafen auf Malta könnt Ihr entweder mit dem Mietwagen oder direkt mit dem Bus (Dauer je nach Verkehr 30–60 Minuten) zum Fährhafen fahren und von dort in rund einer halben Stunde nach Gozo tuckern. Auf Gozo werden Räder und Scooter verliehen. Busse verkehren auch, aber nicht allzu oft.
Übernachten
Die Zwillingsschwestern Anna und Sonia betreiben das → Guesthouse Maria Giovanna in Marsalforn und die Casa Gemelli in Victoria, zwei Häuser im Boutiquehotel-Stil, dazu noch eine Farmhaus-Pension in Ghasri.
Wem der Sinn nach einem hübschen Farmhaus zum Selbstversorgen steht, kann sich z.B. auf → www.gozovillageholidays.com umsehen.
Essen
Die Taucher aus Bietigheim haben sich getäuscht! Auf der Insel gibt es einen McDonald’s (im Shoppingcenter → Arkadia in Victoria, aber versteht das jetzt nicht als Tipp).
Und ganz so schlank sind die Gozitaner auch nicht. Um schlank zu bleiben, isst man besser im oben schon erwähnten Ta’Rikardu, im → Brookies in Victoria (raffinierte neumaltesische Küche), im → Il Gabbiano in Marsalforn (klasse Seeigel-Spaghetti) oder im → Ta’Karolina in Xlendi (frischester Fisch).
Bloß nicht …
… mit den albernen und für die Insel viel zu großen Hop-on-hop-off-Bussen umherfahren! Diesen flüchtigen und alles andere als nachhaltigen Zaungast-Tourismus sollte man Gozo nicht antun.
Literaturtipp
In Michaels Buch → „Malta – Gozo, Comino“ aus dem Michael Müller Verlag bekommt Ihr rund 50 Seiten zu Gozo inklusive vieler weiterer Unterkünfte, Restauranttipps und vier Wanderbeschreibungen. Gozo ist genial zum Wandern!
Mehr Malta zum Weiterlesen hier auf dem Blog
- Jerma Palace Hotel: Von Gaddafis Luxusbude zum Lost Place
- Kurztrip Valletta: Hauptstadt im Bonsaiformat
- Wenig Sand, viel Fels: Malta und die Sache mit dem Baden
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