Mit einem fröhlichen „Bonjour!“ grüßt uns die Besatzung des entgegenkommenden Boots. Alle an Bord winken. Wir tun das Gleiche. Ein paar Minuten später wiederholt sich das Spiel. „Bonjour“ und Winke, winke. Dass wir auf der Rückfahrt von den vier Hausboottagen auf dem Canal de la Marne au Rhin nicht plötzlich jedem entgegenkommenden Autofahrer zuwinkten, war verwunderlich.
Ein Hausboottrip durch das Elsass, das ist die Entdeckung der Langsamkeit auf dem Wasser. Das ist Entschleunigung pur. Wie sollte es auch anders sein angesichts der maximal neun Stundenkilometer, mit denen man auf der Wasserstraße unterwegs ist? 314 Kilometer ist der Rhein-Marne-Kanal lang, und nicht mal ein Zehntel davon haben wir geschafft. Wir fuhren von Hesse nach Saverne (Zabern) und wieder zurück. Das sind hin und zurück gerade mal 58 Kanalkilometer. Wer Strecke machen will, ist auf dem Hausboot falsch. Hier ist der Weg das Ziel.
In diesem Beitrag erzählen wir Euch, wie es sich so anfühlt, auf einem Hausboot durchs Elsass zu tuckern, dazu gibt’s ein paar Tipps für die Hausbootmiete.

Inhaltsverzeichnis
Hausbootmiete Elsass: Ein paar Tipps und Infos vorab
- Wo leihen? Es gibt verschiedene Anbieter entlang des Kanals. Wir haben bei → Le Boat in Hesse gemietet und waren zufrieden.
- Bootsführerschein nötig? Die Boote von Le Boat sind allesamt führerscheinfrei, zumindest, wenn man auf dem Rhein-Marne-Kanal bleibt. Wer plant, Richtung Saarbrücken zu fahren, braucht einen Führerschein. Verkehrt ist es allerdings nicht, einen Führerschein oder zumindest etwas Bootserfahrung zu haben, vor allem dann, wenn man sich für eines der größeren Boote entscheidet.
- Welches Boot? Es gibt Boote verschiedenster Kategorien von ganz klein bis groß, von eher simpel ausgestattet bis komfortabel. Wir wurden anlässlich des runden Geburtstags der (Schwieger-)Mutter auf die luxuriöse Horizon 5 eingeladen (mehr dazu unten). Die Preise findet Ihr auf den Seiten des Anbieters.
- Routen: Von der Leihstation Hesse kann man den Rhein-Marne-Kanal Richtung Westen oder Osten befahren, oder man wählt den Saar-Kanal Richtung Saarbrücken. Wir haben uns für die Ostroute auf dem Rhein-Marne-Kanal entschieden.
- Wie lange? Euch überlassen. Wir waren vier Nächte unterwegs.
- Hunde: Dürfen mit. Die Endreinigung (wir empfehlen, sie gegen Aufpreis dazu zu buchen, das erspart Stress zum Ende hin) kostet dann jedoch verständlicherweise mehr.
- Alles andere erfahrt Ihr bei der ausführlichen Einweisung.

Die Horizon 5 – unser Zuhause für vier Tage
Wir entschieden uns angesichts unserer Gruppenstärke (acht Personen und zwei Hunde) und des Alters der Passagiere (24 bis 88) für ein komfortables Boot mit fünf Kabinen, jede mit eigenem Bad. Zum Sonnendeck führte keine fiese Stiege, sondern eine ordentliche Treppe.
Die Küche? In Teilen besser ausgestattet als unsere daheim, selbst eine Mikrowelle gab es. Auf Deck ein Gasgrill für schöne Sommerabendgrillsessions.

Leinen los!
Der erste Tag geht schnell vorüber. Im Hafen von Hesse beladen wir das Boot mit Kisten voller Lebensmittel und Wein. Danach werden wir ausführlich gebrieft und machen eine Probefahrt durch das Hafenbecken – da sind schon gleich die ersten Stunden rum. Dann heißt es: Leinen los!
Wir sind nicht die einzigen auf dem Canal de la Marne au Rhin in diesen herrlichen Spätaugusttagen. Der Kanal ist gut befahren, ein kleiner Hausboot-Highway. Ausgehoben wurde er übrigens Mitte des 19. Jahrhunderts, um eine Ost-West-Achse für den Gütertransport zwischen dem Pariser Becken und dem Rheintal zu schaffen. Die Zeiten des Gütertransports sind allerdings längst vorbei. Heute gehört der Rhein-Marne-Kanal, der in Vitry-le-François beginnt und in Straßburg endet, den Freizeitkapitänen.

Wir tuckern dahin, der Kanal ist mal schmaler und mal breiter. Rechts und links Felder und Mischwald, in den sich teils schon Herbstfarben eingeschlichen haben. Pferde stehen auf Koppeln, Bäume spiegeln sich im Wasser. Teilweise fühlt man sich an den Spreewald erinnert.
Die Landschaft ist lieblich, aber frei von größeren Überraschungen, trägt nicht dick auf. An seinen Ufern Spaziergänger und Radler. Auch ihnen winken wir zu: „Bonjour!“

Vor dem Sonnenuntergang suchen wir uns ein Plätzchen für die Nacht, legen an. Im schönsten Abendlicht gibt’s den Apéro auf Deck, danach neapolitanische Pizza aus dem mitgebrachten Ofen. Wir fallen in die schmalen Betten und wachen auf, als im Morgenlicht Nebelschwaden wie Tülltücher über dem Wasser wabern:

Tunnel und eine Überdosis Schleusen
Zwei dunkle, kühle Tunnel liegen auf unserer Route. Der Arzviller-Tunnel ist dabei mit über 2300 Metern der längere. Ampeln regeln die Zufahrt. Brav halten wir uns an alle Vorschriften, die man uns beim Briefing beigebracht hat: Wir schalten die Positionslichter ein und legen Schwimmwesten an.
Neben den beiden Tunneln sind es aber vor allem die Schleusen, die die Reise so langsam machen. 13 Schleusen sind zwischen Hesse und Saverne zu bewältigen. 13 hin, 13 zurück. Hat man die eine Schleuse passiert, muss sich die Crew schon auf die nächste vorbereiten. Schleusen ist mit Arbeit verbunden. Für fast jeden von uns gibt es was zu tun: Fender ausbringen, das Boot auf Abstand halten, Leinen fieren. Faulenzen oder ein Buch lesen ist wegen der vielen Schleusen kaum drin – das solltet Ihr bedenken.
Die Schleusen auf der Route zwischen Hesse und Saverne funktionieren ohne Schleusenwärter. Es sind Selbstbedienungsschleusen, deren Einfahrten über Lichtsignale geregelt werden. Um den Schleusenvorgang auszulösen, zieht man in der Schleusenkammer – teils mit Hilfe des Bootshakens – an einer Stange. Beim ersten Schleusen wird man dabei für alle folgenden Schleusen vorgemerkt, um so etwas wie eine grüne Welle zu gewährleisten. Will man die Fahrt zwischen den Schleusen unterbrechen, muss man Bescheid geben – an jeder Schleuse gibt es eine Gegensprechanlage. Gleiches gilt bei irgendwelchen Problemen.
Ihr versteht nur Bahnhof? Keine Sorge, spätestens beim zweiten Schleusen kennt Ihr Euch aus. Und nach der zehnten Schleuse träumt Ihr vom Schleusen.
Baden unmöglich – über die Downside dieser Reise
Unsere Badeklamotten bleiben über die ganzen Tage hinweg unangetastet in der Reisetasche. Der Grund: Baden ist im Rhein-Marne-Kanal verboten. Denn Gnade dem, der hier ins Wasser fällt.
Das Wasser des Kanals ist eine trübe braune Brühe, gesprenkelt mit Schaumflecken. Badelatschen schwimmen darauf, hin und wieder ein toter Fisch. Außer Fische sehen wir keine anderen Tiere im Nass, Enten und Schwäne scheinen das Gewässer zu meiden. Hin und wieder sitzen Angler am Kanalufer. Doch will man die Fische, die hier herausgezogen werden, wirklich essen?

Was wir erst beim Briefing erfahren haben: Das Grau- und Schwarzwasser der Hausboote wird direkt im Kanal entsorgt. Wer auf dem Rhein-Marne-Kanal unterwegs ist, tuckert damit letztendlich auf einem Abwasserkanal umher. Immerhin riecht die braune Brühe nicht. Die Situation soll sich ändern, ein Abpumpen des Abwassers in den Kanal soll verboten werden. Der Zeitpunkt dafür aber steht noch in den Sternen, wie man uns erzählte.
Das nur ganz nebenbei.
Highlight: Schiffshebewerk Arzviller
Von der Downside zum Highlight! Die Passage durch das Schiffshebewerk Arzviller ist ganz großes Hausbootkino und ein Erlebnis für alle Technikfans. Das Hebewerk, eine schiefe Ebene mit quer liegendem Stahltrog, wurde zwischen 1964 und 1968 errichtet. Dadurch blieben den Schiffen und Kähnen fortan 17 Schleusungen erspart. Um die 44,55 Meter Höhenunterschied auszugleichen, brauchte man früher acht Stunden. Jetzt ist man in etwa 25 Minuten durch, von eventueller Wartezeit einmal abgesehen.
Der Schiffsaufzug funktioniert auf eine ganz einfache Art und Weise. Die „Aufzugskabine“ ist sozusagen ein 43 Meter langer Trog, der mit Wasser gefüllt ist. Dieser Trog ist 850 Tonnen schwer. Er wiegt immer das Gleiche, mit Schiff oder ohne Schiff. Ein Schiff im Trog verdrängt nämlich soviel Wasser wie es selbst wiegt.
Der Trog wird von zwei Gegengewichten, die ebenfalls 850 Tonnen schwer sind, nach oben gezogen. Ein kleiner Motor reicht somit, um den Aufzug in Bewegung zu setzen. Was für eine geniale Konstruktion!
Weiter nach Lutzelbourg
Die Hügel werden höher. Wir durchfahren die Vogesen. In Lutzelbourg bzw. Lützelburg machen wir Gassipause, die Hunde freuen sich. Lützelburg ist ein aus dem Mittelhochdeutschen erhaltener Ortsname und bedeutet „Kleine Burg“. Diese thront heute in Ruinen über dem friedlichen 560-Seelen-Örtchen.
Viel zu tun oder zu sehen gibt es nicht in Lützelburg. Zwei Kirchen. Ein Bäcker. Ein Hotel samt Restaurant. Wir holen Baguette und zapfen für zwei Euro Frischwasser an einer Säule an der Anlegestelle. Dann geht es weiter.

Angekommen in Saverne
Porte d’Alsace“ wird die geschichtsträchtige Kleinstadt Saverne genannt. Errichtet wurde sie am Fuß des niedrigsten und engsten Abschnitts der Vogesen. Eine Perle!
Es gibt wohl keine schönere Art der Anreise als mit dem Boot. Dabei geht es zunächst durch eine mächtig tiefe Schleuse und danach vorbei am Rohan-Schloss aus dem 18. Jahrhundert ins Hafenbecken.

Dort befindet sich die Marina, in der wir die Nacht verbringen. Für 20 Euros bekommt man Strom, Wasser, sanitäre Anlagen und einen Traumblick aufs Schloss. Im herrlichsten Abendlicht sitzen wir auf Deck und grillen Steaks.

Stadtbesichtigung am nächsten Morgen. Das Zentrum mit seinen hübschen Fachwerkhäusern präsentiert sich durch und durch entspannt. Am Kanal kleine Restaurants, in der Fußgängerzone Patisserien und charmante Geschäfte.
Neben dem hiesigen Schloss im Versailler Stil sind es vor allem zwei Sakralbauten, die Touristen anziehen. Die Kirche Notre Dame de la Nativité ist ein Kleinod. Ihr Turm stammt aus dem 12. Jahrhundert, das Interieur ist weitgehend gotisch.

Ein wunderbarer Ort ist zudem der Kreuzgang des Klosters der Récollets (reformierte Franziskaner) mit herrlichen Fresken aus dem 14. und 15. Jahrhundert:

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