Ein Mikroabenteuer nicht weit weg von Berlin? Da hätten wir einen Vorschlag: Einmal mit dem Floß rund um Potsdam in 24 Stunden! Für die entspannte Tour auf der schwimmenden Holzhütte braucht Ihr nicht mal einen Führerschein, etwas Abenteuerlust genügt.

Start und Ende des Ausflugs auf der Havel, ihren Seen und Kanälen ist Potsdam. Alle wichtigen Infos findet Ihr am Ende des Artikels. Die Floßtour beschreiben wir in ähnlicher Form übrigens auch in unserem Reiseführer → Berlin außenrum. Überlandabenteuer Brandenburg.

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Briefing und los

Unser Floß heißt Judith. Judith Loftus genau genommen. Der Name passt. In Mark Twains Roman „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ wird Judith Loftus als feinfühlige Frau beschrieben. Und auch unser geschmeidig durchs Wasser pflügendes Holzhüttchen ist von der eher sanften Sorte. Gleitet gemächlich über die Wogen und spendet Schatten. Mehr als zehn Kilometer pro Stunde sind nicht drin, schließlich ist das Fahren des Floßes führerscheinfrei.

 

Frau am Steuer eines Holzfloßes
Entspanntes Mikroabenteuer: Mit dem Floß rund um die Insel Potsdam

 

Gerade haben wir die Leinen los gemacht. Das Briefing war kurz. Anker, Taue, Pinne und Motor waren schnell erklärt. Falsch machen kann man wenig. Unsere Route soll von Potsdam um die so genannte Insel Potsdam führen. Dieses von Wasser umarmte Dreieck wollen wir abtuckern, auf der Havel, ihren Seen und Kanälen. Lästige Schleusen? Nüscht. Von Mittag bis Mittag haben wir Zeit. Kaiserwetter ist angesagt.

 

Caputh und Schwielowsee

Wir freuen uns wie ein Schnitzel auf diese Fahrt ins Blaue. Nur die Porta Potti, die Nottoilette, macht uns wenig an. Doch egal. Adventure is the new luxury.

 

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Das Zentrum Potsdams lassen wir schnell hinter uns. Der Sommerhimmel wölbt sich über grün bewaldete Ufer. Wir unterqueren Brücken, passieren die Engstelle bei Caputh. Grüßen andere Hobby-Kapitäne. Nicht aber die nervenden Poser in ihren schnell vorbeijagenden Motorbooten. Sie lassen unsere Judith schaukeln. Schwippschwapp.

Im Schwielowsee werfen wir Anker, schwimmen eine Runde und packen unser Picknick aus: Weißbrot, Thunfisch, Tarama, Gurke. Wir kauen, schauen, lesen Zeitung. Eine Holzterrasse direkt auf dem Wasser, das hat schon was.

 

 

Die Nacht auf der Judith

Unsere meditative Reise geht weiter. Das Wasser ist mal glatt, mal knittrig wie ein Seidentuch in Delfter Blau oder durchwebt von grünen Algen. Die Havel wechselt häufig ihre Farbe. Hinter dem Dorf Phöben wird sie wieder so schmal, wie es sich für einen Fluss gehört.

Eine First-Class-Idylle tut sich auf. Aus dem Schilf zirpt, quakt und tschilpt es. Wer hier übernachten will, sucht sich am besten schon am Nachmittag ein schönes Plätzchen. Wir aber halten noch ein wenig die Pinne in der Hand.

 

Frau steht bei Sonnenuntergang in einem See
Der Abend kommt

 

Im Abendsonnengold fahren wir in den Schlänitzsee ein. Hier beschließen wir die Nacht zu verbringen. Noch vorm Sundowner bauen wir Judith zu einem schwimmenden Bett um, rollen unsere Isomatten über den hölzernen Bänken aus.

Während wir unsere Flasche Rotwein genüsslich leeren, verändert sich der Himmel im Sekundentakt. Der lange Junitag verglüht mit einem Sonnenuntergang, der direkt ins Gefühlszentrum haut. Erst als die letzten pinkfarbenen Streifen über dem See verschwinden, wickeln wir uns in die Schlafsäcke, umhüllt vom elektrisierenden, fast tropischen Sound der Insekten.

 

Frau Holzfloß Sonnenuntergang
Wenn ein Tag so endet, kann man sich nicht beschweren

 

Auf dem Sacrow-Paretzer Kanal zurück nach Potsdam

Am nächsten Morgen spiegeln sich unsere Gesichter beim Zähneputzen im Wasser. Ein neugieriger Schwan guckt zu. Wir ziehen den Anker hoch und setzen unsere Fahrt auf dem Sacrow-Paretzer Kanal fort.

Wir passieren schicke Villen, den Neuen Garten, hinter der Glienicker Brücke das Schloss Babelsberg. Und kommen schließlich mit Judiths Rat an Huck „Halte dich immer an den Strom!“ und mit Sommerglück in den Gesichtern zur Floßstation zurück.

 

Kanal in flacher Landschaft
Zurück geht’s durch den Sacrow-Paretzer Kanal

 

Sehenswertes entlang der Route

Schiffbauergasse

Sie ist, anders als ihr Name suggeriert, keine Gasse, sondern ein zwölf Hektar großer Kulturstandort in herrlicher Lage am Tiefen See. Im 19. Jahrhundert vornehmlich militärisch genutzt, befinden sich hier heute das architektonisch spannende Hans Otto Theater, mehrere Konzert- und Partylocations sowie das museum Fluxus +, das sich der Fluxus-Bewegung widmet.

 

Hans Otto Theater moderner Bau
Hans Otto Theater

 

Caputh

Cocktail im Seebad oder Forelle im Fährhaus? Und vielleicht sogar eine Schlossbesichtigung? Caputh wirkt wie ein kleiner Ferienort, bietet nicht nur das stylishste Strandbad in der Umgebung von Potsdam, sondern mit dem Fährhaus auch eine überzeugende Gaststätte mit Veranda am Wasser. Das Schloss aus dem 17. Jahrhundert war ein beliebtes Ausflugsziel Friedrichs I.

 

Sandstrand mit Bastschirmen
Strandbad Caputh

 

Werder

Die Altstadt von Werder liegt idyllisch auf einer Havelinsel – ein optisches Schmankerl, wo man auch anlegen kann. Geht durch die Gassen spazieren und holt Euch danach ein Fischbrötchen im Restaurant Arielle direkt an der Havel.

 

Altstadt am Wasser
Bildschön: Altstadtinsel von Werder

 

Marquardt

Am Ufer des Schlänitzsees liegt ein Schloss mit wechselvoller Geschichte. Es dient als Eventlocation und Drehort uns ist sonst leider nicht zugänglich. Ihr findet dort auch eine nette Badestelle: ein paar Quadratmeter Sand und eine Liegewiese.

 

Neuer Garten

Vom Neuen Garten, in dem sich auch Schloss Cecilienhof, das Marmorpalais und kleinere romantische Bauten befinden, sieht man beim Vorbeituckern im Jungfernsee nicht viel mehr als die Meierei. Der Bau aus dem späten 18. Jahrhundert dient heute als Gasthausbrauerei. Das hausgebraute Bier ist sehr lecker.

 

Neugotisches Gebäude am Wasser
Meierei

 

Glienicker Brücke

Auf der Fahrt zurück in die Potsdamer City unterquert man die Glienicker Brücke, Potsdams berühmteste Brücke. Die herrlich gelegene Havelbrücke ver­bin­det heute Potsdam mit Berlin und trennte einst die DDR von West-Berlin. Ab 1952 war sie nur noch mit Sondergenehmigungen passierbar. Während der Zeit des Kalten Krieges wurden auf der Glienicker Brücke drei Mal Agenten, Häftlinge und Dissi­den­ten ausgetauscht: 1962, 1985 und 1986. Vom ersten Agentenaustausch handelt Steven Spielbergs Spionagethriller „Bridge of Spies“ mit Tom Hanks (2015).

 

Boot fährt durch Brücke
Durch die Glienicker Brücke

 

Park Babelsberg

Zuletzt schließlich lohnt noch ein Blick nach links. Dort erstreckt sich der hügelige Park Babelsberg mit seinem neogotischen Schloss, einem Aussichtsturm, romantischen Spazierwegen und einer davor sprudelnden, 40 Meter hohen Fontäne. Ein zauberhaftes Gesamtkunstwerk, das man sich auch einmal aus der Nähe anschauen sollte.

 

Schloss in einem grünen Park an einem Gewässer
Park Babelsberg mit Schloss

 

Mit dem Floß rund um Potsdam: Praktische Infos

  • Wo leihen? Wir liehen unsere Judith bei → Huckleberrys (Verleihstation Schiffbauergasse). Es gibt auch noch andere Verleiher wie → Diki Tours oder die → Wassersportstation am Templiner See. Wer der beste Verleiher ist, können wir euch nicht sagen, wir haben nicht alle ausprobiert.
  • Wann? Am schönsten natürlich bei Sommerwetter oder an noch warmen Herbsttagen. Am Wochenende wird es allerdings voll auf den Gewässern!
  • Wie lange? Man ist rund 24 Stunden unterwegs, reine Fahrtzeit neun Stunden
  • Was unbedingt mitnehmen? Schlafsäcke und Isomatte, Sonnenschutz, Moskitospray, Verpflegung
  • Wie viel? Das Mikroabenteuer ist nicht billig. Das Floß (für maximal drei Erwachsene oder zwei Erwachsene und zwei Kinder) kostet inklusive Sprit mindestens 200 Euro für 24 Stunden.

 

Noch mehr kleine Abenteuer rund um Berlin

Dieser Text ist im Original in unserem Reiseführer → Berlin außenrum. Überlandabenteuer Brandenburg erschienen. Im Buch findet Ihr noch 32 weitere kleine Abenteuer, die man in Brandenburg erleben kann.

 

Mehr Potsdam und Umgebung hier auf dem Blog

 

 

6 Kommentare

  1. Hi Ihr beiden Hobbykapitäne,

    10 km/h ist doch schnell 😉 …ich erinnere mich an eine Tour mit 4 km/h durch Amsterdam.

    Die Tour klingt wirklich toll und der spritzige Text lässt auf einen entspannt-kreativen Ausflug rückschließen. Direkt vor meiner Haustür habe ich dieses Vergnügen auf dem Wasser zwar noch nie gehabt, wohl aber ziemlich viele der von Euch beschriebenen Stellen zu Fuß erkundet.

    Sehr schöner Beitrag.

    Liebe Grüße von der Insel Potsdam
    Sandra

    • Danke, liebe Sandra. Stimmt, da sind wir ja direkt durch deine sprichwörtliche Westentasche gefahren 🙂 Die Hobbykapitäne grüßen zurück!

  2. Ah wie geil. Das ist wirklich ein tolles Mikroabenteuer, was man so nicht jeden Tag erlebt. Hab mich beim Lesen gefühlt, als würde ich selbst im Sonnenuntergang mit der Judith einer dahin tuckern. Herrlich!

    Auf jeden Fall zum Nachmachen.

    Liebe Grüsse
    Lisa

  3. Hallo Michael,
    wieder ein sehr inspirierender Artikel. Ich habe direkt Lust loszuschippern. Werde ich sicher mal ausprobieren, wenn ich mal wieder in Berlin oder Potsdam bin. Danke fürs teilen.
    Liebe Grüße
    Christiane von ein zweiter Blick

    • Auch dir vielen Dank fürs Feedback, Christiane. Ja, können wir weiterempfehlen, vor allem außerhalb der Hochsommerwochenenden.

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