Die A9 zwischen Berlin und Leipzig ist ein Autobahnabschnitt zum Abgewöhnen. Rechts und links meist Landschaften zum Gähnen. Häufig Stau. Wird eine Baustelle fertig, macht die nächste auf. Eine Stunde und ein paar Zerquetschte braucht der ICE für die Distanz. Mit dem Auto dauert’s ewig. Die A9 ist eine Autobahn, die kein Ende nehmen will.

Wir, zwei Wahl-Berliner mit Familie und Freunden im süddeutschen Raum, sind immer wieder mal auf der A9 unterwegs. Um die nervtötende Fahrten abwechslungsreicher zu gestalten, fingen wir irgendwann an, den braunen Hinweisschildern hinterherzufahren. Und zu gucken, was sich hinter den Orten auf den Tafeln eigentlich verbirgt.

Im Amtsdeutsch nennt man die braunen Schilder „touristische Unterrichtstafeln“. Rund 3500 sind an deutschen Autobahnen aufgestellt, Tendenz steigend. Laut Umfragen bewegen sie etwa ein Sechstel der Reisenden zum Abbiegen. Auf den Tafeln stehen Städte, Sehenswürdigkeiten, Naturschutzgebiete, aber auch ganze Regionen. An der A 9 zwischen Berlin und Leipzig sind auch mehrere UNESCO-Welterben dabei.

Mittlerweile sind wir hinter jedem braunen Hinweisschild zwischen Berlin und Leipzig abgebogen. Und haben dadurch interessante neue Orte, aber auch uninteressante neue Orte kennen gelernt. Und die stellen wir Euch jetzt vor.

Hinweise: Manche braune Schilder sieht man nur in Fahrtrichtung Leipzig, andere nur in Fahrtrichtung Berlin. Also nicht wundern, wenn Ihr in diesem Beitrag auf Orte stoßt, die Ihr auf keinen braunen Schildern entdeckt habt.

 

Und übrigens: Die A9 Richtung Leipzig beginnt nicht IN Berlin, sondern erst SÜDLICH von Potsdam. Braune Tafeln bzw. die entsprechenden Orte rechts und links der Zubringerautobahn A115 zwischen Potsdam und Berlin tauchen hier nicht auf.

 

 

Von Nord nach Süd: Braune Schilder an der A9 Berlin – Leipzig

 

#1 Baumkronenpfad Beelitz-Heilstätten (Highlight!)

Leute, es fängt gut an! Der Baumkronenpfad und das Areal der ehemaligen Lungenheilanstalt Beelitz-Heilstätten daneben gehören zu den größten Attraktionen im Berliner Speckgürtel. Blinker setzen, rausfahren und angucken!

Die Ruinen der Heilanstalt aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sind ein gigantischer, der Öffentlichkeit zugänglich gemachter Lost Place. Durch die verfallenen Sanatorien werden Führungen angeboten. Nebenan wird aber auch fleißig restauriert, ein ganz neues Stadtquartier ist dort im Entstehen. Deswegen: Lieber so früh wie möglich hin als zu spät!

 

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Zu den Attraktionen des Areals gehört auch ein Baumkronenpfad. Er führt am so genannten Alpenhaus vorbei, einem alten Kliniktrakt, auf dessen Dach bereits Bäume wachsen. Ebenfalls auf dem Gelände: ein Barfußpark. Ohne Socken Beelitz rocken!

 

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Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 2 Beelitz-Heilstätten noch ca. 1,5 km +++ Dauer des Abstechers: mind. 3 Std. +++ Lohnt es sich? Unbedingt! +++ Familienfreundlich +++ Weitere Infos: baumundzeit.de +++

 

#2 Spargelstadt Beelitz

Die Kleinstadt Beelitz ist zur Spargelsaison eine Abbiege-Option. Dann nämlich kann man sich rund um das Städtchen mit dem Stangengemüse eindecken oder es in den Spargelhöfen direkt genießen.

 

Holztisch mit Spargelgerichten und Blumen
Spargelpause in Beelitz

 

Ansonsten präsentiert sich Beelitz als typisch bräsiges brandenburgisches Nest. 12.000 Einwohner zählt es. Der alte verklinkerte Kern rund um die Pfarrkirche ist schnell abspaziert. Dort lädt ganz klar ein Spargelmuseum zum Besuch.

 

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 2 Beelitz-Heilstätten noch ca. 7 km, ab Autobahnausfahrt 3 Beelitz ebenfalls ca. 7 km +++ Dauer des Abstechers: mind. 60 Min., mit Einkehr lässig 2 Std. +++ Lohnt es sich? Zur Spargelsaison auf jeden Fall +++ Weitere Infos über Beelitz gibt es hier bei uns +++

 

#3 Naturpark Nuthe-Nieplitz

Der Naturpark Nuthe-Nieplitz ist ein 623 Quadratkilometer großes Areal, das man grob zwischen Beelitz und Trebbin, Treuenbrietzen und Luckenwalde einordnen kann. Im Herzen des Naturparks liegt der Blankensee mit dem gleichnamigen Ort samt Schloss (das man für Hochzeiten mieten kann) und Museumsschänke im Bauernmuseum. Checkt erst die Öffnungszeiten, bevor Ihr Euch dahin aufmacht!

Der Naturpark umfasst mehrere Naturschutzgebiete. Das Kerngebiet prägen die feuchten Niederungen um die beiden Flüsschen Nuthe und Nieplitz. Es gibt viele Moskitos, viel Wasser und viel Wald.

 

 

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 2 Beelitz-Heilstätten ca. 21 km bis Blankensee, ab Autobahnausfahrt 3 Beelitz ebenfalls ca. 21 km +++ Dauer des Abstechers: hängt von der Länge Eures Spaziergangs oder Eurer Wanderung ab +++ Lohnt es sich? Wer Wald und Wasser noch nicht gesehen hat, sollte da auf jeden Fall mal hin. Wir selbst fanden unsere Wanderung im Naturpark nicht sonderlich spektakulär. +++ Weitere Infos: naturpark-nuthe-nieplitz.de  +++

 

#4 Treuenbrietzen

Auf dem Weg von der Autobahn nach Treuenbrietzen sehen wir Windräder und Pferde auf der Koppel. Eine Unterleuten-Landschaft. Vor Ort präsentiert sich Treuenbrietzen als eine durchaus charmante Mischung aus schön und schäbig. Knapp 7500 Einwohner hat das Städtchen. Einige davon leben in schmucken ockerfarbenen Fachwerkhäusern in Holpergassen. Andere in grauen Straßen, die so aus der Zeit gefallen wirken, dass man hier noch DDR-80er-Jahre-Filme drehen könnte. Was man vermutlich auch tut.

 

 

Wir sehen viel Leerstand, passieren ein Heimatmuseum, zwei verschlossene Kirchen und einen Wasserturm. Auf der Hauptdurchgangsstraße, der B2, rollt der Schwerverkehr. Unser Wunsch für Treuenbrietzen: eine Umgehungsstraße!

 

Kopfsteinstraße mit braunen, heruntergekommenen Altstadthäusern
… ganz schön traurige Ecken

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 4 Brück noch ca. 10 km, ab Autobahnausfahrt 5 Niemegk ca. 14 km +++ Dauer des Abstechers: mind. 1,5 Std. (kleiner Stadtspaziergang plus Kaffeetrinken) +++ Lohnt es sich? Treuenbrietzen ist ein netter Ort, um sich die Beine zu vertreten und ein wenig Brandenburg zu schnuppern +++

 

#5 Bad Belzig

Das Heilbad Bad Belzig besitzt eine pastellfarbene Altstadt mit stattlichem Renaissance-Rathaus und eine vielbesuchte Therme, deren jodhaltige Sole einen ähnlich hohen Salzgehalt wie das Tote Meer aufweist.

Über Bad Belzig thront die Burg Eisenhardt. Ihr 24 Meter hoher Rundturm ist das Wahrzeichen der Stadt. Auf dem Burgareal befindet sich ein Heimatmuseum.

 

 

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 5 Niemegk ca. 10 km  +++ Dauer des Abstechers: Nur mal kurz gucken ca. 1,5 Std.; länger dauert eine Burgbesichtigung oder ein Thermenbesuch +++ Familienfreundlich +++ Lohnt es sich? Hängt von den jeweiligen Interessen ab +++ Weitere Infos: bad-belzig.de +++

 

#6 Fläming / Naturpark Hoher Fläming

Es gibt auf der A9 ein braunes Schild mit der Aufschrift „Fläming“ und eines in der Variante „Naturpark Hoher Fläming“. Der Fläming ist ein „Höhenzug“ (höchste Erhebung 200 Meter), den sich das südwestliche Brandenburg und Sachsen-Anhalt teilen. Die sanftwellige Moränenlandschaft bietet dichte Buchen- und Kiefernwälder mit vielen Wildschweinen drin, Dörfer mit Feldsteinkirchen und weites, weites Land.

Ein Teil des in Brandenburg liegenden Flämings wurde zum „Naturpark Hoher Fläming“ ernannt, er allein ist fast 830 Quadratkilometer groß. Uns gefällt die Gegend. Wir sind gerne da, campen in der Idylle, rollerbladen auf der → Flaeming Skate, wandern und radeln. Auch Burg Rabenstein, Bad Belzig und Wiesenburg (siehe oben und unten) befinden sich übrigens im Fläming.

 

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Nahe der Autobahn liegt der Imbiss des → Fischerhofs Gehricke. Egal ob Fischbrötchen oder Räucherfisch – hier ist alles extralecker.

Praktische Infos: Zum Fischerhof Gehrike sind es von der Autobahnausfahrt 5 Niemegk ca. 500 m (Richtung Bad Belzig halten) +++ Dauer des Abstechers: von der Pinkel- bzw. Gassipause bis hin zu mehrtägigen Aufenthalten ist alles möglich +++ Familien- und hundefreundlich +++ Lohnt es sich? Naturfreunden wird es im Fläming gefallen +++

 

#7 Burg Rabenstein

Ein Abstecher für Mittelalterfans! Die Burg Rabenstein erhebt sich oberhalb des Dorfs Raben über einem für Brandenburg recht steilen Abhang. Vom 30 Meter hohen Burgturm liegt Euch der Hohe Fläming (siehe oben) zu Füßen. Wer die Burg besichtigen will, sieht unter anderem den Rittersaal und eine gruselige Folterkammer. Das Burgareal ist auch ein idealer Ort fürs Picknick.

 

 

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 6 Klein Marzehns noch ca. 2,5 km +++ Dauer des Abstechers mind. 2 Std. inklusive Burgbesichtigung +++ Familienfreundlich +++ Einkehren und Übernachten: Im nahen Dorf Rädigke 6 km östlich der Burg gibt es den netten → Landgasthof Moritz mit Zimmervermietung und gutem Essen, außerdem einen idyllischen kleinen → Campingplatz +++ Lohnt es sich? Für Burgfans ja +++

 

#8 Wiesenburg/Mark

Wiesenburg/Mark ist ein beschauliches brandenburgisches Landstädtchen im Grünen. Wir haben es mal auf einer ziemlich schönen Wintertour auf dem → Kunstwanderweg Hoher Fläming passiert.

 

 

Im Mittelpunkt des Örtchens steht ein Schloss, das von einem schönen Park samt Blumenrabatten und Teichen umgeben ist. Wer von Euch schon immer einmal in einem Schloss leben wollte, kann darin eine Eigentumswohnung erwerben. Schaut mal hier. Öffentlich zugänglich ist nur der Schlossturm.

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 7 Köselitz noch ca. 19 km +++ Dauer des Abstechers: mind. 1,5 Std. +++ Familien- und hundefreundlich +++ Lohnt es sich? Wiesenburg ist okay für eine nette kurze Pause +++

 

#9 UNESCO-Welterbe Lutherstadt Wittenberg (Highlight!)

Wittenberg hat uns überrascht. Die geschäftige, 45.000 Einwohner zählende Stadt an der Elbe ist für einen kurzen Stopp fast zu schade. Es macht Spaß, das hübsche historische Zentrum mit seinen vielen Lokalen und idyllischen Höfen zu erkunden. Die Sehenswürdigkeiten sind Hochkaräter. Von den fünf hier aufgelisteten stehen allein vier auf der UNESCO-Welterbeliste.

 

UNESCO-Welterbe Nummer 1: Schlosskirche

Die zwischen 1489 und 1509 errichtete Schlosskirche besitzt nicht nur einen augenfälligen Turm, sondern auch die wohl berühmteste Tür Deutschlands. Die nämlich, an die Martin Luther seine 95 Thesen angeschlagen haben soll. Die Tür ist zwar nicht mehr das Original, dennoch solltet Ihr die Schlosskirche unbedingt besichtigen. Sie ist eine der farbenfrohsten gotischen Kirchen, die wir kennen, und das Kreuzrippengewölbe eine Wucht. In der Kirche befindet sich auch das Grab Martin Luthers.

 

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UNESCO-Welterbe Nummer 2: Lutherhaus

In der Collegienstraße wohnte Luther mit seiner Familie. Heute ist in seinem Wohnhaus ein Museum zur Reformationsgeschichte untergebracht. Weitere Infos hier.

UNESCO-Welterbe Nummer 3: Stadtkirche St. Marien

Die zweite Welterbekirche der Stadt ist zugleich das älteste Gebäude Wittenbergs. Sie stammt aus dem späten 13. Jahrhundert. In St. Marien heiratete der gute Martin.

Montags hat die Kirche allerdings geschlossen, daher konnten wir das Altarbild der Cranachs (der Ältere und der Jüngere waren beteiligt) nicht besichtigen.

 

Relief eines säugenden Schweins aus gotischer Zeit

 

Wer aufmerksam mit dem Kopf im Nacken um die Kirche spaziert, entdeckt ein so genanntes „Judensau“-Relief an der Fassade. Der Schandfleck ist heute gekoppelt mit einem Mahnmal gegen Antisemitismus in Form einer Bodenplatte. Das ist Kritikern zu wenig: Sie fordern die Entfernung des Reliefs oder die Streichung von der UNESCO-Welterbeliste.

 

UNESCO-Welterbe Nummer 4: Melanchthonhaus

Philipp Melanchthon, der zweite bedeutende Reformator aus Wittenberg, lebte in einem wunderschönen Renaissancehaus. Über die Jahrhunderte hinweg blieb das Haus nahezu unverändert, und genau deswegen ist es so interessant.

 

Spiegelkugel in einem historischen Zentrum
In Wittenberg gibt es viel zu sehen, also unbedingt abbiegen!

 

Kein UNESCO-Welterbe: Cranach-Haus

Von 1505 bis 1550 weilte Lucas Cranach der Ältere in Wittenberg. Er arbeitete dort nicht nur als Maler und Zeichner, sondern auch als Buchdrucker, Apotheker und Bürgermeister. In seinem ehemaligen Wohnhaus am Markt 4 gedenkt man dem vielbeschäftigten Mann heute mit einer Ausstellung.

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 8 Coswig ca. 17 km +++ Dauer des Abstechers: mind. 3 Std., besser einen halben oder ganzen Tag einplanen. Es gibt diverse Unterkünfte, dazu einen Campingplatz und einen Womo-Stellplatz +++ Lohnt es sich? Unbedingt! +++ Weitere Infos: lutherstadt-wittenberg.de +++

 

#10 UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz (Highlight!)

Schlösser und Schlösschen. Brücken und Brückchen. Kirchen und Türme. Deichwege, Alleen, Sichtachsen. Seerosenteiche, Skulpturen und Labyrinthe. Das 142 Quadratkilometer große Areal zwischen Wittenberg und Dessau ist ein Smaragd, ein Ereignis in der sonst eher ereignisarmen Landschaft Sachsen-Anhalts. Fahrt selber hin und staunt!

„Hier ists iezt unendlich schön.“

Johann Wolfgang von Goethe

Das landschaftsarchitektonische Gesamtkunstwerk aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geht auf einen Lokalfürsten mit dem etwas sperrigen Namen Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau zurück. Als aufgeklärter Mensch lehnte er den althergebrachten Barockgarten ab. Auf seinen Ländereien wollte er einen Landschaftspark haben, ähnlich jenen, die er auf seinen Reisen über die grüne Insel mit den komischen Menschen kennengelernt hatte.

 

Klassizistisches gelbes Schloss, davor Blumenwiese
Landschaftsarchitektonisches Gesamtkunstwerk: Gartenreich Dessau-Wörlitz

 

So entstand das Gartenreich Dessau-Wörlitz, der erste Park Kontinentaleuropas nach angelsächsischem Vorbild. Die einzelnen Sehenswürdigkeiten darin und drumherum zu beschreiben, würde jeden Rahmen sprengen.

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 9 Vockerode noch ca. 9 km; unterwegs passiert man das Kraftwerk Vockerode, einen architektonisch spannenden Bau aus dem Jahr 1937 +++ Dauer des Abstechers: mind. 2 Std., besser mehrere Stunden oder gleich einen ganzen Tag (Unterkünfte vorhanden, auch ein Womo-Stellplatz) +++ Hundefreundlich +++ Lohnt es sich? Für Kulturinteressierte auf jeden Fall +++ Weitere Infos: gartenreich.de +++

 

#11 UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe

Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich, das wir Euch eben vorgestellt haben, ist Teil des riesigen UNESCO-Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe. Dieses erstreckt sich gleich über fünf Bundesländer: Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Einen Teil dieser wunderschönen Flusslandschaft überbrückt die A9 nahe dem Gartenreich. Haltet die Augen auf, beeindruckendere Szenerien tauchen bis Leipzig nämlich nicht mehr auf!

 

Frau radelt auf dem Elberadweg
Wunderschöne Flusslandschaft: Unterwegs an der Elbe

 

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 9 Vockerode bis ans Elbufer 2 km. Zweigt 100 m hinter der Kirche von Vockerode nach links auf die Elbstraße ab! +++ Dauer des Abstechers: Bis der Fisch anbeißt, können Stunden vergehen +++ Kinder- und Hundefreundlich +++ Lohnt es sich? Als Zwischenstopp weniger, für die Elbe sollte man sich Zeit nehmen, zum Beispiel bei einer Radtour +++ Weitere Infos: www.mittelelbe.com  +++

 

#12 UNESCO-Welterbe Bauhaus Dessau (Highlight!)

Braunes Schild Autobahn Bauhaus Dessau

 

Mit von der UNESCO als schützenswert eingestuften Orten will es in Sachsen-Anhalt gar nicht aufhören. Unsere Meinung zum UNESCO-Welterbe Bauhaus Dessau: Daumen hoch, aber sowas von! Das gilt jedoch nicht für Dessau als Stadt. Dessau wurde im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. Ein heute unansehnliches Etwas ist daraus geworden. Dessau wirkt zerrissen und besteht vielerorts aus Plattenbauten zwischen marode und gepflegt.

2019 wurde im Zentrum das neue Bauhaus Museum eingeweiht, ein spannender Glas-Beton-Riegel, für den sich addenda architects aus Barcelona auf die Schulter klopfen können. Drinnen gibt es auf einer Fläche von über 2000 Quadratmetern eine Ausstellung zu sehen, die Euch einen Überblick über die 1919 in Weimar gegründete und ab 1925 in Dessau residierende Kunstschule Bauhaus gibt.

 

Museumsbau aus Glas und Stahl
Bauhaus Museum Dessau

 

Danach solltet Ihr Euch die so genannten Meisterhäuser ansehen. Dabei handelt es sich um ein Ensemble funktionalistischer Wohnhäuser in einem Villenviertel. Zwei davon sind Nachbauten, ihre Vorgänger wurden im Krieg platt gemacht. Die einstigen Bewohner der puristischen Kuben sind jedem ein Begriff: die Bauhaus-Chefs Walter Gropius und Mies van der Rohe, der Fotograf László Moholy-Nagy, die Maler Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Paul Klee. Am spannendsten finden wir das Doppelhaus von Kandinsky und Klee, in dem – ganz untypisch für die Bauhaus-Ästhetik – mit Farben nicht gespart wurde.

 

Funktionalistische Villa Schild Bauhaus Dessau Meisterhäuser
Bei den Meisterhäusern

 

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 10 Dessau Ost noch ca. 5 km +++ Dauer des Abstechers: 3 bis 5 Std., je nachdem, wieviel Ihr euch anschauen wollt +++ Lohnt es sich? Dessau ist ein Muss für Architektur-Aficionados +++ Weitere Infos: bauhaus-dessau.de +++

 

#13 Ferropolis (Highlight!)

Ferropolis Stadt aus Eisen“, steht auf der braunen Tafel. Dahinter verbirgt sich ein riesiges Areal auf einer Halbinsel im Gremminer See. Ferropolis ist Freilichtmuseum, Industriedenkmal, Veranstaltungsort und manchmal sogar Campingspot. Ferropolis gehört auf jeden Fall zu den spektakulärsten Ausflugszielen Sachsen-Anhalts.

Wo sich heute die Besucher tummeln, erstreckte sich einst der Tagebau Golpa-Nord, einer von 20 Tagebauen eines riesigen Braunkohlereviers. Man kann hier riesige Bagger aus dem DDR-Industriezeitalter bestaunen, Murals bewundern, am Sandstrand liegen, baden oder auf Festivals feiern. Statt alte Spuren zu verwischen, wurde mit Ferropolis ein faszinierender Ort der Erinnerung geschaffen.

 

Bagger bei Nacht
Freilichtmuseum, Veranstaltungsort, Industriedenkmal: Ferropolis sollte man mal besuchen

 

Wir haben Ferropolis einen eigenen Beitrag gewidmet, in dem das Gelände en détail beschrieben ist: Ausgebaggert: Bei den Giganten aus Stahl in Ferropolis

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 10 Dessau Ost noch ca. 17 km +++ Dauer des Abstechers: mind. 2,5 Std. In festivalfreien Zeiten kann auch gecampt werden (ein Erlebnis, unbedingt reservieren!) +++ Familienfreundlich +++ Lohnt es sich? Unbedingt! +++ Weitere Infos: ferropolis.de +++

 

#14 Reppichau Kunstprojekt Sachsenspiegel

Reppichau braunes Schild an der Autobahn A9

 

Wir fragen uns, wen der Bürgermeister von Reppichau wohl bestochen hat, um eine braune Tafel an der A9 zu bekommen. Erstens ist das Dorf zwischen Dessau und Köthen verhältnismäßig weit weg von der Autobahn. Zweitens muss man schon ein verdammter Mittelalterfreak sein, um mit Reppichau etwas anzufangen. Eines aber muss man dem Bürgermeister lassen: Er hat es geschafft, in einer Gegend voller graubrauner Dörfer Farbe ins Dorf zu holen.

Um was geht es? Hinter dem Kunstprojekt Sachsenspiegel steckt folgende Geschichte: Ein Mann namens Eike von Repgow, der aus Reppichau stammen soll (das sagen zumindest die Reppichauer), verfasste im 13. Jahrhundert ein Rechtsbuch, das bis weit ins 19. Jahrhundert bei Prozessen konsultiert wurde: den Sachsenspiegel. Bekanntester Satz daraus: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“

 

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Das „Kunstprojekt“ macht Figuren und Texte aus dem Sachsenspiegel als Freilichtmuseum lebendig. So stehen um den Dorfteich bis zu fünf Meter hohe Metallfiguren, darunter Esel und freizügig gekleidete Burgfräuleins. Kuhskulpturen sind mit Zitaten verziert. Garagen aus der DDR-Zeit wurden in ein mittelalterliches Kastell umgepinselt. Und in der Gaststätte „Morgengabe“ gibt es Schnitzel mit Mischgemüse zu essen.

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 11 Dessau Süd noch ca. 19 km +++ Dauer des Abstechers mind. 1,5 Stunde +++ Familien- und hundefreundlich +++ Lohnt es sich? Kein Kommentar +++ Weitere Infos: reppichau.de +++

 

#15 Bachstadt Köthen

Köthen ist ein recht lebendiges und schmuckes Städtchen mit knapp 25.000 Einwohnern und einigen interessanten Bauwerken. Die größte Sehenswürdigkeit ist das hiesige Schloss, das mehrere Ausstellungen beherbergt. Eine widmet sich dem Wissenschaftler Johann Friedrich Naumann (1780–1857), dem ersten Kurator des Herzoglichen Vogelcabinets (!). Er baute eine mächtige Sammlung an gefiederten Präparaten auf, rund 1300 an der Zahl. Diese Kollektion ist noch heute vor Ort zu sehen.

Zudem ist das Schloss Heimat der Bach-Gedenkstätte. Zwischen 1717 und 1723 lebte Johann Sebastian Bach in Köthen. Dort war er als Hofkapellmeister unter Fürst Leopold tätig.

 

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Bei unserem Rundgang durch die hübschen Gassen in Ocker und Pastell entdeckten wir zudem zwei Kirchen, eine nüchterne gotische und eine klassizistische.

 

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Wunderschönes helles Kreuzrippengewölbe
Geht’s eleganter? Gewölbe der St.-Jakobs-Kirche

 

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 11b Tuhrland ca 20 km. Wer von Berlin gen Süden fährt, kann aber auch schon die Ausfahrt 10 Dessau Ost nehmen, wer von Leipzig gen Norden fährt, die Ausfahrt 12 Bitterfeld-Wolfen +++ Dauer des Abstechers: mind. 2 Std. +++ Lohnt es sich? Köthen kann man sich durchaus mal angucken +++ Weitere Infos: koethen-anhalt.de +++

 

#16 Landschaftspark Goitzsche

Ganz ehrlich: Nach dem Besuch des Landschaftsparks Goitzsche hatten wir große Lust, das braune Schild an der Autobahn eigenhändig abzuschrauben. Was vor 20 Jahren vermutlich ein spannendes Projekt war, entpuppt sich heute als ein verwahrloster und verwaister Landschaftspark. Schade drum.

Doch von vorne: Dort, wo sich heute der Große Goitzschesee erstreckt, befand sich bis 1991 der Tagebau Goitzsche (gesprochen übrigens „Gottsche“). Die Renaturierung samt Flutung des Tagesbaus war um das Jahr 2002 abgeschlossen. Heraus kam ein 13 Quadratkilometer großer See, in den sich eine 100 Hektar große Halbinsel schob. Internationale Künstler wurden eingeladen, um die Halbinsel namens Pouch in den „größten Landschaftspark der Welt“ zu verwandeln. War nicht billig das Ganze.

Vandalismus, Hochwasser, fehlende Pflege und Desinteresse haben aus dem Areal in den letzten 20 Jahren eine ziemlich traurige Angelegenheit werden lassen. Manche Kunstwerke sind ganz verschwunden. Auf der Agora, einem Amphitheater für 4000 Zuschauer, das angeblich der Form eines menschlichen Ohres nachempfunden wurde, wächst Gras.

 

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Das Beton-Labyrinth des polnischen Künstlers Zenon Polus ist von Graffiti-Schmierereien entstellt. Und die Sandhügel des französischen Künstler-Duos Marc Babarit und Gilles Bruni wirken wie bestellt und nicht abgeholt. Sie sollen an den Tagebau von einst erinnern.

Das Beste am Areal: Der Womo-Stellplatz am Eingang zur Halbinsel Pouch. Hier stehen autarke Camper mit Seeblick unter Bäumen.

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 12 Bitterfeld-Wolfen noch ca. 17 km +++ Dauer des Abstechers: Wer eine Runde über die Halbinsel drehen will, braucht ca. 2 bis 3 Std. +++ Hundefreundlich +++ Lohnt es sich? Nein +++

 

#17 Naturpark Dübener Heide

Das 77.000 Hektar große Gebiet erstreckt sich östlich von Bitterfeld-Wolfen bzw. grob zwischen Elbe und Mulde. In Werbetexten über die Dübener Heide liest man Dinge wie „größtes Mischwaldgebiet Mitteldeutschlands“, „beschauliche Ortschaften“, „malerische Waldseen“ und „500 Kilometer Rad- und Wanderwege“.

 

 

Das mag stimmen, in Teilen. Wir jedoch durchstreiften hier eine der langweiligsten Landschaften, die wir in Deutschland bis dato so kennen lernen durften. Flach wie eine Flunder, mit riesigen Äckern und erbspüreefarbenen Dörfern ohne Seele. Wir sahen Wälder und Teiche, aber weder Moore noch blühende Heide – und das zur Heideblüte… Dafür wanderten wir an ausgedehnten Heidelbeerplantagen vorbei. Nachts rief das Käuzchen – das größte Naturereignis während unseres Aufenthalts.

Praktische Infos: In den Naturpark gelangt man von Berlin kommend unter anderem von der Ausfahrt 10 Dessau Ost. Von Süden kommend kann man bereits die Ausfahrt 13 Halle nehmen. Egal von welcher Ausfahrt: Nach rund 20 km ist man im Naturpark. +++ Dauer des Abstechers: Hängt von persönlichen Interessen ab +++ Hundefreundlich +++ Lohnt es sich? Unseres Erachtens eher nicht +++ Weitere Infos: naturpark-duebener-heide.de +++

 

#18 Doppelkapelle Landsberg

Die romanische Doppelkapelle aus dem Ende des 12. Jahrhunderts ist das einzige Überbleibsel einer einstigen Markgrafenburg. Sie thront auf einem Felsen über dem stillen Dorf Landsberg, durch das man auf einem tausendfach geflickten Sträßlein holpert. Die letzten Meter muss man zu Fuß zurücklegen.

Die zwei Kapellen der Doppelkapelle liegen übereinander und sind durch einen Schacht akustisch miteinander verbunden. Ein Blick ins Innere ist interessant, aber gar nicht so leicht zu haben. Die Kapelle ist nämlich nur im Rahmen von Führungen zugänglich. Diese finden Mai bis Oktober samstags um 15 Uhr und sonntags um 11 und 15 Uhr statt. Da in der Kapelle aber auch geheiratet wird (Standesamt), können die Führungen auch einmal ausfallen. Erkundigt Euch auf jeden Fall vorab!

 

Romanische Kapelle
Doppelkapelle Landsberg

 

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 13 Halle ca. 5 km +++ Dauer des Abstechers ca. 30 Min. (nur mal von außen gucken), mit Führung ca. 1,5 Std. +++ Lohnt es sich? Für kunsthistorisch Interessierte auf jeden Fall +++ Weitere Infos: https://www.stadt-landsberg.de/de/doppelkapelle.html

 

#19 Barockschloss Delitzsch

Enge Gassen, backsteingotische Kirchen und Türme. Delitzsch hatte vermutlich mal ein ziemlich hübsches Altstädtchen, das im Lauf der Zeit aber nach und nach flöten ging. Heute wirkt die Kleinstadt überaltert und verhärmt. Auch der Barockgarten, der das Schloss am Altstadtrand umschließt, macht einen vernachlässigten Eindruck. Das Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert ging aus einer Wasserburg hervor.

 

Altstadt mit backsteingotischem Turm
Delitzsch: Altstadt und…

 

Das „schönste Damenschloss Sachsens“ war Sitz zweier Herzoginnen aus der Adelsfamilie Sachsen-Merseburg. Auch später wohnten hier fast ausschließlich Damen, allerdings nicht freiwillig: Zwischen 1860 und 1926 diente das Schloss als Frauengefängnis. Wer das Schlossmuseum besichtigt, sieht schön restaurierte Salons mit kunstvollen Parkettböden genauso wie Teile des ehemaligen Frauenknasts. Auch der Schlossturm kann bestiegen werden.

Praktische Infos: Ab Autobahnausfahrt 13 Halle ca. 13 km +++ Dauer des Abstechers: mind. 2 Std. (kleiner Spaziergang zum Schloss und durch den Ort), mit Schlossführung erheblich länger +++ Lohnt es sich? Schlösserfans können vorbeischauen +++ Weitere Infos: barockschloss-delitzsch.com

 

14 Kommentare

  1. Ja, der Osten hat noch einiges zu bieten. Von den bei Euch aufgeführten Orten kenne ich auch schon etliche. Ich finde diese Hinweisschilder an den Autobahnen stellen auch eine sehr gute Mischung dar: alte Stadtkerne, Museen, technische Denkmals, interessante Geopunkte, Naturregionen … Träumen pur 🙂 Das wäre doch ein schönes Thema für eine Blogparade?!

    • Hallo Torsten, die gute Mischung ist auf jeden Fall da, nur wären ein paar weniger Schilder evtl. hilfreicher, weil man sonst nicht mehr wirklich weiß, was sich eigentlich lohnt und was nicht. Und es gibt wirklich einige Orte, wo man sich schon fragt, warum die ein braunes Schild bekommen habe. Dankeschön fürs Feedback!

    • Danke dir, Sabine. Ja, von der App „Erlebnisguide“ haben wir im Zuge unserer eigenen Recherchen gelesen. Allerdings gibt es die bislang nur für NRW, Hessen und Baden-Württemberg, (zum Glück) noch nicht für unser Gebiet. Werden wir bei Gelegenheit mal ausprobieren, wenn wir in den jeweiligen Bundesländern unterwegs sind.

  2. Hallo ihr zwei!
    Was für eine tolle Idee, da einfach mal ´rauszufahren! Ich gehöre nicht zu dem Sechstel, die das machen 😀 Ich bin auf deutschen Autobahnen immer nur von A nach B unterwegs und habe mir noch nie die Zeit genommen, zwischendurch abzufahren. Wohl ein Fehler, wie ich jetzt weiß. Großartig!
    Liebe Grüße
    Julia

    • Liebe Julia, ja, das macht echt Spaß, aber man braucht halt auch ein wenig Zeit dafür. Liebe Grüße zurück!

  3. Hallo Ihr beiden,
    wirklich ein tolles Thema. Und witzigerweise war ich gerade letzte Woche in der Gegend und habe einige der Perlen in Sachsen-Anhalt erkundet: Bauhaus in Dessau, das Gartenreich, Ferropolis und Wittenberg. Genial. Warum war ich nicht längst schon mal in Sachsen-Anhalt! Wenn ich mal mit dem Auto nach Berlin fahren sollte, nehme ich mir euren Artikel bestimmt nochmal vor.
    Liebe Grüße
    Elke

    • Hallo Elke, oh, da hast du dir natürlich auch die Rosinen rausgepickt, das sind allesamt tolle Ziele. Neben diesen Highlights gibt es aber leider auch so einige „Downlights“:-) Liebe Grüße zurück!

  4. Haha! Das ist ja auch mal ne witzige Idee, aber so lernt man sein eigenes Land wohl am besten kennen, denn man landet in Ecken in die man sonst nie fahren würde. Ich kenne nichts bis auf die Beelitzer Heilstätten, aber die A9 liegt auch außerhalb meines Radius. Aber vielleicht sollte ich mal den braunen Schildern in NRW folgen. LG, Nadine

    • Ja, mach das mal, macht wirklich Spaß. Und wie wir Sabine schon geschrieben haben: Für NRW gibt es bereits die App „Erlebnisguide“, wo du dir die Orte hinter den braunen Schildern anhören kannst. Viel Spaß und viele Grüße!

  5. Hey ihr beiden – welch originelle Idee! Wenn ich das nächste Mal die Strecke fahre, halte ich auf jeden Fall bei einem eurer Highlights an :-). LG Julita

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