„It’s always sunny in the sunshine state. Except for at nights.“

Jarod Kintz

Ich muss mich zweifach entschuldigen. Zunächst bei meinen Schwiegereltern. Jedes Jahr im Frühwinter verbringen sie vier Wochen im Ferienresort Myrtle Beach in South Carolina an der US-amerikanischen Ostküste. Um Golf zu spielen, lange Strandspaziergänge zu unternehmen, Asthma zu lindern. Wie oft haben Sie uns nicht schon eingeladen? Immer wieder fielen mir fadenscheinige Ausreden ein: „Keine Zeit, zu viel Arbeit.“ „Ein wichtiger Geburtstag.“ Die Wahrheit hätte lauten müssen: „Kein Bock auf dieses Land.“

Und genau bei diesem Land muss ich mich ebenfalls entschuldigen. Meine einzige USA-Reise ist fast 30 Jahre her, es ging damals über Silvester nach New York. Danach verschwanden die Staaten von meinem Reiseschirm und tauchten nie mehr auf. Ein übler Matsch voller Klischees hatte sich im Lauf der Zeit in meinem Kopf festgekrallt: Turbokommerz, Wegwerfgesellschaft, Waffenwahn, Oberflächlichkeit, gesponnene Preise.

Irgendwann habe ich dann doch „Ja“ gesagt. Und es nicht bereut – auch wenn das eine oder andere Klischee sich auch bestätigt hat.

Ach ja: Wenn Ihr hier Infos zum Universal Orlando Resort, zu Sea oder Disney World oder zum Kennedy Space Center erwartet, dann könnt Ihr gleich weiterklicken. Viele Dinge, die zum guten Ton eines Roadtrips von South Carolina nach Florida gehören, konnten uns gepflegt den Buckel runterrutschen. Dafür war unser dreiwöchiger Roadtrip gefüllt mit vielen anderen Erlebnissen.

 

Us-amerikanischer Highway mit Schildern Myrtle Beach
Roadtrip USA: Von Myrtle Beach nach Key West

 

Roadtrip South Carolina – Florida: Unsere Route

 

Inhaltsverzeichnis

 

Myrtle Beach: Gänsebräter voller Austern

Airport Atlanta. Zwei Stunden Zeit bis zum Weiterflug nach Myrtle Beach und die erste Überraschung. Im Flughafenrestaurant gibt es nicht nur gutes Bier zu zivilen Preisen, sondern auch einen Raucherraum.

South Carolina und Georgia besichtigen wir im Schnelldurchlauf. Wir wohnen in Myrtle Beach in einem fünfzehnstöckigen Condominium-Komplex neben einem Wohnmobilpark und vielen anderen fünfzehnstöckigen Condominium-Komplexen. Kein Urlaub, wie wir ihn sonst machen.

 

 

Vom Balkon blicken wir auf einen schier unendlichen, hellgrauen Sandstrand, der jetzt Ende November fast jungfräulich daher kommt. Täglich drehen wir dort unsere langen Runden.

 

Strand von Myrtle Beach
Myrtle Beach: Blick vom Balkon

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Schwingen dazwischen zum ersten Mal in unserem Leben auf einem der über 100 Plätze rund um Myrtle Beach den Golfschläger.

 

Frau spielt Golf
Myrtle Beach: Auf dem Golfplatz

 

Sonst machen wir vor allem eins: essen! In Myrtle Beach hinterlassen wir gänsebrätergroße Emaillegefäße mit Muschel- und Austerschalen, Tische voller Garnelenpanzer und ausgelutschter Stone-Crab-Scheren. Und ich dachte, ich müsste mich allein von Burger und frittiertem Ekelfood ernähren!

Jeden Tag führen uns die Schwiegereltern in ein anderes ihrer Lieblingsrestaurants. Keine Restaurants mit gefalteten Servietten auf reinweißen Tischdecken, sondern einfache Kneipenrestaurants, wo an der Theke Bier getrunken und zum Essen die Zewa-Rolle auf den Tisch gestellt wird. Teuer ist es nicht, ganz billig aber auch nicht. Im Vergleich zu den vier Austerchen, die man in der Gourmetetage des KaDeWes serviert bekommt, aber doch fast geschenkt.

 

 

Charleston und Savannah: Schön, aber leblos

Nach ein paar Tagen mieten wir uns ein Auto, sagen den (Schwieger-)Eltern Ade und düsen gen Süden, in die vom Winde verwehte Welt. Erste Station: Charleston, eine elegante, koloniale Hafenstadt. Wir laufen umher in pastellfarbenen Vierteln wie für „Schöner wohnen“ inszeniert, vorbei an Erkerchen, Balkönchen, historischen Straßenlaternen, efeuüberrankten Hausfassaden, schmiedeeisernen Gattern.

Eine perfekte Stadtidylle. Nur einen Supermarkt oder einen kleinen Laden, wo wir eine Brause kaufen könnten, finden wir in den stillen Straßen nicht.

 

Straße im Zentrum von Charleston
Zentrum von Charleston

 

Ähnlich ergeht es uns einen Tag später in Savannah, der nächsten aufpolierten, manikürten Südstaatenperle. Wo sind die Menschen? Die Kinder? Die Hunde? Zu Fuß sind sie zumindest nicht unterwegs. Amerika lebt im Auto und in den Malls der Vorstädte. Die tretminenfreien Gehwege sind weitgehend leer. Selbst Touristen lassen sich lieber in Pferdedroschken umherkutschieren:

 

Kutsche im historischen Zentrum von Havannah
Mit der Kutsche durch Savannah

 

Cedar Key: Kühles Florida im Panhandle

Ankunft in Florida. Der Sunshine State macht seinem Namen an unseren ersten Tagen keine Ehre. Der graue Himmel hängt tief, der Wind weht uns Nieselregen ins Gesicht. Macht nichts. Hier im Panhandle („Pfannengriff“), wie der äußerste Nordwesten Floridas genannt wird, sieht es ohnehin nicht nach Florida aus. Zumindest nicht nach dem Florida, das ich mir in meinem Kopf so zusammengemalt habe.

Wir fahren über eine Brücke nach Cedar Key, einem wunderbar altmodischen 900-Einwohner-Fischerkaff. Den Namen erhielten Ort und Insel von den längst abgeholzten Zederbeständen, aus denen einst Faber-Castell seine Bleistifte herstellte. Cedar Key könnte Kulisse für jeden Südstaatenfilm sein: Holzhäuser in Sandbeige, Taubenblau oder Blassrosa, zusammen gezimmerte Pfahlbauten am Wasser, Krabbenboote, ein kleiner Strand.

 

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Auch die Umgebung kann sich sehen lassen. Das weite, flache Marschland ist durchzogen mit Wanderwegen und Holzstegen, die zu Vogelbeobachtungspunkten führen. Pelikane, Seeadler, Ibisse flattern umher:

 

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Crystal River und Sarasota: Bei den mopsigen Meerjungfrauen

Die nächsten beiden Tage stehen ganz im Zeichen der Manatis, jener biologisch korrekt „Rundschwanzseekühe“ genannten Tiere, die unter anderem vor der Golfküste Floridas und insbesondere nahe der Kleinstadt Crystal River beheimatet sind. Für die friedfertigen, mopsigen Säuger mit Meerjungfrauschwanz ist die Bucht mit über 22 Grad warmem Quellwasser in den Wintermonaten eine wohltemperierte Badewanne.

Bis zu 650 Tiere wurden hier schon gesichtet. Allerdings muss man, um den Tieren nahe zu kommen oder gar mit ihnen zu schwimmen, runter vom Steg und rauf aufs Boot bzw. rein ins Wasser. Und genau das ist gerade nicht möglich. Wir stehen im Schnürlregen und bibbern in unseren viel zu dünnen Sommeranoraks.

 

Frau sitzt in Strandstühlen am Meer
Florida geht auch in Kalt, wie dieses Foto zeigt

 

Schade! So entscheiden wir uns, den übergewichtigen Meerjungfrauen anderswo Hallo zu sagen. Wir fahren in den → Homosassa Springs Wildlife State Park weiter südlich, wo verletzte oder ausgesetzte Tiere wieder gesund gepflegt werden, darunter auch etliche Manatis. Vom Unterwasserobservatorium direkt bei den Quellen kann man sie in ihrer natürlichen Umgebung beobachten. Wir sind schockverliebt – was für ein Anblick! Ein bisschen Walross ohne Zähne, ein bisschen Faltenhund mit traurigen Augen:

 

Manatis in Sarasota

 

Am nächsten Tag – wunderschöne Strände und die über sechs Kilometer lange, die Tampa Bay überspannende Sunshine Skyway Bridge liegen hinter uns – treffen wir die Manatis nochmals. Im → Mote Marine Laboratory von Sarasota, wo vornehmlich Haie erforscht werden, kann man in einem separaten Gebäude auch Seekühe begucken. Friedlich schwimmen sie dort mit Delfinen und Meeresschildkröten in riesigen Becken umher, fast immer mit einem Salatblatt im Maul.

 

 

 Everglades: See you later, alligator!

Wir sehen sie lange bevor wir den Nationalpark überhaupt betreten. Faul liegen die schwarzen Alligatoren rechts und links der Straße an den Wasserläufen herum. Großmäuler mit fiesem Dauergrinsen.

6104 Quadratkilometer ist der → Everglades-Nationalpark groß, eine amphibische Landschaft mit unzähligen Wasserwegen, ganzjährig überflutetem Grasland und Savannen, flach wie ein Billardtisch. Grün und braun geben den Ton an. Und Azurblau – wir kommen den Tropen näher. Schwüle 25 Grad machen die Erkundung dieser beeindruckenden Marschlandschaft, die von den Ureinwohnern „Fluss aus Gras“ genannt wird, sogar schweißtreibend.

 

Alligatoren in den Everglades

 

Es gibt verschiedene Arten, die Everglades zu erkunden:

  • Man kann wandern,
  • sich mit einem Touristenbähnchen herumfahren lassen,
  • ein Kajak mieten
  • oder losradeln.
  • Überall werden zudem für rund 40 Dollar so genannte Airboat-Touren angeboten. Die Boote, die mit einem großen Propeller angetrieben werden, können auch über Gras fahren. Sie machen allerdings einen infernalischen Lärm – wie man dabei noch gemütlich Tiere sehen will, ist uns schleierhaft.

Wir entscheiden uns fürs Fahrrad. Räder können wir am Eingang zum Shark Valley, einem der drei Haupteingänge des Nationalparks etwa in der Mitte zwischen Golf- und Atlantikküste, leihen. Dort lösen wir auch unsere Eintrittstickets: 25 Dollar pro Auto, gültig für sieben aufeinanderfolgende Tage.

Ein 24 Kilometer langer Asphaltweg führt vorbei an Laubwald, Bächen und träge auf dem Weg herumlungernden Alligatoren – großartig! Von einem Beobachtungsturm kann man auf die weite Ebene blicken, in der sich auch rund 350 Vogelarten tummeln. Schlangen lassen das Gras rascheln. Die Alligatoren flößen uns jedoch den größten Respekt ein. Attacken auf Menschen sind in Florida zwar selten. Provozieren sollte man die Tiere dennoch nicht, vor allem nicht zur Paarungszeit im Frühling. Und wie meinte der Ranger? „Radelt nie zwischen einer Mutter und ihrem Jungtier hindurch!“ Außerdem gut zu wissen: Alligatoren können sich nicht rückwärts bewegen! Sich dafür aber blitzschnell drehen.

 

Frau radelt an einem Alligator vorbei
Everglades: Lebendige Alligatoren gibt’s entlang der Radwege, tote später auf dem Teller

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Miami Beach: Art déco und Glitzerwelt

Die 418.000-Einwohner-Stadt Miami bietet den Stoff für ein, zwei Urlaubswochen mit gut gefülltem Programm. Und gut gefülltem Geldbeutel! Wir aber haben nur drei Tage und brauchen viel Mut zur Lücke. Wir entscheiden uns (natürlich) für Miami Beach – nicht nur Beach übrigens, sondern gleichzeitig ein eigenständiger Ort.

Unsere Bleibe liegt in zweiter Reihe in South Beach, dem südlichen Bereich von Miami Beach. Stilnoten können wir nicht vergeben, immerhin mussten wir aber auch keine Bank überfallen, um in diesem superzentralen Hotel wohnen zu dürfen. Wir können es Euch leider nicht mehr empfehlen, weil seit der Generalsanierung auch die Preise kräftig angezogen haben.

Wo fangen wir an in Miami Beach? Am besten mit dem Beach. Pudrig, weiß, unendlich lang und mit knallbunten, hölzernen Bademeisterhäuschen bestückt – lachsfarben und türkis, pink und sonnengelb, weiß mit fröhlichen Blümchen. Nur weht ein frisches Lüftchen, braungebrannte Sixpacks oder edel verpackte Silikonbrüste sind deswegen rar. Mitten am Strand steht auch ein großes Zelt: Art Basel Miami Beach steht drauf. Die Kunstmesse, bei der Millionen verschoben werden, findet aber erst in ein paar Tagen statt.

 

Bademeisterhäuschen in South Beach/Miami Beach
Bademeisterhäuschen in South Beach

 

Hinter dem Strand die kühne Architektur der 1930er, die Miami Beach so berühmt gemacht hat. Im aus Europa übergeschwappten Art-déco-Fieber jener Zeit entstanden nicht nur Hotels, Restaurants und Wohnhäuser, sondern auch Kinos und Theater, selbst Parkhäuser, Klohäuschen und das Postamt. Sogar einen eigenen Namen erfand man für den auf Miami gemünzten Stil: „Tropical déco“. Rund 1000 Tropical-déco-Gebäude gibt es in der Stadt. Am besten schaut Ihr Euch an der Glamourmeile Ocean Drive um bzw. in den Straßen zwischen der 7th Street und 14th Street.

 

Art-déco-Kino in Miami Beach

 

 

Wer noch mehr Infos braucht, kann für 25 Dollar auch eine geführte Tour mit der → Miami Design Preservation League unternehmen. Foto-Akku und Handys sollten geladen sein, Ihr werdet Euch um den Verstand fotografieren. Was für ein Architekturkino in Pastell: schwungvolle Linien, gestufte Dächer, florale und maritime Elemente, Relieffassaden und am Abend kitschig-schöne Neonlichtillumination.

 

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Art-déco-Klohäuschen in Miami Beach

 

Miami Beach by night

Am Abend dreht der etwa zwei Kilometer lange Ocean Drive ohnehin so richtig auf. Blinke-Blinke! Dann trifft hier Fußvolk auf Luxusvolk, und die Opulenz wird übermüpfig und laut gefeiert. Stiernacken in rosa Anzügen fahren platinblonde Schmollmädchen in megalomanen Limousinen umher. Die LGBT-Szene zieht auf, während Touristen staunend 30-Dollar-Cocktails trinken – zur Happy Hour, versteht sich. Danach: Reggea, Merengue oder Salsa?

Wir entscheiden uns gegen den Ocean Drive und laufen landeinwärts. In eine Bar, die unser Reiseführer „durch und durch schäbig“ nennt. Das klingt interessant. Die → Mac’s Club Deuce genannte Musikkneipe existiert bereits seit 1926. Wir setzen uns an den langen Tresen, bestellen zwei Bier und rauchen eine (!). Keine Minute vergeht, da verwickelt uns die nette Barkeeperin schon in ein Gespräch. „Aus Berlin? How cool! Ich habe in den 90er Jahren mal eine ganze Weile an der Schönhauser Allee gewohnt.“ Die Welt ein Dorf, auch in Miami Beach.

 

Cadillac vor Hotel mit der Aufschrift Avalon
Blinke-Blinke am Ocean Drive…

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Lackstiefelchen in der Lincoln Road Mall

Am nächsten Tag lassen wir das Plastikfrühstück im Hotel ausfallen und brunchen im Puerto Sagua (700 Collins Avenue, Tel. +1305-673-1115), einer einfachen kubanischen Essoase in South Beach: Suppe aus schwarzen Bohnen, Shrimps-Omelette, Kochbananen-Chips.

Danach schwingen wir unsere Bohnen-Eier-Bäuche auf zwei Räder, die man an Leihstationen bekommt – dazu braucht man nur eine Kreditkarte. Wir drehen eine Runde durch den nördlichen Bereich von Miami Beach, wo es nicht mehr ganz so glamourös ist.

Zum Abschluss landen wir in der Lincoln Road Mall, einer Flaniermeile mit weiteren tollen Art-déco-Gebäuden und zig Kettenläden: Superdry, Urban Outfitters, Banana Republic, Havaianas. Es ist zufällig Black Friday. Die Massen sind im Kaufrausch. Doch beim Blick in die Schaufenster wird klar, dass 60 Prozent der Einwohner Miamis Latinos bzw. Latinas sind. Mit einem völlig anderen Modegeschmack: Paillettenkorsagen, Netzstrümpfe, Lackstiefelchen, lilafarbene Spargeltarzan-Anzüge, Skyscrapers in Pink und Türkis.

 

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Von Miami auf die Florida Keys: Überdosis Meer und Brücken

Die laute Welt von Miami Beach schwindet. Wir sind auf dem Weg zu den Florida Keys. Mehr Süden geht in den USA nicht. 42 Brücken verbinden die fast 300 Kilometer lange Kette aus rund 200 kleinen und großen, bewohnten und unbewohnten Koralleninseln.

Mit „Schlüsseln“ haben diese rein gar nichts zu tun – der Name „Key“ kommt von „Cay“ für „kleine, flache Insel“. Die rund vierstündige Fahrt bis Key West hat allerhöchsten Schauwert. Das Wetter wie bestellt, das Meer brilliert in Blau, immer wieder machen wir Stopps an Bilderbuchstränden.

Und dann die Brücken! Schlicht sensationell, allen voran die Seven Mile Bridge, auch wenn sie „nur“ 6,79 Meilen lang ist – aber das sind immerhin fast elf Kilometer.

 

Seven Mile Bridge Keys Florida
Seven Mile Bridge

 

Camping im Bahia Honda State Park

Ist Florida schon teuer, sind es die Keys erst recht. Ein kurzer Blick in die Hotelbuchungsseiten vor der Reise reichte, um ein Zelt einzupacken. Zum ersten Mal bauen wir es auf dem Campingplatz des Bahia Honda State Parks auf dem gleichnamigen Key kurz hinter der Seven Mile Bridge auf.

Am mit Seetang übersäten Sandspur Beach lässt es sich aushalten. Von hier hat man zudem einen perfekten Blick auf die Bahia Honda Rail Bridge. Die Eisenbahnstrecke zwischen Miami und Key West existierte nur 33 Jahre, zwischen 1912 und 1935. Ein Hurricane machte der Linie ein frühes Ende:

 

Bahia Honda Rail Bridge
Postkartenmotiv: Bahia Honda Rail Beach

 

„Be aware of racoons!“, rät uns die freundliche Rezeptionistin beim Einchecken. Verdammte Axt, was war nochmal ein Racoon? Unsere fragenden Gesichter bekommen ruckzuck eine Antwort: „Woschbehr.“ Wahrscheinlich kennt sie die Waschbär-Übersetzung in allen Touristensprachen Floridas.

Ein hilfreicher Hinweis. Am Abend wollen wir grillen. Die Kohlen beginnen zu glühen, Steaks und Fertigsalate liegen schon auf dem Tisch. Wir trinken Rotwein aus Plastikbechern. Michael geht auf die Toilette und nimmt unsere einzige Taschenlampe mit. Ich verharre im Dunklen neben den Mangrovensümpfen, in denen es raschelt und raunzt. Plötzlich habe ich das Gefühl, nicht mehr alleine auf der Picknickbank zu sitzen. Ich schlage kurz mit der flachen Hand auf den Tisch, und ein flauschiges Etwas verzieht sich.

Noch einige Male mehr lassen wir die Hand auf den Tisch klatschen. Und als wir in der Nacht im Zelt liegen und nicht mehr auf den Tisch klatschen können, fragen wir uns, was da um unser Zelt so alles tapst, flattert und kriecht…

 

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Spaßkultur in Key West

So ähnlich geht es in Key West weiter. Wir stellen unser Zelt auf → Leo’s Campground auf dem Katzenplätzchen neben einem mehrzimmrigen Wohnmobil auf. Auf der anderen Seite fließt ein Creek, wie die bachartigen Meeresarme in Florida genannt werden.

„How about animals?“, fragen wir beim Check-in. „No problem“, so die Antwort. „The snakes are harmless and the iguanas are anywhere anyway.“ Die grün-grauen Iguanas (Leguane), dicke, etwa einen halben Meter lange Möchtegern-Dinosaurier, hatten wir schon rechts und links der Einfallstraße nach Key West bemerkt. Was für Oschis! Wenn die schwimmen gehen, macht es ganz laut „Plumps“. Das Geräusch sollte zu unserem Lullaby werden.

Die rund vier Kilometer bis nach Downtown Key West legen wir mit dem Leihrad zurück. Auf dem Weg ins Zentrum halten wir an dem einen oder anderen Bilderbuchstrand mit watteweichem Sand. Machen Siesta unter Palmen oder räkeln uns im knietiefen Wasser. Wir sind auf einer Postkarte gelandet.

 

Strand Key West Michael Bussmann

 

Danach passieren wir den Southernmost Point, stellen unsere Räder ab und spazieren durchs karibikbunte Zentrum mit seinen hübschen Holzhäuschen, seinen Graffiti, seinen umherlaufenden Hühnern und noch deutlich schrägeren Vögeln. Key West gilt als Tummelplatz der Exzentriker und verschrobenen Naturen. Die haben wir in Kreuzberg auch. Nur gibt es dort bislang noch keine Dachterrassenbar ausschließlich für Nackte!

Ein etwas schräger Kosmos ist auch die Duval Street, die wahrlich heitere Hauptstraße von Key West. Nicht wenige Touristengrüppchen torkeln hier schon in den Nachmittagsstunden umher, sie tragen T-Shirts mit Aufdrucken wie „Bar Hopping Key West“ oder „If you think I’m a bitch you should meet my mom“.

Wir selbst sind auf der Jagd nach den kulinarischen Verheißungen Key Wests. Zunächst gibt es Conch Fritters mit Limettendip – unglaublich leckere, frittierte Bällchen aus dem saftigen Fleisch der so genannten Großen Fechterschnecke. Und danach Key Lime Pie, ein Limettenkuchen zum Niederknien.

 

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Der Tag knipst langsam sein Licht aus. Zeit für den Mallory Square ganz im Westen des Städtchens, wo sich allabendlich Hinz und Kunz zur großen Sonnenuntergangssause treffen. Stände verkaufen Bier und Mojitos, Gaukler fahren Einrad, spucken Feuer, sagen die Zukunft voraus.

Ein Kreuzfahrtschiff liegt vor Anker. Segelyachten tänzeln draußen auf dem Meer, während die Federwolken hinten am Horizont erst zartrosa und dann blutrot werden. Eine neue crazy Nacht in Key West kann beginnen. In der die einen nackt auf der Terrasse tanzen. Und die anderen Leguane ins Wasser plumpsen hören.

 

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PRAKTISCHE INFOS

Planung

ESTA-Formular nicht vergessen! Ohne Vermittlergebühren könnt Ihr den Antrag auf https://esta.cbp.dhs.gov/ stellen.

Reiseliteratur

Wir waren mit dem → Reisehandbuch „Florida“ aus dem Lonely Planet Verlag unterwegs (deutsche Ausgabe). Solide recherchiert.

 

SOUTH CAROLINA, GEORGIA, FLORIDA – PLUS UND MINUS

PLUS

  • Das Essen! Wer auf Meeresfrüchte steht, wird hier definitiv glücklich. Wir wurden sehr positiv überrascht.
  • Die Vielfalt! Natur, Action, Städte, Strände, Architektur, Tiere. Hier wird es keinem langweilig, vor allem Florida bietet wohl für jeden Typ Reisenden etwas.

MINUS

  • Plastik bis zum Abwinken: Die Frühstückscornflakes löffelten wir mit einzeln verpackten Plastiklöffeln aus Plastikschalen von Plastiktabletts. Dazu tranken wir Kaffee aus Plastikbechern. Jedes Frühstück hinterließ einen etwa 15 Zentimeter hohen Plastikberg, den wir wie bei Burger King in Müllklappen versenken mussten.
  • Die vielen Verbote und Gebote. Ein Blick auf diesen Eingang eines Clubs in Gainsville/Florida dürfte genügen. Gainsville ist bekannt für seine Indie-Musik-Szene. Um aber in einen Club zu kommen, darf man keinen Schlafanzug tragen. Verkehrte Welt: Um hingegen ins Berghain zu kommen, sollte man besser einen tragen…

 

Verbote und Gebote in Amerika

 

  • Die Preise: Wundert Euch nicht, wenn Euer Reisegeld schon in der Hälfte der Zeit ausgegeben ist! Die USA sind teuer, da beißt die Maus keinen Faden ab. Rechnet für ein einfaches Essen plus Bier und Trinkgeld (20 Prozent!) mit mindestens 35 US$ pro Person, in besseren Restaurants mit Wein und Vorspeisen mit mindestens 60 US$ pro Person. Nach oben sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Übernachtet haben wir meist in simplen Motels an den Ausfallstraßen, für die man 60 bis 100 Dollar pro Zimmer einkalkulieren sollte. Ausnahmen: Miami und die Keys. Für Miami sollte man für ein halbwegs ordentliches Doppelzimmer mindestens 150 Euro veranschlagen, die Keys sind nochmals teurer – selbst ein popeliger Zeltplatz kostet dort rund 70 Dollar. Günstig ist nur der Mietwagen. Allerdings kam bei uns ein Einwegmiete-Aufschlag von 300 Dollar hinzu.
  • Die mangelnde Restaurantkultur. Bier aus Plastikbechern. Und wenn der Plastikbecher leer getrunken ist, kommt sofort die Rechnung.

 

 

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