Vogel sollte man sein. Diese Landschaft muss aus der Luft ein besonders spektakuläres Bild abgeben. Das Ionische Meer wird durchzogen von Dämmen, Sandbänken und Stegen. Rosa Flamingos stelzen durchs Flachwasser, vorbei an violetten Heidematten. Und ein petrolfarbener Fluss mäandert in seinem selbst geschaffenen Delta dem Golf von Patras entgegen. Sein Name ist Acheloos.

Wo der Acheloos im Meer verschwindet, gibt es eine Fischfarm mit angeschlossener Segler-Taverne: Porto Skrofa. Davor ein Sandstrand, daneben Campingmöglichkeiten unter jungen Pinien. Sonst nichts außer Einsamkeit. Ohne die Park4Night-App wäre uns dieser isolierte Ort im äußersten Westen der Lagunenlandschaft von Mesolongi-Etoliko (auch: Messolonghi-Aitoliko) entgangen. Wir kamen von Lefkáda, wollten gen Süden und suchten einen Platz für eine Zwischenübernachtung.

Aus der einen geplanten Übernachtung wurden vier, aus dem Zwischenstopp ein Seelenort, den wir mit Wehmut verließen. Porto Skrofa ist ein Paradies für Stillesucher, ein Ort zum Entschleunigen. Hier macht man Urlaub von der Menschheit.

 

Felsinsel im Meer, davor Strand
Paradies für Stillesucher: Am Strand von Porto Skrofa ganz im Westen der Lagunenlandschaft von Mesolongi-Etoliko

 

 

 

Kurzinfos Porto Skrofa

  • Wo? Porto Skrofa liegt ganz im Nordwesten des Golfs von Patras und ist Teil der Lagunenlandschaft Mesolongi-Etoliko. Die beiden namengebenden Städte liegen jedoch ein ganzes Stück von der Mündung des Acheloos entfernt: Etoliko Luftlinie 22 km, Mesolongi 25 km.
  • Anfahrt: Porto Skrofa erreicht man über die Kleinstadt Katochi. Von Katochi geht es zunächst entlang dem Acheloos gen Südwesten, später auf einer gut befahrbaren Schotterstraße bis nach Porto Skrofa. Distanz zwischen beiden Orten: 22 Straßenkilometer.
  • Campen: Man steht hinter dem Strand bzw. neben der Taverne. Es gibt zwei Klos und zwei Kaltwasserduschen, Strom liefert der Generator (der einzige Stillezerstörer). Wir zahlten 10 € pro Nacht (Stand: Oktober 2023). Mehr Infos hier.

 

Van steht allein auf einem Campingplatz unter Pinien hinter dem Meer
Einfach, aber unfassbar idyllisch: Camping Porto Skrofa

 

Die Lagunen und ihre Bewohner

Die 150 Quadratkilometer umfassende Lagunenlandschaft ist eine der größten im Mittelmeerraum und darf sich seit 2006 Nationalpark nennen. Der hier ins Meer mündende Acheloos ist – nächster Superlativ – der längste und wasserreichste Fluss Griechenlands.

 

Petrolfarbener Fluss
Dürfen wir vorstellen: Acheloos, der längste Fluss Griechenlands

 

In der antiken Mythologie wurde der Strom durch den Flussgott Acheloos personifiziert. Acheloos war bekannt dafür, seine Gestalt verändern zu können, so wie der Fluss, der immer wieder anders daherkommt. Acheloos war der Vater der Sirenen. Schade, dass wir die betörenden Fabelwesen in Porto Skrofa nicht singen hören. Aber vielleicht sind sie ja gerade auf Mädelstrip unterwegs mit den Nymphen und Undinen der Gegend…

Das Flussdelta besteht aus Wasserarmen in den verschiedensten Größen, aus Feuchtgebieten mit Auwald, teichähnlichen Becken und Salzwasserseen. Die Landschaft scheint sich nicht entschließen zu können: Will sie See, Meer oder Land sein? Alles geht im wahrsten Sinne des Wortes fließend ineinander über, auch Salz- und Süßwasser vermischen sich manchmal.

 

Heide in einer Wasserlandschaft
Wasser, Land, alles verschmilzt

 

Die Lagunen von Mesolongi-Etoliko zählen zu den fischreichsten Gewässern Griechenlands. Die Fischfarmen geben über 150 Familien Arbeit und Brot. Unterwegs sind die Fischer mit kleinen hölzernen Booten, die mangels Tiefgang etwas wackelig sind, dafür aber auch durchs Flachwasser fahren können. Das traditionelle Fischen mit dem so genannten Stafnokari gehört seit 2020 sogar zum immateriellen Kulturerbe des Landes. Bei dieser Fangmethode haben die Boote eine Konstruktion am Bug, die wie der Arm eines Hebekrans funktioniert. Über diesen Arm wird ein quadratisches gespanntes Netz in Wasser gelassen und wieder herausgezogen – als schöpfe man die Fische ab.

Gefangen werden unter anderem Flunder, Brassen, Äschen, Sprotten und Aale. Heute aber weniger mit traditionellen Fangmethoden. Den großen Fang zieht man in Fischfarmen an Land. Dort arbeitet man mit Reusen und Barrieren.

 

Fanganlage einer Fischfarm im Abendlicht
Fischfarm von Porto Skrofa

 

Nicht nur im Wasser ist hier ordentlich was los, sondern auch am Himmel. Um die 200 Vogelarten tummeln sich über dem Delta. Neben Flamingos fühlen sich auch Pelikane, Seeadler und Turmfalken in der Lagunenlandschaft von Mesolongi-Etoliko wohl.

 

Flamingos im flachen Wasser
Auch Flamingos fühlen sich in der Lagunenlandschaft wohl

 

Achtung Mücken!

Dass so eine nasse Landschaft Mücken brüten lässt auf Teufel komm raus, könnt Ihr Euch denken. Am besten rückt Ihr gleich mit dem Tropenspray an! Lord Byron, der am griechischen Freiheitskampf teilgenommen hatte, soll sich im ungesunden Klima der Lagunen Malaria geholt haben. 1824 starb er in Mesolongi an Fieber.

Malariamücken hat es im Delta heute keine mehr. Zum Glück! Nervig sind die Biester aber weiterhin, auch wenn sie keine fiesen Erreger mehr übertragen. So richtig drehen die Mücken zum Sonnenuntergang auf, das ist ihre Zeit, die Stunden davor und danach sind harmlos! Und jetzt Schluss mit den Downsides dieses schönen Fleckchens Erde.

 

Wäsche auf der Leine an einem Campingplatz am Meer
Waschtag

 

Bei Olga und Kostas

Die Idylle um uns herum verzaubert. Jetzt im Oktober zieht es nur wenige Camper in diese weltferne Gegend. An einem Abend stehen noch drei weitere Wohnmobile entfernt unter den Pinien. In zwei Nächten sind wir ganz alleine, nicht mal das Betreiberpaar ist dann noch da. Nach Restaurantschluss nämlich sperren Olga und Kostas die Anlage ab und fahren in ihr Dorf. Zurück lassen sie ihre beiden lieben Hunde. Tagsüber sieht man sie kaum. Da schlafen sie. Nachts aber geben sie die beste Security ab, die so ein abgelegener Platz braucht. Das wird uns klar, als ein Rudel wilder Köter einfällt…

 

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Die Taverne von Olga und Kostas liefert alles, was uns glücklich macht: eine herrliche Terrasse, zwei gemütliche Liegestuhlreihen mit Blick auf ein vorgelagertes unbewohntes Inselchen und hervorragendes Essen samt frischem Fisch aus der hauseigenen Farm. Auch der Meeräscherogen Avgotaraho ist zu bekommen. Der griechische Bottarga ist die Spezialität der Lagune.

 

Gegrillte Dorade mit Zitrone auf einem Teller
In der Taverne von Porto Skrofa: Kann ein Abendessen schöner aussehen?

 

Mit Kajak und Rad durch die Einsamkeit

Einmal leihen wir uns für ein paar Stunden ein Kajak und erkunden die Gegend auf dem Wasser. Eine schöne Aktivität, aber ein bisschen Kondition und Paddelerfahrung sollte man mitbringen, vor allem dann, wenn man es mit dem Acheloos und dessen Strömung aufnimmt! Auch die hiesigen Winde sind nicht zu unterschätzen.

 

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Ein andermal unternehmen wir einen Ausflug mit unseren Rädern. Die pizzaflache Gegend ist wie geschaffen für unsere alten Berliner Stadträder. Wir konsultieren Google Maps und entscheiden uns für eine kleine Tour zum rauen Strand von Kounelospito. Auf unserer Karte könnt Ihr die Route nachvollziehen.

 

Frau radelt auf Schotterweg, rechts und links Wasser
Ein Muss: Mit dem Rad die Gegend erkunden

 

Die Tour macht Spaß. Die Gegend ist alles, nur nicht monoton. Karstige Küstenberge wachsen aus der Ebene heraus und bilden gefällige Kontraste. Hie und da kauert ein Häuschen. Wir radeln auf Schotterwegen durch Olivenhaine und Zitrusplantagen, vorbei an Baumwollfeldern und im Wasser stehender Heide. Die Schwemmlandebene des Acheloos ist äußerst fruchtbar.

 

Frau radelt auf Schotterweg vorbei an hohen Farnen
Felder, Heide, Baumwolle und viel Einsamkeit: Mit dem Rad durch die Schwemmlandebene des Acheloos

 

Am Flussufer kühlen Kühe ihre Hufe im Wasser. Aus Herbstregenpfützen springen Armadas von Fröschen.

 

Kühe stehen in einem Fluss

 

Weiter südlich wird die Landschaft deutlich trockener, erinnert uns an die dürren Gegenden des Alentejo in Portugal. Eine Schildkröte krötelt uns entgegen. Dann schrecken wir eine Herde Ferkel auf.

Schließlich wird die Szenerie richtig bizarr. Die Felder enden. Nur noch schmale Fahrdämme führen durchs Wasser. Rechts und links von uns ist alles blau, voraus auch. Dann landen wir an einer Fischfarm. Ein Mann beruhigt seinen Schäferhund, der sich gar nicht mehr einkriegt, mal wieder andere Menschen zu sehen. Sein Herrchen ist einer von zwei Personen, denen wir an diesem Tag begegnen. Die andere Person ist ein Kuhhirt, der sich mit ätzenden Hunden umgibt.

 

Frau radelt auf einem Damm zwischen Wasser auf Berge zu

Frau radelt auf Schotterweg am Meer und spiegelt sich im Wasser

 

Beach-Tipp: Der von Buhnen durchsetzte Kounelospito Beach bei besagter Fischfarm ist ein alles andere als kuscheliger Strand. Nach rechts aber (also gen Westen) kann man zum Strand von Palipotamos radeln (und zu Fuß über einen Hügel weiter zu unberührten Buchten wandern). Folgt man dem Sträßchen entlang der Küste nach links, gelangt man hingegen zum Louros Beach mit ein paar Beach Bars.

Wir radeln auf Schottersträßchen durch die gottverlassene Gegend zurück. Ein kaltes Getränk wäre nicht schlecht, ein Klo auch. Von beiden keine Spur. Weit und breit.

 

Radfahrer auf breitem Schotterweg im Mittelmeerraum
Auf dem Rückweg durch die gottverlassene Gegend

 

Abschied von Porto Skrofa: Über Katochi und Etoliko weiter Richtung Mesolongi

Die Herzen wollen bleiben, die Neugierde treibt uns weiter. Wir verlassen Porto Skrofa und schauen uns noch kurz in Katochi um, einem verstaubten Bauernstädtchen mit Kirche, Burgruine und den Relikten eines antiken Theaters. Baumwolle fliegt durch die Luft, als würde Frau Holle ihre Kissen ausschütteln. Pick-ups fahren durch die Straßen.

Das Mittagessen nehmen wir in Etoliko ein, einem Städtchen auf einer Insel mitten in der Lagune. Durch zwei Brücken ist es mit dem Festland verbunden. Drohnenfotos zeigen es zuweilen in einem spektakulären Licht. Spaziert man aber durch die Straßen, gibt Aitoliko ein eher mäßig pittoreskes, ärmliches Bild ab.

Auf dem weiteren Weg nach Mesolongi sehen wir noch einmal Flamingos im Wasser staksen. Dann tauchen riesige Salzberge auf. 80 Prozent des griechischen Meersalzes stammen aus den hiesigen Salzwiesen. „Mesolongi“ bedeutet „mitten in der Lagune“. Und wie in Etoliko kann man auch in Mesolongi noch Pfahlbauten im Wasser sehen, wie sie einst typisch für die Region waren.

 

Salzberg
Salzberg bei Mesolongi

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