Es wird 19 Uhr. Bald ist Melkzeit auf der Alpe Oberpartnom im Großen Walsertal. Im braven Kopf-an-Schwanz-Marsch kehren die Kühe bimmelnd und nickend in ihre Ställe zurück. Die Tageswanderer sind bereits Richtung Tal verschwunden. Nur noch Übernachtungsgäste sitzen auf der Terrasse der Breithornhütte und blicken selig auf die Berge, die im goldenen Alpenabendlicht strahlen. Zu diesen Glücklichen gehören auch wir. Wir machen Hüttenurlaub bzw. Hüttenkurzurlaub auf der Alpe Oberpartnom. Die Familie, deren Mitglieder in alle Himmelsrichtungen verstreut sind, findet hier einmal wieder zusammen.
Kaiserwetter war angesagt, Tropenwetter wurde daraus. Immer noch reichen T-Shirts, trotz fortgeschrittener Stunde an diesem Freitag in der zweiten Augusthälfte. Tagsüber klettert das Thermometer auf über 25 Grad, und das auf einer Höhe von fast 1700 Metern. Was dem Tourist in uns gefällt, ist gleichzeitig beängstigend.
Inhaltsverzeichnis
Kurzüberblick Breithornhütte und Alpe Oberpartnom
- Wo? Die Breithornhütte liegt Luftlinie etwa 35 km südöstlich von Bregenz auf exakt 1679 m über dem Meer. Die Breithornhütte gehört zur Alpe Oberpartnom im Biosphärenpark Großes Walsertal. Die Alpe Oberpartnom wiederum ist eine von 47 Alpen im Großen Walsertal. Neben der eigentlichen Breithornhütte samt Wirtschaft stehen auf der Oberpartnomalpe noch fünf weitere alpenländische Bauten.
- Öffnungszeiten: Die Breithornhütte wird von Mitte Mai bis Ende Oktober zu den Betriebszeiten der → Seilbahn Sonntag-Stein bewirtschaftet. Im Winter nur auf Anfrage.
- Übernachten auf der Breithornhütte: Platz hat es für 20 Übernachtungsgäste in hüttentypisch einfach-gemütlichen Mehrbettzimmern mit gemeinschaftlichen Sanitäranlagen. Dazu gibt es noch eine Wohnung neben dem Kuhstall, in der wir übernachteten. Der Übernachtungspreis pro Person mit HP beträgt 80 Euro/Tag zzgl. 2,60 Euro Ortstaxe.
- Hinkommen: Von der Bergstation Sonntag-Stein führt ein Wanderweg über Unterpartnom nach Oberpartnom (5,8 km). Oder man fährt mit dem Wanderbus von Marul zur Alpe Laguz und wandert von dort zur Hütte (3,9 km). Übernachtungsgäste können auch mit dem Auto anreisen, bekommen dann einen Berechtigungsschein.
- Weitere Infos: familiebickel.at
Einquartiert im Bergidyll
Schon bei der Anfahrt zur Breithornhütte fühlt man, wie Glückshormone den Körper durchströmen. Diese Landschaft schenkt uns Alpenklischees, wie man sie sich wünscht. Jede Kurve hat neue Panoramen auf Lager.
Angekommen. Wir lernen Martha Bickel kennen, die Hüttenwirtin, eine elegante Frau mit Designerholzbrille. Sie ist die perfekte Gastgeberin, wie wir schnell merken. Gerne setzt sie sich auf einen Schwatz zu ihren Gästen. Auch in Stoßzeiten bewahrt sie Ruhe, ist immer entspannt. Martha ist das warme Herz der Hütte.
Martha quartiert uns – wir sind immerhin acht Leute und zwei Hunde – unterhalb der Breithornhütte in einer Wohnung neben dem Kuhstall ein. Die Kühe sind nicht die einzigen tierischen Nachbarn, wie wir bald feststellen. Neben uns muht es, unter unserer Terrasse grunzt es. Die Bergluft hat entsprechend Würze.
In der holzvertäfelten Wohnung gibt es drei Mehrbettzimmer, eine Küche und ein kleines Bad. Auf den Gardinen tanzen Hirsche, das Bettzeug ist rot-weiß kariert. In der Ecke steht ein Bollerofen.
Drehort Alpe Oberpartnom
Wir fühlen uns wie in einen Heimatfilm gebeamt. Die Szenerie um uns herum ist filmkulissenreif. Und in der Tat diente die beschauliche Alpe schon als Drehort. Mehr noch: Sie war Hauptschauplatz des Films „Der Atem des Himmels“, der hier 2010 gedreht wurde. „Bei laufendem Betrieb“, erzählt Hüttenwirtin Martha. „Das war spannend.“
Im Film wird die Lawinenkatastrophe nacherzählt, die sich Anfang 1954 im nahen Dorf Blons zutrug. Zwei Lawinen zerstörten dort ein Drittel der Häuser, 57 Menschen starben. Blons wurde für den Film auf der Alpe Oberpartnom nachgebaut, inklusive Gemeindeamt, Gasthaus Adler, Schule und Kirche – eine Meisterleistung von Kulissenbauern und heimischen Handwerksbetrieben.
Im Feuilleton kam der Film des österreichischen Schriftstellers Reinhold Bilgeri leider nicht sonderlich gut weg. Als „glattes Mainstream-Produkt“ bezeichnete ihn Die Presse, als „süßliches Bergdrama“ die FAZ.
Der nepalesische Koch und die Küche
In der Bedienstetenwohnung über unserer Ferienwohnung wohnen Mia, eine Studentin aus München, außerdem eine Saisonarbeiterin aus Schwaben und der nepalesische Koch.
Nepalesischer Koch? Ihr habt richtig gehört. Von Juni bis September, also während der Wander-Hochsaison in den österreichischen Bergen, herrscht absolute Nebensaison in Nepal. Dann heuern so manche Nepalesen, die in den Trekking-Lodges des Himalayas arbeiten, in den Alpen an. „Unser Koch“ findet das Große Walsertal aber anders als wir eher semi-spannend. „Kein Vergleich zu meiner Heimat“, sagt er. Schließlich liege seine Hütte in Nepal auf 4800 Höhenmetern, und die Berge drum herum hätten noch ein paar Tausender mehr auf dem Buckel.
Den Nepalesen in den Hüttenküchen ist es zu verdanken, dass neben klassischen Vorarlberger Gerichten oft auch Momos, die nepalesischen Teigtaschen, oder Linsencurrys angeboten werden. Nicht so allerdings während unserer Tage auf der Breithornhütte. Wir essen zünftig.
Souvenirtipp: Käse mitnehmen, und zwar nicht zu knapp!
Zum Frühstück stehen Käse und Butter aus der eigenen Sennerei bereit. Am Nachmittag serviert man Kuchen und Strudel, alles selbstgebacken. Und das Abendessen kommt in üppigen Bergwandererportionen daher: Kürbissuppe, Hackbraten mit Blaukraut und Walser Käsknöpfle, die als Topf für alle auf den Tisch gestellt werden, ganz wie daheim. Hinterher gibt’s Zirbenschnaps.
Die Oberpartnom-Kühe
Der Soundtrack unseres Wochenendes auf der Alpe Oberpartnom: das Läuten der Kuhglocken. Tagsüber grasen die Kühe auf den Weiden der Umgebung, zart bimmelt es zu uns herüber. Am Abend kündigt das immer kräftiger werdende Geläut ihre Rückkehr an. Dann suchen die Tiere mit ihren schweren Eutern die Ställe auf, um dort an die Melkmaschine angeschlossen zu werden. Junge Burschen erledigen diese Arbeit.
„Eine Kuh gibt am Tag zwischen 17 und 40 Liter Milch“, erzählt uns einer der Buben, „am meisten, wenn sie gerade gekalbt hat.“ Insgesamt leben 64 Kühe während der Saison von Mitte Juni bis Mitte September auf der Alpe.
Kuhfladen hier, Kuhfladen da. Der Misthaufen neben dem Kuhstall ist das ideale Scheiße-Spa für Labradorhündin Mira. Wir vermuten, dass sie das Wochenende unter „Traumurlaub“ abspeichert. Fröhlich schnuppert sie all den leckeren Gerüchen hinterher, winselt Kühe an, jagt Hühner in die Flucht oder badet genussvoll im Bergsee über der Hütte.
Den See erreicht man von der Breithornhütte in wenigen Minuten. Am Ufer des wie ein grünblauer Edelstein schimmernden Gewässers steht ein Picknicktisch. Unser Picknick fällt angesichts der üppigen Hüttenkost allerdings bescheiden aus.
Wanderung zur Alpe Steris
Von der Breithornhütte kann man in ca. 1,5 Stunden das darüber liegende, namengebende Breithorn (2081 m) besteigen. Die Wanderung ist, so Hüttenwirtin Martha, nur etwas für Geübte. Der Weg ist teils unmarkiert und führt über Geröll.
Nichts für uns. Wir sind eine Drei-Generationen-Truppe. Und einer der Hunde leidet an Arthritis. Deswegen entscheiden wir uns für eine gemütliche Wanderung (einfache Strecke ebenfalls ca. 1,5 Stunden) zur Alpe Steris. Der Pfad dahin führt leicht bergab durch herrliche Bergwelt – die Natur ist schon ein genialer Designer. Auf sattgrünen Wiesen chillen Kühe.
Auch die Steris-Alpe ist ein Idyll. Rund ein Dutzend Alphütten inklusive Sennerei, dazu ein Kapellchen, liegen wie auf einem Aussichtsbalkon über der Berglandschaft. Bunte Petunien und Geranien schmücken die Fenster, die in diesen Lagen bestens gedeihen.
Wir kehren ein im Garten des Steris-Stüble. Was für ein schöner Ort für eine Pause! Alles ist hübsch und freundlich, von den Blümchen auf den Tischen bis zum Lächeln in den Gesichtern der Bedienungen.
Wir bestellen Holunderschorle, selbstgemachten Joghurt mit Beerenmus und Wurst. Dann rüsten wir uns für den Rückweg. Bis zur Melkzeit wollen wir auf der Breithornhütte zurück sein, um den bimmelnden Zug der dickeutrigen Kühe nicht zu verpassen.
Mehr schöne Hütten in Österreich…
stellt Janine vom Blog Gepackt & Los! vor: Die schönsten Hütten in den Alpen – meine 9 Favoriten
I liebs! Was für ein schöner Artikel. Da wird meine Vorfreude auf den Bergsommer noch größer!
Liebe Karin, wir haben die Tage dort genossen, ist wirklich etwas Besonderes, wenn man so wenig in den Bergen ist wie wir. Glauben wir, dass du es kaum erwarten kannst, bist du wieder richtig durchstarten kannst. Wünschen dir eine gute Bergsaison mit vielen neuen Eindrücken, liebe Grüße von Gabi und Michael