„Ich hab’ schon eine schöne Heimat“,

sagt der Busfahrer, während er mühelos die nächste Serpentine meistert. Wir stehen neben ihm und können nur zustimmen. Der Wanderbus von Marul hoch zur Alpe Laguz ist brechend voll. Wir haben es nicht gerade bequem, dafür aber freie Sicht auf das zauberhafte Marultal vor uns. Eine Kurve folgt auf die nächste. Und bei jeder Kurve klopft uns die Heimat des Busfahrers auf die Schulter und sagt:

„Wartet ab, es wird noch schöner!“

 

Mit Holzschindeln gedecktes Haus in den Bergen
Bergzauber pur: Marul und das Marultal

 

Die tannengrünen Hänge lächeln so freundlich wie der junge Mann am Steuer. Die satten Wiesen sind gesprenkelt mit verstreut liegenden Hütten und Ställen. „Maisäss heißen diese Siedlungen“, erzählt der Busfahrer. „Früher wohnte man im Herbst und Frühjahr als Übergang zwischen Tal und Alpe für einige Zeit hier.“ Heute sind viele der Gebäude zu Ferienunterkünften umfunktioniert.

Das Marultal, ein Seitental des Großen Walsertals im österreichischen Bundesland Vorarlberg, war eine gute Wahl im letzten Sommer, um für ein paar Tage Bergzauber zu inhalieren. Ein Campingplatz mit Weitblick, aussichtsreiche Wanderwege und Menschen mit sonnigem Gemüt. Eine Region, in der selbst die Busfahrer freundlich sind, die muss man erst einmal finden!

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Unser Standort: Raggal und der Camping Grosswalsertal

Unsere Station für vier Nächte: der → Camping Grosswalsertal in Plazera bei Raggal. Plazera, eine kleine Ansammlung von etwa zehn Häusern, liegt am östlichen Ausgang der Marultals, Raggal auf der gegenüberliegenden Seite. Der Platz breitet sich herrlich auf einer Art Plateau über dem Großen Walsertal aus und bietet Bergpanoramen satt.

 

Blick auf ein grünes Alpental
Zelten mit Aussicht: Blick vom Camping Grosswalsertal

 

Das Publikum: Deutsche und holländische Wandertouristen, dazu viele Familien mit Kindern, denn es gibt einen Pool. Ein paar Klos und Duschen mehr könnte der Platz zwar vertragen, aber es geht auch so. Im Hochsommer ist eine Reservierung nötig.

Zusatztipp: Direkt im Marultal kann man zudem neben dem Haus Häsischa (Tel. +435553378, bislang keine Webseite)  in idyllischer Hanglage campen.

Der Regionalbus fährt vor der Tür des Campingplatzes ab, er bringt Euch auch nach Raggal. Zu Fuß sind es etwa 30 Minuten (bzw. zwei Kilometer) nach Raggal. Raggal selbst ist ein hübsch gelegenes 900-Seelen-Dorf mit ein paar Wirtshäusern und Unterkünften sowie einem barockisierten Kirchlein aus dem 15. Jahrhundert – geht mal rein!

 

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Alpenhaus mit Schindeln, grünen Fensterläden und Blumenkästen

 

Ansonsten gibt es noch eine Biokeksmanufaktur, ein kleines Skigebiet und einen Kneippwanderweg, der allerdings eher einem Panoramaweg durchs Dorf ähnelt. Kann man machen, muss man aber nicht.

 

Diese Diashow benötigt JavaScript.

 

Marul und der Walderlebnispfad

Startpunkt für Wanderungen im Marultal ist in der Regel die Ortschaft Marul 2,5 km südlich von Raggal bzw. zwei Kilometer südlich von Plazera (Busverbindungen von dort). Für Autofahrer ist das Marultal eine Sackgasse, in Marul ist Schluss. Weiter ins Tal und hoch zur Alpe Laguz darf, von den Anliegern abgesehen, nur der Wanderbus fahren.

Gäste-Card Bregenzerwald und Großes Walsertal: Die Gäste-Card, die man zwischen 1. Mai und 31. Oktober ab drei Nächten kostenfrei erhält, ist eine wirklich feine Sache. Damit kann man die Busse vor Ort entweder kostenlos oder zumindest ermäßigt (Wanderbus) benutzen und hat noch diverse Vorteile mehr. Alle Infos hier.

Das auf der Sonnenseite des gleichnamigen Tals gelegene Marul ist mehr verstreute Siedlung als Dorf. Den Kirchturm schmückt eine rote Zwiebelhaube. Hoch darüber die Bio-Sennerei. Aus dem Gras der saftigen Bergwiesen wird nach traditioneller Methode der Käse „Walserstolz“ gewonnen. Oft ist die Käserei allerdings geschlossen, doch das macht nichts. Holt Euch den leckeren Käse einfach unten aus dem Käseautomaten am großen Wanderparkplatz.

 

Diese Diashow benötigt JavaScript.

 

Am Parkplatz starten verschiedene Touren. An Familien, schwächere Wanderer oder an Leute, die sich einfach nur ein wenig einlaufen wollen, richtet sich der so genannte Walderlebnispfad. Man kann zwischen einer kürzeren (1,5 Stunden) und einer längeren Variante (ca. 2,5 Std.) wählen.

 

Frau wandert durch ein Flusstal
Unterwegs auf dem Walderlebnispfad

 

Wir entscheiden uns für die längere Runde. Es geht unter anderem vorbei an Wasserfällen, einem Grillplatz mit Hängematten und einem Teich mit Holzpontons.

 

Badeteich mit Holzpontons im Wald
Walderlebnispfad Marul: Wasserfälle und ein Badeteich

 

Der Rückweg verläuft auf der anderen Seite des Tals. Dafür muss man eine Holzbrücke über einen rauschenden Bach queren. Zu Füßen hoher Felswände und grüner Hänge führt der idyllische Weg zurück nach Marul.

 

Auf dem Rückweg

 

Wanderhighlight: Von der Alpe Laguz zum Formarinsee

Stichwort Wanderbus: Der Wanderbus von Marul zur Alpe Laguz verkehrt vom 15. Juni bis zum 15. September mehrmals täglich. Ermäßigung mit Gäste-Card. Alle weiteren Infos gibt es hier.

Für den nächsten Tag haben wir Größeres vor: Von der Alpe Laguz wollen wir zum Formarinsee wandern, einem Bergsee auf 1789 Höhenmetern. Der freundliche junge Busfahrer – wir haben ihn bereits eingeführt – bringt uns in 30 Minuten zur Alpe, die selbst auf 1584 Metern liegt. Die Fahrt von Marul durchs schönschöne Marultal dauert rund 30 Minuten, die Kurven sind nicht ohne. Nicht jeder verträgt sie. Im Bus schallt es:

„Mama, mir ist schlecht.“

Ankunft auf der Alpe Laguz, sie liegt knapp oberhalb der Baumgrenze. Durchschnaufen. Was für eine klare Luft! 11 Gebäude und ein Kapellchen zählt die Hochsiedlung, die etwa 100 Tage im Jahr bewohnt ist. So lange dauert der typische Alpsommer. Glocken bimmeln – 100 Kühe leben hier während der warmen Monate, dazu ein paar Ziegen.

 

Hochsiedlung in den Alpen
Laguz: Alpe in Traumlage

 

Die Terrasse des → Laguz-Stübles ist noch leer. Später werden hier die Ausflügler sitzen und Käsespätzle oder Frittatensuppe essen. Übrigens vermietet die Wirtsfamilie eine urige Ferienwohnung, die man jedoch lange im Voraus buchen muss.

Wir machen uns auf den Weg zum Formarinsee, den rot-weißen Markierungen hinterher. Der Weg ist herrlich, als würden wir direkt ins Herz der Schönheit wandern.

 

Rot-weiße Wandermarkierung in den Bergen
Auf dem Weg zum Formarinsee

 

Wir passieren Bäche und Kuhweiden, abschnittsweise geht es auf steinigen Pfaden überaus steil bergauf.

 

Frau begegnet Kuh auf Wanderweg in den Bergen

 

Unterwegs grüßt uns die Rote Wand, die Königin des Großen Walsertal. Mit 2704 Metern ist sie die höchste Erhebung im Biosphärenpark Großes Walsertal. Ihren Namen verdankt sie Gesteinen wie Liaskalk, Radiolarit und Hornsteinkalk, die sie rötlich schimmern lassen. Man kann die Rote Wand besteigen, was eine recht herausfordernde Sache ist. Wer mehr dazu wissen will, kann hier weiterlesen.

 

 

Stichwort Biosphärenpark: Seit dem Jahr 2000 ist das Große Walsertal auf der Liste der UNESCO-Biosphärenparks verzeichnet. Darunter versteht man Regionen, in denen sich die biologische Vielfalt der Natur und eine nachhaltige Bewirtschaftung der Landschaft nicht im Wege stehen. Von den 180 landwirtschaftlichen Betrieben im Großen Walsertal sind fast 50 Prozent Biobetriebe.

 

Zweieinhalb Stunden dauert unsere Wanderung von der Alpe zum Formarinsee. Dieser bildet sich übrigens jedes Jahr aus dem Schmelzwasser von den umliegenden Bergen wieder neu. Der Seeblick ist ein Traum. Wir packen unsere Schinkenbrote aus und genießen. Kauen, schauen, freuen uns:

 

Blauer Bergsee
Formarinsee

 

Von der Alpe Laguz nach Marul

Unsere Tage im Großen Walsertal verschmelzen zu einem einzigen Band aus Sommeralpenglück. Auch am dritten Tag scheint dem Marultal die Sonne aus dem Arsch. Ein letztes Mal lassen wir uns vom lieben Busfahrer zur Alpe Laguz kutschieren.

Weiterlesen: Von der Alpe Laguz kann man nicht nur zurück nach Marul, sondern auch zur traumhaft gelegenen Alpe Oberpartnom und der dortigen Breithornhütte wandern (ca. 4 km). Auf der Breithornhütte haben wir im Anschluss an unsere Tage im Marultal ein Wochenende verbracht. Wie das war, könnt Ihr hier nachlesen.

Dieses Mal jedoch wollen wir von dort nicht höher hinaus, sondern steil hinunter. Der Plan: Eine Tour von der Alpe zurück nach Marul, rund zweieinhalb Stunden soll diese dauern.

Auch diese Tour macht Spaß. Es geht durch duftenden Wald. Sonnenlicht schimmert milchig durch das Grün der Bäume. Immer wieder tun sich tolle Blicke auf die gegenüber liegende Seite des Marul-Tals auf. Allerdings kündigt sich durch das stetige Bergabgehen ein Muskelkater an, den die Welt noch nicht gesehen hat.

 

Kuh neben Holzhütte in den Bergen

 

Ausflug nach Bludenz

Ausgewandert. An unserem letzten Tag im Marultal brauchen wir eine Wanderpause und entscheiden uns für einen kleinen Ausflug nach Bludenz, der mit rund 15.000 Einwohnern größten Stadt der Region. Hier gibt es das, was es in den umliegenden Tälern nicht gibt: große Supermärkte, lebendige Cafés, Behörden.

Die von Bergen umgebene Kleinstadt liegt ohne Zweifel schön. Ein touristisches Muss aber ist sie nicht. Im Zentrum stehen einige hübsche Bürgerhäuser vergangener Jahrhunderte, gleichzeitig aber auch etliche eher dröge Bauten aus den 1970er-Jahren. Darüber thront das Schloss, in dem heute die Bezirkshauptmannschaft residiert.

 

 

Unsere persönlichen Highlights von Bludenz sind zwei andere Orte, nämlich:

  1. Die Metzgerei Pfleghar in der Untersteinstraße 1. Ihr ist auch ein Schnelllokal mit heißer Theke angegliedert. Wunderbare Dinge gibt es da, zum Beispiel Zackzack (mariniertes Schweinesteak in einer Semmel) oder Bosna (Bratwürste mit Zwiebelpaprikasauce in der Semmel). Zum Mitnehmen empfehlen sich die Kaspressknödel.
  2. Die Heilig-Kreuz-Kirche am Ortsrand in der Sankt-Peter-Straße, ein sehr eigenwilliger Sakralbau im expressionistischen Stil aus dem Jahr 1934. Die an byzantinische Kuppelbauten angelehnte Kirche wirkt von außen düster und abweisend, ist aber in ihrem Inneren durchaus reizvoll. Sie besitzt den Grundriss einer Ellipse und eine Kanzel im Art-déco-Stil. Spannend finden wir auch die bullaugenförmigen Buntglasfenster. Architekt: der Deutsche Albert Otto Lindner (1891–1976).

 

Kuppel einer Kirche
Expressionismus der 1930er-Jahre: die Heilig-Kreuz-Kirche innen (hier und Mitte) und außen (unten)

Moderne expressionistische Kirche

4 Kommentare

  1. Liebe Gabi, lieber Michael,

    ganz lieben Dank für diesen tollen Bericht!

    Auf dem Rückweg von Italien nach Deutschland bin ich nur durch Österreich durchgerauscht. Jedes Mal denke ich- da müsste ich mal anhalten und mich umgucken. Gemacht hab ich es bisher noch nie.
    Eure Campingplatzempfehlung habe ich nun in Google gespeichert. Wenn der Wettergott mitspielt, werde ich im Herbst mal ein paar Tage in dieser Region (auf dem Weg nach Bella Italia) verbringen.

    Übrigens, das im Bus hätte ich sein können. Mir wird mit zunehmenden Alter schon beim Selbstfahren schlecht, wenn die Serpentinen kein Ende nehmen.

    Herzliche Grüße von unterwegs
    Annik

    • Liebe Annik, Danke fürs nette Feedback. Also Übelkeit beim Selbstfahren ist schon wirklich bitter :-D. Mir passiert das trotz ebenfalls zunehmenden Alters bislang zum Glück nur beim Mitfahren. Besonders schlimm fand ich diesbezüglich Gomera, da war mir nur noch schlecht. Der Campingplatz ist wirklich eine gute Empfehlung und die Gegend sowieso. Viele Grüße und weiterhin schönes Unterwegssein mit vielen tollen Begegnungen wünschen Gabi und natürlich auch Michael

Gib süßen oder scharfen Senf dazu (E-Mail-Adresse wird nicht angezeigt)

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein