Wo früher Hunde bellten und Selbstschussanlagen standen, wo Menschen starben beim Versuch, der DDR zu entfliehen, erstreckt sich heute ein Biotop von einnehmender Schönheit: ein grüner Streifen mit bunten Blumen. Und auf den Lochplattenwegen, wo einst die DDR-Grenztruppen patrouillierten, wird heute gewandert.

Der 1396 Kilometer lange Fernwanderweg Grünes Band zwischen Bad Elster im sächsischen Vogtland und der Ostsee gehört zu den spannendsten Fernwanderrouten Deutschlands. Er folgt der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze: dem schon fast vergessenen Eisernen Vorhang. Unsere Freundin Dani Scholl (48) aus Frankfurt hat mehr als zwei Drittel des Weges zurückgelegt. Es gibt nicht viele, die die Zeit, die Muße und die Kondition haben, einen derart langen Abschnitt des Grünen Bands zu erwandern. Wir haben Dani gefragt, wie’s war.

 

Frau auf Bank mit Rucksack
Fernwanderweg Grünes Band: Dani Scholl aus Frankfurt hat 1000 Kilometer entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs zurückgelegt, davon 850 Kilometer zu Fuß

 

HIER DA DORT: Ein Resümee deines Abenteuers vorab. Das Grüne Band in drei Sätzen. Was fällt dir ein? Ganz spontan!

DANI: Deutschland ist zauberhaft und im Kleinen oftmals unerwartet schön. Langes Wandern mit Gepäck ist unerwartet einfach. Die einstigen Ländergrenzen habe ich unerwarteterweise tatsächlich immer noch bemerkt.

HIER DA DORT: Dein schönstes Erlebnis versus dein schlimmstes?

DANI: Schön war einfach, dass alles so gut geklappt hat und wirklich fast alle Menschen unterwegs total nett und hilfsbereit waren. Auf die Schilder im Wald Richtung Schaalsee „Achtung Wölfe“ hätte ich hingegen verzichten können :-). Die haben mich schon ein bisschen nervös gemacht.

HIER DA DORT: Doch jetzt mal der Reihe nach. Von wo bis wo bist Du auf dem Grünen Band unterwegs gewesen?

DANI: Ich bin erst ab Birx in der Rhön gelaufen. Wegen Corona waren im Mai, als ich in Bad Elster starten wollte, viele Hotels noch geschlossen. Also bin ich später gestartet und habe die ersten 400 Kilometer weggelassen. Insgesamt war ich etwa 1000 Kilometer entlang des Grünen Bands unterwegs.

HIER DA DORT: 1000 Kilometer in wie vielen Tagen?

DANI: Insgesamt – mit Pausentagen und Alternativen – war ich knapp neun Wochen unterwegs.

HIER DA DORT: Unterwegs mal geschummelt, mal ein Stück mit dem Zug oder Bus gefahren?

DANI: Dreimal bin ich wegen Gewitter und Starkregen Bus gefahren. Auf der Wakenitz habe ich das Schiff genommen, weil es sich so toll angehört hat, durch das Amazonien des Nordens zu tuckern. Das war es auch! Und der Weg von Lübeck nach Travemünde erschien mir so reizlos, dass ich mit Bus und Fähre derbe abgekürzt habe. Somit war ich von den 1000 Kilometern etwa 850 Kilometer zu Fuß unterwegs.

 

Fluss mit viel Grün rechts und links
Runter vom Wanderweg und rauf aufs Schiff: auf der Wakenitz (Foto: Dani Scholl)

 

HIER DA DORT: Hattest du schon in Vor-Corona-Zeiten den Plan, den Wanderweg zu gehen?

DANI: Ja, seit Dezember 2018 ging mir die Idee im Kopf herum und wurde langsam zum konkreten Plan.

HIER DA DORT: Woher kam die Motivation?

DANI: Ich wollte schon immer mal eine lange Wanderung machen, weil ich wissen wollte, ob so eine mittelalte und mitteldicke Frau wie ich das kann. Mit Gepäck. Zwei Premieren sozusagen. Dabei ließ ich die Option, in den nächsten Zug zu steigen und heimzufahren, falls es mir keinen Spaß macht, von Anfang an zu.

HIER DA DORT: Wie hast du dich vorbereitet?

DANI: Ich laufe seit Jahren, wann immer es geht, lange Strecken. Das war schon so, bevor ich das Grüne Band ins Auge fasste. Für das Grüne Band habe ich mir einen 38-Liter-Rucksack gekauft, gute Wanderschuhe und zwei Reiseführer. Das war es eigentlich.

HIER DA DORT: Wie viele Kilos hattest du geschultert? War auch ein Zelt dabei?

DANI: Mit zwei Litern Wasser waren es 10,8 Kilo. Mit drei Litern Wasser und Proviant entsprechend mehr. Ich hatte kein Zelt dabei. Im Rucksack waren ein Nachthemd, drei Unterhosen, ein BH, drei T-Shirts und drei Leggings. Zudem ein Regenponcho, eine Windjacke, ein Badeanzug, ein Mini-Handtuch und ein Paar Birkenstocks. Und natürlich Sonnenmilch und Mückenmittel.

HIER DA DORT: Hattest du alle Etappen bereits im Vorfeld geplant oder dich eher spontan zum Bleiben bzw. Weiterziehen entschieden?

DANI: Ich hatte alle Etappen geplant und die Übernachtungen gebucht. Da ich ja die meiste Zeit alleine unterwegs war, wollte ich so auch sicher gehen, dass es auffällt, falls ich abends nicht ankomme :-).

HIER DA DORT: „Diesbezüglich war ich naiv! Oh, daran hatte ich nicht gedacht! So etwas passiert mir nicht noch einmal!“ Irgendwann mal in diese Richtung gedacht?

DANI: Nein. Es lief alles viel besser, als ich gedacht hatte. Wobei ich mir im Vorfeld gar nicht so wahnsinnig viele Gedanken gemacht hatte. Da ich mir selbst die Option, die Tour abzubrechen, von Anfang an zugestanden hatte, lief es ganz einfach. Ich war nur etwas weinerlich, als ich in den Bus stieg, der mich in die Rhön brachte. An diesem ersten Tag regnete es und ich dachte und spürte: „Jetzt geht es los, es ist Corona, und ich hab ein bisschen Schiss, was mich erwartet“.

HIER DA DORT: Wie viele Kilometer hast du pro Tag so zurückgelegt?

DANI: Im Schnitt so 22 bis 23 Kilometer. An machen Tagen waren es auch nur 15 Kilometer, an anderen 30 Kilometer.

HIER DA DORT: Respekt. Blasen gehabt?

DANI: Keine einzige vom Wandern. Nur eine Blase von den Birkenstocks, die ich 2020 zum ersten Mal ohne Socken anhatte ….

HIER DA DORT: Und wie sah es mit der Verpflegung aus?

DANI: Die war manchmal eine Herausforderung, da es in kleinen Dörfchen wie Wendischbrome oder Harpe/Schnega nur eine Handvoll Häuser gibt, sonst nichts.

In Wendischbrome hatte ich zudem eine Unterkunft ohne Verpflegung. Da kam dann per Lieferando der Dönerteller, der für Abendessen und Frühstück herhalten musste. Was anderes gab es nicht. In Harpe hat mir die Pensionswirtin abends eine Gemüsesuppe gekocht. Ansonsten habe ich vom Frühstück – wenn es denn eines gab – mir eine Brotzeit mitgenommen. In Supermärkten war ich selten. Es gab auch nicht gerade viele entlang des Weges.

HIER DA DORT: Hui, kalter Döner zum Frühstück schmeckt vermutlich wie Hund hinten. Warst du eigentlich immer alleine unterwegs? Hast du dich hin und wieder einsam gefühlt? Oder vielleicht genau dieses Entschleunigen, diese Ruhe genossen! Hat dich jemand besucht? Oder gab es die eine oder andere nette Bekanntschaft unterwegs? Überhaupt: Trifft man entlang des Grünen Bands wie auf dem Jakobsweg stets andere Wanderer oder ist der Weg gar nicht so frequentiert?

DANI: Ich hatte fünf Mal Besuch für jeweils zwei bis vier Tage, den Rest bin ich alleine gelaufen. Einsam habe ich mich nicht gefühlt, eher habe ich das Alleinsein genossen. Bekanntschaften gab es wenige unterwegs. Ich habe tatsächlich außerhalb von Harz und Rhön überhaupt nur einen weiteren Wanderer getroffen…. Das mag aber auch an Corona gelegen haben. Ich war in manchen Pensionen der erste Gast des Jahres. Und die ehemalige Grenze verläuft ja nicht nur durch touristisch erschlossene Gegenden.

 

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Berg mit Felsbrocken und Panoramablick
Außerhalb von Harz (hier der Brocken) und Rhön kaum anderer Wanderer (alle Fotos dieser Galerie: Dani Scholl)

 

HIER DA DORT: War die Orientierung easy, waren die Markierungen gut, oder musstest Du ständig nachschauen, wo der Weg verläuft?

DANI: Außerhalb von Harz und Rhön gibt es keinen klar definierten und markierten Weg des Grünen Bandes. Da hangelt man sich entlang der noch existierenden Kolonnenwege durch Feld und Flur. Zum Teil gibt es keinerlei Markierungen. Das war anstrengend. Denn dann musste ich mit Kompass und App gefühlt alle 15 Minuten schauen, wo ich hin muss. Wahrscheinlich geht da jeder ein bisschen anders. Auch die Etappen in den verschiedenen Reiseführern sind unterschiedlich.

HIER DA DORT: Gab es den Moment, wo du kurz davor warst, zu sagen: „Schluss jetzt, keinen Schritt mehr weiter!“?

DANI: Nein. Ich wäre gerne noch weiter gelaufen.

HIER DA DORT: Was waren für dich die schönsten Abschnitte? Einen Happy Place entdeckt?

DANI: Das Eichsfeld als ganze Region, das Naturschutzgebiet Drömling, die Elbe, alles rund um den Ratzeburger See inklusive dem Flüsschen Wakenitz sowie der letzte Abschnitt an der Ostsee entlang von Priwall nach Boltenhagen. Wobei das jetzt kein „Best of“ ist. Ich hatte an diese Abschnitte einfach keine Erwartungen, hatte teils noch nie davon gehört und empfand sie dann als unerwartet schön. Rhön und Harz hingegen waren erwartet schön.

 

Schafe auf einem Deich
Elbdeich mit Schafen (alle Fotos dieser Galerie: Dani Scholl)

Diese Diashow benötigt JavaScript.

 

HIER DA DORT: Wenn jemand nur eine Woche Zeit hat: Von welchen Teilabschnitten würdest du eher abraten?

DANI: Rund um Wolfsburg war es nicht so toll, also von Helmstedt bis Nettgau/Brome. Doch wer den Abschnitt auslässt, sieht den Drömling nicht. Zu den ersten knapp 400 Kilometern vom Bad Elster bis nach Birx kann ich leider nichts sagen.

HIER DA DORT: Viel nachgedacht übers einst geteilte Deutschland? Vorurteile bestätigt oder revidiert bekommen?

DANI: Es hat mich erstaunt, dass ich immer noch gemerkt habe, wenn ich ein Bundesland gewechselt habe. An was? An ganz banalen Dingen. In den östlichen Bundesländern stehen zum Beispiel viel öfters Plastikblumen im Fenster. Die Fassaden haben teils andere Farben, und nicht zuletzt haben sich die Corona-Regelungen unterschieden. Sonst fand ich fast alle Menschen, die ich getroffen habe und die mich vor allem beherbergt und bewirtet haben, zauberhaft, nett und liebenswert.

 

Diese Diashow benötigt JavaScript.

 

HIER DA DORT: Auf was hast du dich am meisten gefreut, als du wieder zuhause warst?

DANI: Auf gar nicht so vieles: den Mann und die Katzen. Wobei ich wie gesagt auch gerne noch weiter gelaufen wäre.

HIER DA DORT: Angefixt? Oder anders gesagt: Wann steht der nächste Fernwanderweg an?

DANI: Ich möchte gerne noch die mir fehlenden knapp 400 Kilometer von Bad Elster in die Rhön laufen. Dann reizt mich der 66- Seen-Wanderweg rund um Berlin. Und ich werde weiterhin wie schon seit Jahren meine „Homebase“ zu Fuß erkunden.

HIER DA DORT: Wir wünschen dir viel Spaß dabei und herzlichen Dank für die spannenden Antworten!

 

Wenn Ihr wissen wollt, was Dani sonst noch so Spannendes macht außer wandern, dann schaut doch mal hier.

 

Unsere eigenen Erfahrungen auf einer Etappe des Grünen Bands könnt Ihr hier nachlesen: Fernwanderweg Grünes Band: Auf dem ehemaligen Todesstreifen durch die Rhön

 

Hat Euch dieses Interview bei der Planung weitergeholfen? Dann freuen wir uns über Eure Pins bei Pinterest!

 

14 Kommentare

    • Hallo Lisa, das hier ist leider nicht Danis Privatseite, sondern ein Reiseblog, auf dem ein Interview mit Daniela Scholl veröffentlicht wurde. Insofern können wir da nicht weiterhelfen. Daniela ist unter daniela.scholl@auszeitagentur.de zu erreichen. Vielleicht kann sie ja weiterhelfen. Viele Erfolg, Gabi und Michael

  1. So gerne ich mit meinem Mann wandern gehe: Alleine Wandern ist etwas ganz besonderes.

    Wir haben ein paar Jahre an der Grenze zwischen Oberfranken und Thüringen gelebt, das Grüne Band fast in Spaziergangnähe. Es ganz zu erwandern reizt mich sehr.

    • Alleine Wandern ist wirklich etwas ganz Besonderes, weil man nur so wirklich zu sich kommt. Alleine Wandern ist Wellness für die Seele.

  2. Super interessantes Interview, vielen Dank euch! Ich habe vorher noch nie etwas vom Grünen Band gehört, spannend! Vielleicht kann man das auch als Roadtrip machen?!
    LG, Julia

  3. ohhh, schön. Ich will ja auch seit JAHREN schon mal eine längere Wanderung machen. bisher hab ich sowas immer nur mit dem Rad gemacht, aber nie wirklich zu Fuß. Aber irgendwie schieb ichs immer vor mir her. Frag mich nicht, warum.
    Das motiviert mich, das Projekt noch mal anzugehen…

    • In der Tat sehr motivierend, finden wir auch. Wir wandern zwar wie die Weltmeister, aber immer nur Tagesetappen. Das Gleiche mit dem Rad. Aber mal sehen.

    • Liebe Inka, nichts zu danken. Wir haben nach dem Interview auch richtig Lust bekommen und werden uns jetzt im Herbst zumindest mal eine Etappe vornehmen. So zumindest der Plan.

  4. Hallo Andreas, viele der Orte waren entlang der Sperrzone gelegen und sind Teil des Weges. Ich habe zwischen 25€ und 100€ pro Nacht gezahlt je nach Unterkunft. Monteurszimmer waren immer zwischen 25€ und 40€ zu bekommen. In den touristischen Gegenden wurde es dann teurer. Die 100€ waren für meine letzte Nacht in Travemünde Priwall in der absoluten Hauptsaison…

  5. Tolle Sache!
    Ich hätte sicher öfter geschummelt und ein paar Mal versucht, per Anhalter weiterzukommen. 😉

    Was mich noch interessieren würde:
    – Kommt man denn auch direkt an Orten oder kleinen Städten vorbei, oder muss man dazu immer wieder den Weg für etliche Kilometer verlassen?
    – Und was für Übernachtungen waren das? Ich meine vor allem preislich, denn das macht auf 9 oder mehr Wochen ja schon ganz schön viel aus.
    Danke!

Gib süßen oder scharfen Senf dazu (E-Mail-Adresse wird nicht angezeigt)

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein