Warum „Big in Japan“? Wie wir auf die Idee kamen, dorthin zu fahren, wo es der Welt bei uns gefällt, lest Ihr hier.

Machen wir’s kurz: Wer schon mal einen Städtetrip nach Rothenburg ob der Tauber unternommen hat braucht diesen Beitrag gar nicht zu lesen. Viel Neues wird er nämlich nicht erfahren. Denn das mittelfränkische Städtchen mit seinen 11.000 Einwohnern ist alles andere als ein Ort, der sich ständig neu erfindet.

Rothenburg ist das Gegenteil. Veränderung gibt’s nicht. Seit dem 19. Jahrhundert, seitdem Carl Spitzweg, Ludwig Richter & Co Rothenburg romantisierten, lockt das mittelalterliche Stadtensemble Besucher en masse an. Seitdem ist der Tourismus die Konstante in Rothenburg ob der Tauber. In so einem Ort reißt man seine Bauten am Markplatz nicht ab, um Raum für Kaufhäuser oder moderne Bibliotheken zu schaffen. Da bewahrt man. Da baut man selbst im Krieg zerstörte Viertel in Anlehnung an die alte Bausubstanz wieder auf.

 

Fachwerkhäuser in Rothenburg ob der Tauber

 

FRÄNKISCHES DISNEYLAND?

Wer aber noch nicht in Rothenburg ob der Tauber war, der sollte da mal hin. Auch wenn es Spötter als ein fränkisches Disneyland abtun. Stört nicht, für einen Tag oder einen Abend. Es heißt, „die Stadt als Ganzes ist Denkmal.“ Und das ist sie auch.

Mehr als drei Kilometer Stadtmauer gespickt mit Mauer- und Tortürmchen – und übrigens weitestgehend begehbar – umschließen einen Kern, den man durchaus als optische Granate bezeichnen kann. Mit einer Piazza wie aus dem Bilderbuch. Mit Pflastergassen und Durchgängen, die nostalgische Straßenschilder zieren. Mit Kirchen voller Kunstschätze. Mit roten Ziegeldächern, Fachwerk und bunten Gärtchen, wo Sonnenblumen über Zäune lugen.

Abendstimmung steht dem Städtchen übrigens besonders gut. Dann spazieren kostümierte „Nachtwächter“ in dunkler Kutte mit Hellebarde hindurch und erzählen ihrem Gefolge Anekdoten aus vergangenen Zeiten. Statuen werfen ihr wachsames Auge auf Häuser, die bis zur Giebelfigur hinauf verziert sind. Und hier und dort plätschert ein malerischer Brunnen.

 

Rothenburg ob der Tauber im Abendlicht
Abends in Rothenburg ob der Tauber

Schöne Fachwerkstadt im Abendlicht

 

DAS GANZE JAHR WEIHNACHTEN

Dazu herrscht in Rothenburg ob der Tauber das ganze Jahr über Weihnachten. Nur ein paar Schritte vom Hauptplatz entfernt befindet sich das Weihnachtsdorf Käthe Wohlfahrt.

In einer Fantasiewelt kuscheln Steifftiere. Fahren Holzfiguren aus dem Erzgebirge Karussell. Kuckucken Schwarzwälder Uhren. Baumeln Weihnachtskugeln über Zinnkrügen neben silbernen Hirschen, Nussknackern in Uniform und Spieluhren auf bestickten Tischdecken. Kitsch at its best. Und das nicht nur auf ein paar Quadratmetern, sondern in einem riesigen Labyrinth unterirdischer Gänge samt Museum. Fotografieren ist leider verboten.

Porzellanpuppen mit Föhnfrisur oder Weltkugel mit Friedenstauben? Rothenburg ist ein Paradies für Fans von Ugly Presents. Seht selbst:

 

 

DIE WELT IN EINEM KAFF

All das lockt Touristen an. Rothenburg ob der Tauber punktet als „Top Ten German Tourist Attraction“, wie man auf der Webseite der Stadt erfährt. In der Übernachtungsstatistik liegen die ausländischen Besucher vor den Deutschen.

Am beliebtesten ist Rothenburg bei US-Amerikanern, gefolgt von Japanern, Holländern, Chinesen, Taiwanesen, Italienern, Briten, Brasilianern, Schweizern und Südkoreanern – die Top Ten 2017. Mehr als eine halbe Million Übernachtungen werden pro Jahr registriert, hinzu kommen etwa 1,7 Millionen Tagesgäste. Wer den Dreisatz beherrscht, sollte die Zahlen mal auf seinen Heimatort hochrechnen.

Was Japaner übrigens nach ihrem Rothenburgbesuch so ins Netz stellen, seht Ihr hier:

 

https://www.youtube.com/watch?v=B617Jurzk9o

 

WO SIND ALL DIE ROTHENBURGER HIN?


Wo sind sie geblieben? Im Zentrum – wie soll es auch anders sein – hören wir alle möglichen Sprachen. Nur das budderweiche Fränkisch geht unter.

Wir hören es mal beim Metzger, wo es Leberkäsbredla und fränkische Hausmachawurscht gibt. Übrigens saulecker. Und ohne Touriaufschlag, obwohl das nostalgisch daher kommende Schaufenster anderes vermuten lässt.

Die Restaurants hingegen erheben meist einen. Schließlich kostet es was, die Speisekarten in zig Sprachen übersetzen zu lassen. Dadurch vergraulen sie so manchen Rothenburgern den Weg ins Wirtshaus, zumindest in eines in der Altstadt. Drum herum gibt es schließlich auch etwas zu essen. In Gaststuben mit dem Wohlgeruch der fränkischen Bratenküche, nicht unter einer Duftreisglocke. Und zu trinken gibt es dort auch – feinstes fränkisches Ungefiltertes in schweren Humpen zum halben Preis!

 

KURZTRIP ROTHENBURG – EIN PAAR INFOS

Wo liegt’s?

 

 

Was anschauen?

Zuerst die Altstadt als solche! Lasst Euch durch die Gassen treiben, schaut und verlauft Euch! Die Altstadt ist weitestgehend verkehrsberuhigt. Wer sich für Kunstgeschichte interessiert, sollte sich die Riemenschneideraltäre aus dem frühen 16. Jahrhundert nicht entgehen lassen, zu finden in der Kirche St. Jakob im Zentrum und im Kirchlein St. Peter und Paul im Ortsteil Detwang zu Füßen Rothenburgs.

 

Riemenschneider-Altar in Rothenburg ob der Tauber
Was tun? Durch die Altstadt schlendern oder vor dem Riemenschneider-Altar staunen?

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Die Stadtmauer! Den Wehrgang der mehr als drei Kilometer langen Stadtmauer ist in weiten Teilen begehbar. Besucher aus aller Welt spendeten übrigens für den Erhalt der Stadtmauer, was so manch eingelassene Steintafel mit Namen beweist:

 

Tafel in der Stadtmauer von Rothenburg ob der Tauber

 

Der Marktplatz! Setzt Euch an lauen Sommerabenden dahin, wo alle sitzen! Mit einem Bierchen in der Hand vor das prächtige Rathaus, eine Mischung aus Gotik und Renaissance.

Trubel herrscht hier zu jeder vollen Stunde zwischen 10 und 22 Uhr. Dann versammeln sich die Touristengrüppchen vor der so genannten Kunstuhr an der Ratstrinkstube. Warten, bis deren Fensterläden sich öffnen und fotografieren sich mit dem Bürgermeister Nusch beim „Meistertrunk“. Das Ganze erinnert ein wenig an das Spektakel an der Astronomischen Uhr in Prag.

Die Meistertrunk-Legende selbst ist eine Art Sauf-oder-Stirb-Geschichte aus dem Dreißigjährigen Krieg: Einen 3,25-Liter-Humpen-Wein musste der Bürgermeister auf einen Zug kippen, um die Stadt vor der Zerstörung zu retten.

 

Vor der Ratstrinkstube in Rothenburg ob der Tauber
Wenn Bürgermeister Nusch erscheint, heißt’s Kopf in den Nacken!

 

Mittelalterliches Kriminalmuseum! Es gilt als das bedeutendste Rechtskundemuseum Deutschlands. Hexenwahn, Schandmasken und Pranger – das kommt immer gut. Mehr Infos zum Museum hier.

 

Was kaufen?

Am Plönlein 1 steht das Hotel Glocke. Daneben befindet sich der Eingang zum hauseigenen Weinladen. Zum Hotel gehört ein Weingut, das historische, ja schon fast verschollene Rebsorten wie Blauer Affenthaler oder Süßschwarz pflegt. Etwas für experimentierfreudige Gaumen.

 

Hotel Glocke in Rothenburg ob der Tauber
Weine aus uralten Rebsorten gibt’s im Weinladen des Hotels Glocke

 

Was essen?

Wer gut essen will, sollte raus in den Ortsteil Detwang im lieblichen Tal der Tauber. Ein Fußweg führt hinab, die Distanz beträgt etwa 1,3 Kilometer. Unbedingt empfehlenswert: der dortige Gasthof Schwarzes Lamm. In der urigen Gaststube oder auf der Terrasse isst man Sauerbraten mit Klößen, Bratwurst und Forelle Müllerin zu für das Gebotene fairen Preisen.

Die Spezialität vor Ort sind Schneeballen, aus mürbem Eierteig frittierte Ballen, die in Zimtzucker gewälzt und mit Puderzucker bestreut werden – so die klassische Version und daher der Name. Alles in allem eine etwas trockene Angelegenheit. Gibt’s überall zu kaufen, genauso wie gutes Holzofenbrot.

 

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Wo schlafen? 

→ Hotel Eisenhut: Ins gleiche Bett pupsen wie Herbert Grönemeyer – das ist doch mal was! Die Zimmer des Vier-Sterne-Hauses sind klassisch-gediegen eingerichtet, keines gleicht dem anderen. DZ im Sommer ca. 210 Euro.

→ Gästehaus Edith: Einen Designpreis gewinnt das Gästehaus nicht, dafür liegt es sehr zentral, ist sauber und freundlich. DZ im Sommer ca. 65 Euro.

 

Wo campen? 

Es gibt zwei Campinglätze im Ortsteil Detwang. Beide liegen nebeneinander. Der unserer Meinung nach bessere ist der Campingplatz Tauberromantik. Er ist größer, zudem hat man dort deutlich mehr Platz. Gute Sanitäranlagen, internationales Publikum.

 

Wann wird’s rappelvoll?

Zu Pfingsten erinnert man an den Dreißigjährigen Krieg mit dem historischen Festspiel „Meistertrunk“ samt Zeltlager, Reitertruppen, Kanonendonner und vielem mehr.

Anfang August geht das dreitägige Tauber Tal Open Air Festival über die Bühne, die Musik quer durch den Garten.

Mitte August verwandelt sich das Zentrum in ein Weindorf, am ersten September-Wochenende stehen die Reichsstadt-Festtage an mit Fackelzug, Ritterlager, Theateraufführungen und Feuerwerk. Und ab Anfang Dezember erwartet Euch einer der schönsten Weihnachtsmärkte Deutschlands, Reiterlesmarkt genannt.

 

Literaturempfehlung

Eine ausführliche Beschreibung von Rothenburg ob der Tauber samt Restaurantempfehlungen, Unterkünften, Tipps zum Baden und vielem mehr bietet unser Kollege Ralf Nestmeyer in seinem Buch „Franken“ aus dem Michael Müller Verlag.

 

Wenn Euch der Beitrag gefallen hat, so freuen wir uns wie immer über Euere Pins.

 


Big in Japan – warum diese Reihe?

„Oh, Germany is so lovely. We’ve been to the Rhine Valley, to Bacharach, Rothenburg and to Munich on our way from Amsterdam to Rome. We enjoyed it so much.“

Ja, das waren die Worte der pagenköpfigen Frau aus Japan. Wir hatten am Flughafen kurz auf ihr Gepäck aufgepasst, was der Auslöser für unseren Smalltalk war. Sie ging zum Boarding, wir blieben mit Fragezeichen im Gesicht zurück.

„Wo war die? In Karabach? In Bacharach? Wo soll denn das sein?“

Ja, so kam der Gedanke, einmal all die Städte und Orte in Deutschland abzufahren, die sich die Welt bei uns anschaut, und die wir – Asche über unser Haupt, wie im Falle Bacharachs am Mittelrhein – erst einmal googeln mussten. Nicht, dass wir noch niemals am Rhein gewesen wären. Michael war gar schon auf der Loreley, als Iggy Pop dort spielte. Aber das ist über 30 Jahre her, und da war das Obere Mittelrheintal noch nicht auf der UNESCO-Welterbeliste verzeichnet. Seit dieser Begegnung versuchen wir unsere Lücken in Sachen Deutschland zu stopfen. Wollen dahin, wo es der Welt bei uns gefällt. Wollen dem Klischee-Deutschland hinterherfahren. Mit Rothenberg ob der Tauber haben wir begonnen, mit Bamberg weitergemacht. 

Folgende Fortsetzungen sind geplant:

Big in Japan Teil 3: Bacharach
Big in Japan Teil 4: Metzingen
Big in Japan Teil 5: Neuschwanstein

2 Kommentare

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