„Habt keine Angst hier in Albanien! Unsere Gauner sind doch alle bei Euch!“
Solche Sprüche hört man in Albanien immer wieder. Land und Leute haben ein superschlechtes Image, das weiß man auch vor Ort. Der Klischee-Albaner in Westeuropa ist ein Macho, der raubt und Drogen vertickt. Man kennt ihn auch aus dem Tatort.
Damit gleich mal aufgeräumt. Wir haben in Albanien ausschließlich freundliche bis herzliche und humorvolle Menschen kennen gelernt. Uns wurde nichts geklaut. Uns ist keiner mit dem Messer hinterher gerannt. Und uns wurden nachts keine Reifen vom Auto abgeschraubt.
Zwei Wochen lang waren wir mit unserem mobilen Himmelbett namens Tuffi, einem Mercedes-Vito-Camper, unterwegs in diesem kleinen Adriaanrainer. Flächenmäßig ist Albanien nicht größer als Brandenburg. Und doch passt sooo viel Unterschiedliches hinein.
Unser Roadtrip durch Albanien war Teil eines Campingtrips von Berlin nach Igoumenitsa in Griechenland. Dort nahmen wir die Fähre nach Italien, von wo es zurück nach Berlin ging. Hier findet Ihr damit nicht nur schöne Orte, sondern auch jede Menge Tipps fürs Camping.
Ausgespart haben wir vieles: die Hauptstadt Tirana (hatten keine Lust auf Großstadt), die Albanischen Alpen (wäre uns im Oktober zu kalt gewesen), die Gegend um den Ohrid-See (next time, ist vorgemerkt). Und vieles mehr. Hier unsere Route:
Inhaltsverzeichnis
#1 Shkodra, der See: Traumplätzchen für Camper
#2 Shkodra, die Stadt: Moscheen neben Kirchen
#3 Koman-Stausee: Die Natur spielt Drama-Queen
#4 Kukës: Die sozialistische Musterstadt
#6 Kruja: Zwischenstopp beim Nationalheiligtum
#7 Campingplatz Pa Emer: Vom Winde verweht
#9 Berat: Stadt der 1000 Fenster
#10 Llogara-Pass: Weiter an die Albanische Riviera
#11 Himara: Griechenland in Albanien
#12 Ksamil: Zum Meer hin hui, nach hinten pfui
#1 SHKODRA, DER SEE: TRAUMPLÄTZCHEN FÜR CAMPER
Stellt Euch den Bodensee vor, nur ohne Surfer, Motoryachten und Ausflugsschiffe. Dann kommt Ihr dem Bild des Shkodra-Sees schon nahe. Der von Bergen umrahmte See (alb. Liqeni i Shkodrës) ist eine Augenweide. Er gehört den Falken, Adlern und Kormoranen. Vielleicht auch irgendwann mal den Touristen. Doch bislang kommen kaum welche.
Der See hat zwei Anrainer. Das Nordufer und das Westufer des Sees liegen in → Montenegro. Dort heißt der See Skadarsko Jezero. Entlang dem Westufer reisten wir an.
Das Lake Shkodra Resort ist unser erster Campingplatz in Albanien. Ein so verfälschter wie relaxter Einstieg ins Land. Ein Rasen von Golfplatzqualität. Wohnmobile unter Schutzdächern. Glamping-Areal. Instagramiger Strandbereich. Restaurant mit Seeblick. Einen solch herrlichen Platz haben wir selten gesehen. Wir genießen die Tage in dieser westeuropäischen Exklave, das ohne Zweifel. Aber Albanien, so merken wir schnell, ist woanders.
Das Lake Shkodra Resort liegt ca. 7 km nördlich der Stadt Shkodra zwischen Omare und Grile direkt am Seeufer. Mehr Infos gibt es → hier.
#2 SHKODRA, DIE STADT: MOSCHEEN NEBEN KIRCHEN
Wir springen in ein vollgestopftes Sammeltaxi und fahren nach Shkodra. Die Stadt heißt wie der See, liegt aber nicht an dessen Ufer, sondern einige Kilometer zurückversetzt.
Shkodra ist die wirtschaftlich bedeutendste Stadt Nordalbaniens. Der Handel dominiert. Auch kulturell ist Shkodra ein Dreh- und Angelpunkt mit eigenem Theater und Universität. 113.000 Menschen leben hier. Die meisten davon sind, zumindest gefühlt, mit dem Rad unterwegs. Die bekannteste Sehenswürdigkeit ist die Burg auf einem Hügel südlich der Stadt. Uns zieht es dahin, wo die Menschen sind: ins Herz der Stadt, ins Zentrum.
Hübsche Altbauten säumen die Flanierstraßen. Es gibt einen kleinen Basar mit fast orientalischem Flair. Überhaupt erinnert uns vieles hier an die Türkei: Die Stoff-, Lederwaren- und Gardinengeschäfte, vor denen rauchende Männer sitzen. Die kleinen Elektroläden, in denen sich Fernseher und Kühlschränke bis unter die Decke stapeln. Der Einheitsschick der Banken. Die vollen Kaffeehäuser. Die Straßenstände mit Miederwaren. Die Zigarettenverkäufer. Die Läden, die gebrauchte Handys und Telefoneinheiten anbieten. Nur geht alles etwas geruhsamer zu, ohne Gehupe und orientalisches Geschrei. Auch mangelt es an Lokantas, Restaurants und Grillstuben. Albanien ist ein armes Land, das merkt man der Gastronomie an.
Da eine Kirche, etwas weiter eine Moschee. Die Religionen sind in Albanien nicht verfeindet. Die gegenseitige Toleranz ist groß. Das ist auch ein Erbe der kommunistischen Ära, ein Erbe Enver Hoxhas. Der Diktator ordnete höchstpersönlich an, alle religiösen Traditionen zu bekämpfen. Trotz alledem sehen sich heute nur wenige Albaner als Atheisten. Offiziell bekennt sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung zum Islam, fast jeder Fünfte zum Christentum. Griechisch Orthodoxe, Katholiken, Sunniten, Bektaschis – alles da im kleinen Land.
Wir schauen uns die Franziskanerkirche und die Kathedrale an. Beide immer noch sehr steril, einst völlig leer geräumt von den Schergen Enver Hoxhas. Bilder im Stil des sozialistischen Realismus schmücken die weißen Wände.
Shkodra und Skadar-See zum Weiterlesen: Lena Marie vom Blog family4travel war mit ihrer Familie ebenfalls in Shkodra und hat wieder ganz andere Dinge gesehen und beschrieben: Shkodra. Lohnenswertes Reiseziel in Albanien
Und einen ausführlichen Bericht über den Skadar-See (auch den Teilen auf montenegrinischer Seite) gibt es bei uns: Roadtrip um den Skadarsee: Wo sich Montenegro und Albanien ein Stelldichein geben
#3 KOMAN-STAUSEE: DIE NATUR SPIELT DRAMA-QUEEN
Wir machen uns auf den Weg in die Siedlung Koman, wo die Autofähren über den gleichnamigen Stausee nach Fierza fahren. Bis zum Bau der Autobahn 2008 nutzte die Fähre nahezu jeder, der von Shkodra in den Kosovo wollte. So viel Schönes haben wir von der Überfahrt gehört, dass wir das nun auch erleben wollen.
Von Shkodra nach Koman sind es zwar nur rund 50 km. Plant dennoch viel Zeit (mindestens zwei Stunden) und am besten eine Übernachtung vor der morgendlichen Fährfahrt ein – schlechte Straßen!
Die kalte, unwirtliche Bergsiedlung Koman ist ein Unort. Ein paar verstreut liegende Häuser an einem Flusslauf zu Füßen eines Staudamms. Nur weil hier Strom produziert wird, heißt es noch lange nicht, dass man auch Strom hat. Schließlich muss der Strom, der hier erzeugt wird, für halb Albanien reichen. Unser schlichter Campingplatz ist auf jeden Fall den längsten Teil unseres Aufenthaltes „out of electricity“.
„Camping Natura“ ist sein euphemistischer Name. Eine völlig schräge Mischung aus Campingplatz und „Hotel“. Die Camper stehen auf dem Parkplatz. Zimmer und Restaurant befinden sich unter einer maroden Betonbrücke, die über den Fluss führt. Es gibt zwei Hocktoiletten mit integrierter Dusche und ein Open-Air-Waschbecken:
Wir teilen uns den Platz mit einem französischen Pärchen, das mit dem Rad unterwegs ist. Dazu mit Ute und Andreas aus Berlin, die mit ihrem Youngtimer, einem BMW-Cabrio, durch Albanien rumpeln. Und mit einem Enten-Clan.
Die Dunkelheit hat Kälte im Gepäck. Im Kamin des Restaurants lodert ein Feuer. Bei Reis, Salat und zähem Kalbfleisch sitzt unsere bunte Truppe zusammen, während neben uns der Herbergsvater Rakija brennt.
Der Natura Camping (Tel. +355-685418882) befindet sich nur wenige Fahrminuten von der Fähranlegestelle entfernt. Beim nächsten Mal würden wir vermutlich den Agora Camping (Tel. +355-672480224) bevorzugen, der sich ca. 40 Fahrminuten vor Koman befindet. Wir haben ihn nur von der Straße aus gesehen. Er liegt idyllisch am Fluss und wird im Netz sehr gelobt.
Die Fährfahrt
Sind wir noch in Europa? Das Gewusel am Fährhafen und die schmalen, langen, mit Kisten, Säcken und Menschen überladenen Personenfähren erinnern uns an Asien. Und an Mittelamerika.
Wir ziehen alles über, was wir an Klamotten dabei haben. Wir wollen den kalten Morgen auf Deck erleben. Wer will sich diese Wow-Landschaft auch schon entgehen lassen? Grüne Berge spiegeln sich im Wasser. Dann brauner Fels. Und weiße Wolken. Nach jeder Kurve ein neues Bild. Hie und da eine Anlegestelle, die für die Dörfler an den waldreichen Hängen das Tor zur Außenwelt ist. Was für eine Abgeschiedenheit!
In Fierza angekommen, verabschieden wir uns von unseren Mitreisenden. Die meisten Touristen wollen weiter in die Albanischen Alpen. Wir haben ein anderes Ziel: Kukës.
Infos zur Fährfahrt: Die beiden kleinen Autofähren von Koman nach Fierza starten zwischen Anfang April und Ende Oktober täglich um 9 Uhr (Stand 2019). Dauer der Fahrt mindestens drei Stunden. Der Ticketpreis ist von der Fläche (Länge mal Breite ohne Seitenspiegel!) des Fahrzeugs abhängig. Wer sich nicht wie wir beim Ticketverkauf übers Ohr hauen lassen will, kauft am besten nicht vor Ort bei Hinz und Kunz. Sondern konsultiert besser vorab die → Webseite der Fährgesellschaft, reserviert dort einen Platz und zahlt dann vor Ort! Ohnehin ist eine Vorreservierung mehr als sinnvoll, vor allem in der Hauptsaison.
#4 KUKËS: DIE SOZIALISTISCHE MUSTERSTADT
Auf dem Weg von Fierza nach Kukës durchfahren wir eine faszinierende Berglandschaft. Alle halbe Stunde kommt uns mal ein Auto entgegen. Auf einem Pass machen wir Rast: Weißbrot, Schafskäse, Tomaten, garniert mit dem Über-Blick. Ein schwarzer Mercedes-SUV hält an. Deutsches Kennzeichen.
Drei Jungs vom Typ „Halbseiden“ steigen aus. Begrüßen uns mit Handschlag. Freuen sich, dass wir hier Urlaub machen. Erzählen, dass sie auf Heimatbesuch in Albanien seien. Sind stolz darauf, auch in Deutschland zu leben. Freuen sich, uns Tipps geben zu können. Freuen sich überhaupt. Einer zeigt uns das Tattoo auf seinem Oberarm: Zwei Adler. Der Bundesadler neben dem albanischen Doppelkopfadler.
Die ganze Stadt ein Lost Place
Kukës! Das „neue Kukës“ entstand zu Envers Hoxhas Zeiten als sozialistische Musterstadt, nachdem das „alte Kukës“ im gerade gefluteten Stausee verschwunden war. Eine Stadt für die Arbeiter der umliegenden Erzbergwerke wurde gebraucht. Für sie schuf man simple, nun vor sich hin gammelnde Ziegelsteinblocks. In Albanien setzte man nicht auf Plattenbauten. Es mangelte an Beton, denn jeglicher Beton wurde zur Errichtung von Bunkern benötigt. Doch mehr dazu später.
Den Hauptplatz, den Skanderbeg-Platz, plante man skurrilerweise am Stadtrand. Er ist wie ganz Kukës trostlos, still und leer. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus schlossen die Bergwerke, die Menschen gingen weg. Am Platz stehen ein „Kulturpalast“, das Rathaus und die Präfektur. Hin und wieder sollen sich auch Schafe und Kühe auf den Platz verirren, steht in unserem Reiseführer.
Am Skanderbeg-Platz beginnt die „Flaniermeile“ Rruga Eksod 99. Eine triste Meile, auf der wir selten jemanden flanieren sehen. Wir sehen ältere Frauen auf Bänken sitzen. Wir sehen streunende Hunde. Wir sehen leere Cafés, einige sogar ziemlich fancy. Nur hier und dort Männer beim albanischen Herrengedeck: Espresso und Wasser. Einer der Männer trägt eine braune Uniform, die wir in der Enver-Zeit verorten.
In die andere Richtung führt eine Allee zum ehemaligen Staatshotel Turizmi. Es wurde 1989 errichtet und blickt heute als Ruine über den See. Davor rauchen Opis Zigarettchen, drinnen ihre Enkel andere Sachen.
I want to live In Amerika
Nahe dem Skanderbeg-Platz steht unser Hotel, das → Hotel Amerika. Das erste Haus am Platze. Wenn schon, denn schon – in Kukës gibt es keinen Campingplatz. Der Rezeptionist ist stolz wie Oskar, als er uns die VIP Suite ganz oben zeigt:
„Hier schläft auch unser Präsident, wenn er in Kukës ist.“
Für 50 Euro wohnen wir in einem Raum, der in Sachen Geschmacksverirrung kaum zu überbieten ist. Gelsenkirchener Barock vom Feinsten! Durch eine ungeputzte Glaswand blicken wir über eine Stadt mit blauen Wasserkanistern auf Flachdächern. Vor dem riesigen Bad Pantoffeln in Knallfarben. Unsere Dusche erinnert an eine Raumkapsel. Hundert Massagedüsen, aus denen es mangels Wasserdruck nur tröpfelt. Das Toilettenpapier ist außer Reichweite, der Wandhalter dafür etwa drei Meter von der Toilette entfernt.
Unser Feierabendbier trinken wir in der Sky Bar oben unterm Dach. Glitzer und Bling-Bling – auch hier Bad Taste in Perfektion! Die netten Barkeeper führen uns auf die Dachterrasse. Eine mit Steinplatten gepflasterte Fläche mit ein paar Whirlpools (!) obenauf und einem abgefallenen Geländer.
#5 SPAÇ: GULAG IN DEN BERGEN
Spaç ist ein Ort, wo die Unmenschlichkeit zuhause war. Den ehemaligen Gulag in einem abgeschiedenen Tal zwischen Kukës und der Küste erreichen wir über eine Holperpiste durch die Berge. Die Überreste des kommunistischen Arbeitslagers sind heute so etwa wie eine Open-Air-Gedenkstätte.
Spaç galt als einer der schlimmsten der ohnehin schon schlimmen Verbannungsorte Albaniens. Gequält wurden hier vorrangig politisch Gefangene, die in den hiesigen Bergwerken schuften mussten.
Wer das Areal mit seinen ruinösen Lagergebäuden erkundet, ist erschüttert. Tafeln mit kurzen englischsprachigen Infotexten geben Auskunft über die einzelnen Gebäude und das Elend der hier Gefangenen. An der Würde des Gedenkorts kratzt nur ein nahes Kupferbergwerk, das noch immer on Betrieb ist.
Wegbeschreibung nach Spaç: Spaç liegt ca. 60 km südwestlich von Kukës. Nehmt von Kukës die Autobahn Richtung Küste und fahrt bei der Ausfahrt „Reps“ ab. Dann folgen schon bald Hinweisschilder mit der Aufschrift „ISH Burgu Spaç“. „Burgu“ ist der albanische Name für „Gefängnis“. Nun geht es ca. 8 km auf schlechter Straße bzw. teils auch steilen Holperpisten die Berge hoch. Keine Sorge, wir haben’s auch geschafft und wir sind teils echte Autoschisser!
#6 KRUJA: ZWISCHENSTOPP BEIM NATIONALHEILIGTUM
Die Stadt Kruja liegt erhaben zu Füßen einer Felswand, das Zentrum auf rund 600 Meter Höhe. Die Höhe sorgt im Sommer für angenehme Frische. Jetzt im Oktober hat’s fast ein wenig zuviel der Frische, insbesondere am Abend.
Einen Tag kann man der Stadt gönnen, mehr ist unserer Meinung nach nicht nötig. Eine Basargasse mit kunterbuntem Touristentand – Stricksocken, Kelims, Häkeleien – führt hinauf zur Burg. Für die Albaner ist sie ein Nationalheiligtum. Von hier organisierte Fürst Skanderbeg im 15. Jahrhundert den Aufstand gegen die Osmanen. Ein Museum erinnert daran. Wir schlendern umher, von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt, und spazieren zuletzt noch durch die romantische Unterburg mit ihren osmanischen Wohnhäusern.
Am nächsten Tag: Ausflug zur Tekke des Sari Saltik hoch über Kruja. Gefühlte 1001 Serpentinen führen von Kruja die Felswand hinauf. Ganz oben befindet sich in einer Quellgrotte das Grab des Sari Saltik. Sari Saltik war ein Gefährte des Mystikers Haci Bektasch. In Kruja soll er es dem Heiligen Georg gleich getan und einen Drachen getötet haben. Sein Grab ist ein Bektaschi-Heiligtum und Pilgerziel. Für Nicht-Derwische wie uns ist vor allem die Aussicht von dort spannend:
Auf dem Rückweg in die Stadt eine kuriose Szene. Ein Polizist rennt mit der Kelle in der Hand einem Fahrzeug hinterher, das partout nicht anhalten will. Albanien, wie es leibt und lebt.
Campingtipp für Kruja: Vom nett gelegenen, terrassierten Kruje Camping (Rruga Abaze, Tel. +355-688266604) läuft man in ca. 15 Minuten ins Städtchen. Einfach (zwei Nasszellen für alle), aber sauber, angenehm und freundlich. Der Besitzer hat in der Schweiz gelebt und spricht perfekt Deutsch.
#7 CAMPINGPLATZ PA EMER: VOM WINDE VERWEHT
Tirana und die völlig verbaute Hafenstadt Durrës umfahren wir großzügig. Null Bock auf Urbanität! Stattdessen steuern wir den herrlich am Meer gelegenen Campingplatz → Pa Emer bei Karpen südlich von Durrës an.
Doch leider macht uns der Wind einen Strich durch die Rechnung. Auf unserem wunderschönen Stellplatz direkt am Strand bläst uns der Wind derart eisig ins Gesicht, dass an Draußensitzen kaum zu denken ist. Was für eine Enttäuschung! Gerne wären wir geblieben, hätten die idyllische, liebevoll angelegte Oase ein paar Tage genossen. Selbst ein eigenes vorgelagertes Inselchen samt Restaurant gibt es. Wir entscheiden uns bereits nach einer Nacht zur Weiterreise.
#8 ANTIKE STÄTTE APOLLONIA
Auf dem Weg nach Berat machen wir einen Stopp bei der Ruinenstätte Apollonia. Die antike Stadt wurde im 6. Jh. v. Chr. von Kolonisten aus Korinth gegründet und nach dem Gott des Lichts, der Heilung, der Musik und des Frühlings benannt.
Wir sind in Sachen antike Ausgrabungsstätten durch unsere zahlreichen Türkeireisen sehr verwöhnt. Zu verwöhnt, als dass wir beim Anblick Apollonias in Begeisterung ausbrechen könnten. Deutlich mehr wird uns ein paar Tage später → Butrint beeindrucken.
Was sieht man? Eyecatcher ist ganz klar das Bouleuterion, das Rathaus mit seinem imposanten Portikus. Außerdem gibt es auf dem Areal Tempelreste, die Relikte eines kleinen Theaters und der Stoa. Am Fuß des Ruinenhügels steht ein mittelalterliches Kloster, das wir leider geschlossen vorfinden. In seinem Inneren soll es schöne Fresken geben. Geschlossen ist auch das benachbarte Museum. „No electricity“. Mal wieder.
#9 BERAT: STADT DER 1000 FENSTER
Was das Tollste an Berat ist? Dass diese exorbitant gut aussehende Stadt noch denen gehört, die darin leben. Wir verbringen zwei Tage in einem UNESCO-Welterbe, das zu den authentischsten gehört, in denen wir je waren. Natürlich spazieren auch ein paar Touristen umher. Aber ihnen zuliebe hat sich die Stadt noch nicht neu erfunden. Doch das wird kommen.
Altstadtliebe: Mangalem und Gorica
Im muslimischen Altstadtviertel Mangalem herrscht dörfliche Ruhe. Die stillen Treppengassen sind teils nur handtuchschmal. Wind pfeift hindurch und lässt vertrocknete Blätter im Kreis tanzen. Zuweilen kräht der Hahn. Omis winken uns aus Fenstern zu. Hier und dort sehen wir Schilder mit der Aufschrift „Shitet“, „Zu verkaufen“.
Ein paar osmanische Erkerhäuser wurden bereits in Pensionen oder Hotels umgewandelt. Viele aber stehen leer oder machen zumindest den Eindruck, als stünden sie leer. Bislang empfängt einen das Viertel mit jeder Menge Lottercharme und Lokalkolorit. Im Stadtteil Gorica auf der gegenüber liegenden Flusseite ist es nicht anders.
Wer wissen will, warum Berat „Stadt der 1000 Fenster“ genannt wird, muss am Abend durch den Ort spazieren. Wenn dem Tag das Stündlein schlägt und in Mangalem und Gorica die Lampen angeknipst werden, sehen die lichterbedeckten Stadthügel einfach nur zum Anbeißen aus.
Wuselige Neustadt
Die Neustadt ist lebendiger. Sie erstreckt sich rund um den zu groß geratenen Theodor-Musaka-Platz. Die neue orthodoxe Kathedrale des hl. Demetrios steht dort in trauter Eintracht neben der Bleimoschee aus dem 17. Jh.
Wie die Stadt so tickt, kann man am Abend auf dem Republika-Boulevard beobachten, der vom Theodor-Musaka-Platz abgeht. Halb Berat flaniert dann auf und ab oder sitzt in den Cafés. Ein Bier jedoch leisten sich die wenigsten. Auch Windowshopping ist kein Thema. Denn Geschäfte, die dazu einladen würden, sehen wir nicht.
Dafür sehen wir etwas anderes: einen Palazzo Prozzi der skurrilsten Art, nur einen Steinwurf vom Theodor-Musaka-Platz entfernt. Ein gigantisches Gebäude, mit einem Säulenportal ähnlich eines antiken Tempels und einer nächtens illuminierten Kuppel, die ans Kapitol erinnert. Ein roter Teppich führt auf den Eingang zu, davor Schutthaufen:
Der erst 2009 errichtete Kitschtempel nennt sich seit 2019 Hotel Colombo und nannte sich vorher Universität Berat. Die albanischen Universitäten, die angeblich zu den schlechtesten der Welt zählen, waren lange Jahre ein Paradies für gekaufte Universitätsdiplome. Auch Lebendtiere oder Feuerholz wurden als Tauschware für einen Hochschulabschluss anerkannt. Immer wieder griff die albanische Regierung rigoros durch und schloss Universitäten.
Fresken-Wahnsinn auf der Zitadelle
Wir schlafen ein mit der typischen nächtlichen Tierkakophonie: Straßenhunde zerfleischen sich. Räudige Katzen jaulen. Hühner gackern. Truthähne gulpen. Soundhearing statt Sightseeing.
Am nächsten Tag steigen wir hoch zur Zitadelle. Wir möchten die bunten Fresken der mittelalterlichen Kirchen sehen, von denen unser Reiseführer schwärmt. Das allerdings ist gar nicht so einfach. Die meisten der kleinen Kirchen sind verschlossen. Doch Gott hilft uns und lässt ein apfelbäckiges Weiblein auftauchen, das uns für einen Obolus eine der heiligen Hällchen aufsperrt. Grundgütiger, wie schön ist das denn! Enver Hoxhas Bilderstürmer haben hier Gnade walten lassen und die wertvollen Fresken nicht zerstört.
Die größte und jüngste Kirche der Zitadelle ist die Metropolitankirche. Sie ist heute Teil des gebührenpflichtigen Onufri-Museums. Es ist benannt nach dem bekanntesten albanischen Ikonenmaler des 16. Jahrhunderts. Fotografieren ist leider verboten. Reingehen sollte man dennoch.
Campingtipp für Berat: Erst 2019 eröffnete der Riverside Camping (Rruga Staver Naco, Tel. +355-69-6598783), von dem man in ca. zehn Minuten das Zentrum von Berat erreicht. Note 1 mit Stern! Stadtplatz mit blitzblanken Sanitäranlagen und ungemein herzlichen Betreibern. Zum Check-in gab es frisches Obst, zum Check-out ein Fläschchen Rakija!
#10 LLOGARA-PASS: WEITER AN DIE ALBANISCHE RIVIERA
Von Berat nach Himara sind es ca. 160 Kilometer. Plant schön viel Zeit ein, die Passstraße hat es nämlich ganz schön in sich!
Jesus, geht’s hier hoch! Im strömenden Regen fahren wir Kurve für Kurve dem Llogara-Pass entgegen. Er befindet sich auf über 1000 Höhenmetern. Wer von Berat an die Albanische Riviera will, muss ihn bezwingen.
Dabei durchfährt man den gleichnamigen Nationalpark. Die Vegetation ist hier eine völlig andere als unten an der Küste. Kein Hauch von Mittelmeerfeeling mehr, keine Macchia. Es geht durch einen dunklen Bergwald mit Tannen, zwischen denen die Wolken wabern. Wer mag, kann im Llogara-Nationalpark einen Stopp einlegen und wandern gehen. Wir mögen nicht. Die Katzen und Hunde, die gerade aus den Wolken fallen, machen uns so ganz und gar keine Lust darauf. Wunderschön ist es hier bestimmt im Hochsommer, wenn man der Hitze unten an der Küste entfliehen kann.
Wir wollen weiter. Nicht der Berg, sondern das Meer ruft! Schon kurz nach dem Llogara-Pass reißen die Wolken auf. Wie das Garn eines aufgetrennten Pullovers windet sich das kurvenreiche Sträßlein dem Meer entgegen.
Dort läuft ein stolzer Bauer mit seiner reich geschmückten Kuh mitten auf der Straße. Hinter ihm ein ungeduldiger Mercedesfahrer. Das ist typisch Albanien. Tradition und Moderne. Rindvieh und Limousine.
Wusstet Ihr, dass Privatautos in Albanien bis 1990 verboten waren? Bis dahin waren die holprigen Straßen weitestgehend leer. Und wusstet Ihr, dass Albanien die angeblich höchste Mercedes-Dichte der Welt hat? Den genauen Grund verstehen wir bis heute nicht ganz. Irgendwann auf dieser Reise bekommen wir folgende Erklärung:
„Unsere Straßen sind mancherorts so schlecht, dass nur die stärksten Fahrzeuge damit fertig werden. Daher wollen alle einen Mercedes.“
#11 HIMARA: GRIECHENLAND IN ALBANIEN
Helle Sandstrände. Davor ein Meer, das so strahlt, als wäre unter der Wasseroberfläche eine Lichtanlage installiert. Sanfte Hügel. Zitronen- und Olivenhaine. Das ist die Albanische Riviera.
Aber leider nicht nur. Unser schönes Albanien muss nämlich ganz schön aufpassen, dass aus der traumhaften Küste zwischen Vlora und Saranda keine zubetonierte Badewanne für die Massen wird. Die ersten Buchten an diesem 150 Kilometer langen Küstenabschnitt werden bereits durch unkontrollierte und illegale Bautätigkeit verschandelt. Wie so etwas im Endstadium aussieht, kennen wir aus der Türkei: zum Weinen!
Zum Glück gibt es aber bislang noch idyllische Buchten, die manchmal nur über Schotterwege durch Olivenhaine erreichbar sind. Und ein paar Orte, die man durchaus als ganz gemütlich bezeichnen kann.
Himara ist so einer. Der Küstenort ist eines der Zentren der griechischstämmigen Bevölkerung Albaniens. Man spricht griechisch. Man isst griechisch. Auf den Speisekarten findet man Zaziki und Saganaki. Und die Leute sitzen bei Frappé in den Cafés.
Neu-Himara: Life is a Beach
Himara ist zweigeteilt, in Alt-Himara oben am Berg und in Neu-Himara unten am Strand. Neu-Himara ist recht gepflegt und sieht so aus, wie ein gefälliger Ferienort so auszusehen hat: Strand, dahinter eine Uferpromenade, dahinter ein paar Hotels und Tavernen.
Nördlich davon befindet sich die gemütliche Livadh-Bucht – nicht mehr als eine Zeile mit ein paar Pensionen und zwei Campingplätzen hinter einem weiten, jetzt im Oktober schwach frequentierten Kiesstrand. Wie überall entlang der Albanischen Riviera findet man auch dort Bunker. An die 200.000 halbrunde Betonbunker ließ der paranoide Diktator Enver Hoxha zwischen 1972 und 1984 zum Schutz vor einer feindlichen Invasion errichten. Heute rotten diese unkaputtbaren Betonpilze als fotogene Lost Places vor sich hin:
Alt-Himara: Heimlich, still und leise
Alt-Himara ist ein kopfsteingepflastertes Dorfmärchen, das sich an einen Hügel klammert und verträumt aufs türkisfarbene Meer blickt. Nur sein Leben hat es weitestgehend verloren. Lediglich eine alte Frau in Schwarz sehen wir durchs mäuschenstille Dorf huschen. Viele Bewohner zogen nach dem Ende des Kommunismus nach Griechenland. Anderen tauschten die einfachen Steinkaten gegen eine Wohnung in einem Neubau.
Alt-Himara hat heute etwas von einem Ruinenort, dem man einen besonderen Charme aber keinesfalls absprechen kann. Wir finden gleich drei Gotteshäuser bzw. Gotteshäuschen. Eine größere Kirche im unteren Dorfbereich, zwei Kapellchen oben auf der verfallenen Festung. Eine davon ist geöffnet. Kerzen bescheinen Ikonen und Fresken im bäuerlich-naiven Stil. Den Opferstock ersetzt ein Tisch, auf dem Münzen liegen. Ein wunderschöner Ort!
Campingtipp für Himara: Das viele Lob für den → Camping Kranea am Livadh-Strand können wir nicht nachvollziehen: eng und ungemütlich, Besitzer (deutschsprachig) mit Sicherheitstick (Videokameras satt). Wir sind bereits nach einer Nacht auf den Moskato Camping (Rruga Livadh Himara, Tel. +355-674905519) in der gleichen Bucht gezogen: luftiges, weites Gelände, Meerblick, sehr saubere Sanitäranlagen.
#12 KSAMIL: ZUM MEER HIN HUI, NACH HINTEN PFUI
Buchten tauchen auf und verschwinden im Rückspiegel. Ein Buchten-Schlaraffenland liegt hinter uns, als wir Ksamil erreichen. Ksamil selbst ist von einem Schlaraffenland hingegen weit entfernt. Ein Ferienort in der Nebensaison ist immer trostlos. Ksamil ist schlimmer.
Ksamil, eine erst in den 1960er-Jahren entstandene Siedlung, präsentiert sich als völlig unkontrolliert wuchernder, hässlicher Badeort. Mehr sogar: Er ist schäbig. Betonskelette und Bauruinen. Eine völlig verwahrloste „Uferpromenade“ mit abgefallenen Laternenpfählen führt ins Zentrum.
Im Sommer ist diese Betonburg scheinbar völlig überlaufen, wie wir in unserem Reiseführer lesen. So voll muss es hier sein, dass die albanischen Feriengäste ihren Liegestuhl für eine Woche im Voraus buchen. Das klingt nach Hölle in Dosen!
Egal. Zum einen ist Ksamli für uns ohnehin nur Standort für die Besichtigung der Ausgrabungsstätte Butrint. Zum anderen hält die Sonne die Tristesse in Schach. Blickt man Richtung Meer, sieht es sogar recht hübsch aus: kleine weiße Buchten mit glasklarem Wasser davor. Dahinter die Silhouette von Korfu. Zudem essen wir auf der gemütlichen Terrasse des Guvat Restaurants (Tel. +355-685432183) das wohl beste Essen unserer Reise: „Ertrunkene Shrimps“, gefüllten Squid, Oktopussalat. Ist doch auch was.
Campingtipp für Ksamil: Vom Ksamil Caravan Camping (Tel. +355-694263697) läuft man in ca. 15 Minuten in das, was man Zentrum nennt. Sehr freundlicher und sauberer Familienbetrieb, man campt jedoch ziemlich beengend.
#13 BUTRINT: RUINEN IM WALD
Malerischer können Ruinen kaum liegen. Die UNESCO-Welterbe-Relikte der antiken Stadt verteilen sich auf einer bewaldeten Halbinsel. Auf der einen Seite der Butrint-See, eine einstige Meeresbucht, auf der anderen Seite der Vivar-Kanal, der den See mit dem Meer verbindet.
Von Ksamil nehmen wir den Bus nach Butrint. Es ist ein ausgemusterter Stadtbus der Berliner Verkehrsbetriebe! Warum der Busfahrer kein Geld von uns will, wird ein weiteres kleines Rätsel dieser Reise bleiben. Albanien eben.
Durch Butrint zu stiefeln, ist etwas Besonderes. Was für ein wunderbares Fleckchen Erde! Tierreiche Schilfgürtel machen aus der Ausgrabungsstätte gleichzeitig ein Naturparadies. Natur und Kultur könnten nicht besser kuscheln. Die Ruinen spiegeln sich in Wasserbecken, auf denen Seerosen dümpeln.
Das sumpfig-feuchte Terrain bringt allerdings Stechmücken mit sich. Was wir heutzutage mit Autan & Co verscheuchen, war früher kein Spaß. Noch bis ins 20. Jahrhundert starb man hier an Malaria. Selbst der italienische Grabungsleiter, der Teile Butrints ans Tageslicht holte, erlag 1936 dem Fieber.
Ruinen aus 2500 Jahren Stadtgeschichte sind in Butrint erhalten. Ein Theater. Tempel. Thermen. Besonders gut gefällt uns das Baptisterium mit seinen Säulenstümpfen. Und die Basilika aus dem 6. Jahrhundert etwas weiter. Ihre wunderschönen Bodenmosaiken sind mit Herzen verziert – Streetart der Antike. Auf der Akropolis schließlich gibt es ein Museum, dazu eine Traumaussicht auf die Muschelbänke und Fischzuchtanlagen im Butrint-See.
Hinweis: Wer mag, kann in der Ruineneinsamkeit vor Ort auch übernachten. Unterkunft bietet das Livia Hotel (Tel. +355-673477077) neben dem Gelände, dem auch ein Touristenrestaurant angeschlossen ist. DZ 40 Euro.
#14 GJIROKASTRA: STADT IN SILBER
Highlight-Alarm! Gjirokastra bietet eine Überdosis Schönheit. Auch die letzte Station unseres Roadtrips durch Albanien ist ein Ort, der von der UNESCO als Weltkulturerbe geadelt wurde. Die 20.000-Einwohner-Stadt liegt etwa 70 Kilometer nordöstlich von Ksamil im Landesinneren. Wieder muss man Berge überwinden, um hinzukommen.
Zuerst wollen wir dem Städtchen aufs Dach steigen. Also hoch zur Zitadelle! Die Festungsmauern umschließen ein weitläufiges Areal mit gruseligen Gewölben und mehreren Museen.
Von den Bastionen bieten sich stattliche Fern-Seh-Programme. Dort wird schnell klar, warum Gjirokastra von den griechischen Einwohnern Argyrókastro, „Silberberg“ genannt wird. Die Dächer der alten Wohnpaläste sind mit Steinplatten bedeckt, die im Spätnachmittagslicht wie Fischschuppen in der Sonne glänzen. Silbern schimmert auch das derbe Kopfsteinpflaster der Regenwurmgassen und -straßen, ein Gewirr ohne Ordnung, das sich unter der Zitadelle ausbreitet.
Ganz großes Kleinstadtkino: Spaziergang durchs Zentrum
Die Altstadt dekorieren stattliche Bürgerhäuser, eines imposanter als das andere. Manche Gebäude sind fast schon kleine Paläste mit Erkern und Walmdächern, die weit überkragen. Sie zeugen vom einstigen Reichtum Gjirokastras, ab dem Ende des 17. Jahrhunderts ließen sich hier viele Feudalherren nieder. Wie zwei Hans-guck-in-die-Lufts laufen wir in der Altstadt umher und staunen uns einen ab.
Es gibt einen hübsch anzusehenden, aber doch ein wenig sterilen Basar, der sich allein an Touristen richtet. Wir passieren Moscheen, die von der Diyanet, der türkischen Religionsbehörde, restauriert werden.
Mehr Gjirokastra: Gina und Marcus vom Blog 2 on the go waren mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Albanien unterwegs und besuchten unter anderem auch Gjirokastra: Gjirokastra – Sehenswürdigkeiten von Burg bis Osmanischer Brücke
Irgendwann landen wir in den beschaulichen Wohnvierteln, wo man zwei dieser prächtigen Häuser auch von innen besichtigen kann. Das eine ist das Haus Skënduli mit überbordendem Schnitzwerk in seinen Räumen (Sokaku i te Mareve, tägl. 9–19 Uhr).
Und ganz oben am Hang, die halbe Stadt überblickend, steht das sage und schreibe 20 Meter hohe, wehrturmartige Zekate-Haus. Es entstand Anfang des 19. Jahrhunderts und verfügt über ein Dampfbad und einen Festsaal (Rruga Mazllëm Shazivari, variable Öffnungszeiten).
Campingtipps für Gjirokastra: Es gibt mittlerweile mehrere Campingplätze rund um Gjirokastra. Der professionellste, der → Camping Gjirokastër liegt 5 km nördlich. Wegen seiner Laufnähe ins Zentrum haben wir uns für den Ora Camping (Rruga Nacionale, +355-686218561) am nördlichen Ortsrand entschieden. Er ist für eine Nacht okay, mehr aber auch nicht: Parkplatzatmo direkt an der Fernstraße. Laut und umtriebig, da die angeschlossene Bar eine öffentliche ist. Die Sanitäranlagen sind aber sauber.
#15 ABGANG NACH GRIECHENLAND
Von Gjirokastra wollen wir über die Grenze bei Kakavija Richtung Ioannina in Griechenland fahren. Dabei passieren wir wenige Kilometer südlich von Gjirokastra das Drogendorf Lazarat, das sich idyllisch an einen Hang schmiegt. In die internationalen Medien geriet Lazarat 2014, als sich die Anwohner mit Panzerfäusten und Maschinengewehren gegen 800 Polizisten zur Wehr setzten. Schließlich galt es Tonnen von Dope zu verteidigen. Vor der Großrazzia sollen laut Medienberichten rund um Lazarat bis zu 900 Tonnen Marihuana pro Jahr umgesetzt worden sein. Straßenverkaufswert: 4,5 Milliarden Euro.
ROADTRIP ALBANIEN – EIN PAAR PRAKTISCHE INFOS
Geld und Preise
Gezahlt wird in Lek. Ein Lek entspricht ca 0,0081 Euro. Oder andersrum: 1 € = 123 Lek. GANZ WICHTIG: Ihr müsst Euere überschüssigen Leks am Ende der Reise in Albanien zurücktauschen. Ein Umtausch in Deutschland und in vielen anderen Ländern ist nicht möglich (Stand März 2020).
Albanien ist ein insgesamt günstiges Reiseland, aber es gibt ein paar Ausnahmen. In Restaurants können zwei Personen mit Wein ab 10 Euro aufwärts essen, in Touristenlokalen können es auch schon mal 40 Euro werden. Ein großes Bier kostet ein bis zwei Euro.
Gemüse ist sehr günstig. Westliche Luxusprodukte wie beispielsweise Parmesan sind deutlich teuerer als bei uns.
Übernachten: Auf Campingplätzen zahlen zwei Personen mit Wohnmobil und Strom 10 bis 15 Euro. Ab 15 Euro bekommt man auch schon ein Doppelzimmer.
On the Road
Tankstellen gibt es in diesem Land wie Sand am Meer. Genauso inflationär sind übrigens Autowaschanlagen (Lavazh) und Bäcker (Furre Buke) vorhanden.
Grüne Versicherungskarte nicht vergessen! Offiziell braucht man zudem den D-Aufkleber am Auto. Hatten wir vergessen, was zum Glück niemand bemerkt hat.
Geschwindigkeit beachten! Kontrollen sind häufig, kein Wunder bei all den Unfällen! Selten waren wir in einem Land mit so vielen Kreuzen und Gedenksteinen am Straßenrand unterwegs. Wenn es also auf einer leeren Autobahn heißt, dass Ihr nur 40 Stundenkilometer fahren dürft, dann haltet Euch daran! Der Imker, der auf dem Standstreifen Honig verkauft, wird es Euch danken…
Die Straßenverhältnisse? Weitestgehend gut, zumindest auf unsere Route. Holprig bis sehr holprig wurde es nur auf dem Weg nach Koman und nach Spaç. Wie es im Gebirge und in abgelegenen Regionen aussieht, können wir jedoch nicht sagen.
Essen und Trinken
Nirgendwo auf der Welt, auch nicht in den armen Ländern Afrikas, haben wir bislang so wenige Menschen auswärts essen sehen wie in Albanien.
Wir waren nicht sehr begeistert von der Gastronomie. Fleisch, Pommes, Hirtensalat mit Schafskäse (in Albanien „Albanischer Salat“ genannt), Reis. Das sind so die Eckpfeiler. Insbesondere im Landesinneren fanden wir das Essen eher dröge. Dabei reden wir von der Restaurantküche. In den Töpfen der Muttis mag es anders aussehen.
Ausnahmen: die Restaurants am Meer, insbesondere dort, wo die Bevölkerung mehrheitlich griechisch ist und griechisch isst. An der Albanischen Riviera haben wir teils sensationellen Grillfisch und gute Meeresfrüchte bekommen.
Die Sache mit dem Müll
Illegale Müllkippen, überquellende Mülltonnen. Albanien hat aufgrund mangelnder Entsorgungspolitik ein gravierendes Müllproblem und damit auch ein Umweltproblem: Nicht selten nämlich gelangen so Giftstoffe in das Grundwasser und/oder ins Meer. An dem noch weitestgehend fehlenden Umweltbewusstsein der Bevölkerung arbeiten glücklicherweise viele NGOs. Trotzdem wird es wohl noch ein ganzes Weilchen dauern, bis dieses Problem gelöst ist.
Literaturtipp
Unser Kollege Ralph Raymond Braun hat eine kleine Albanien-Bibel verfasst, die im → Michael Müller Verlag erschienen ist. Hintergründig, bestens recherchiert, mit sehr guten Infos und Tipps am Rande. Macht Euch aber auch in Foren und Blogs schlau, die Entwicklung im Land ist einfach zu rasant.
Noch mehr Balkan hier auf dem Blog
- Stopover Montenegro: Zwischen Overtourism und Undertourism
- Kroatien: Chillen, bis die Bora kommt
- Wo die Schakale heulen: Mit dem Van über die Halbinsel Pelješac
- Roadtrip um den Skadar-See: Wo sich Montenegro und Albanien ein Stelldichein geben
- Roadtrip Ohridsee: Mit dem Van einmal um den zweitgrößten See des Balkans
Wenn wir bei der Planung Eueres Roadtrips durch Albanien ein wenig helfen konnten, dann freuen wir uns über Eure Pins.
Habt Ihr andere Erfahrungen gemacht? Andere spannende Orte gesehen? Das alles könnt Ihr uns gerne in die Kommentare schreiben.
Oh wie fantastisch! Ich beneide euch sehr um die vielfältigen Erfahrungen, die ihr in Albanien machen konntet. Wir hatten leider viel zu wenig Zeit im Land – auch wenn das bei einer Langzeitreise irgendwie paradox klingt. Seitdem wollen wir gerne noch mal „gründlich“ nach Albanien – aber nicht im Sommer, zu heiß. Und zu anderen Zeiten ist es für die Schulferien zu weit, wenn man klimafreundlich aufs Flugzeug verzichten will. Aber irgendwann ergibt sich hoffentlich noch mal was…
Danke auf jeden Fall für die Empfehlung und Verlinkung! 🙂 Und fürs Befeuern der Sehnsucht! 😀
Liebe Lena, vielen Dank für dein Feedback. Wir waren leider auch nur zwei Wochen in Albanien und haben dabei viel verpasst, unter anderem die Berge, für die es im Oktober einfach zu kalt war (die aber im Sommer für Euch eine Option wären). Für den Herbst nehmen wir uns gerade den Ohrid-Stausee vor, davon haben wir so viel Schönes gehört und so viele tolle Bilder gesehen. Viele Grüße und nichts zu danken, Gabi und Michael