Was für eine Szenerie! Unter einem stahlblauen Aprilhimmel schaukelt unsere kleine Bahn vorbei am Ätna, einem Berg wie ihn Kinder malen. Der Vulkan erfüllt sämtliche Feuerbergklischees, Schneehaube und Rauchfahne inklusive. Zu seinen Füßen bunte Frühlingsblumen und Zitronenplantagen.

Wir sind oft und gerne mit Zügen unterwegs, haben schon viele Abenteuer in der guten alten Eisenbahn erlebt. Mit dem → Tazara Train fuhren wir von Tansania nach Sambia, auch in → Madagaskar und → Indien folgten wir zuweilen dem Schienenstrang. Michael saß auch schon von Peking bis Berlin im Zug.

Wir sind also in Sachen Bahnabenteuer ganz schön verwöhnt. Umso glücklicher waren wir, mal wieder eine wirklich spektakuläre Bahnstrecke entdeckt zu haben. Die Fahrt mit der Schmalspurbahn um den Ätna ist ein Wow-Erlebnis. Die kleine, nur 120 Kilometer lange Zugreise am Fuße des Vulkans liefert Ausblicke, die sich schwer toppen lassen. Zusätzlich ist die Umrundung easy an einem Tag machbar.

 

Blick aus dem Zugfenster auf einen Vulkan
Spektakuläres Zugerlebnis: Mit der Schmalspurbahn um den Ätna

 

Ferrovia Circumetnea: Praktische Infos

  • Route: Die 950-mm-Schmalspurbahn der Gesellschaft  Ferrovia Circumetnea (FCE) startet im Norden Catanias vom Bahnhof Catania-Borgo (mit Metro, Bussen oder zu Fuß erreichbar). Von dort fährt sie im Uhrzeigersinn um den Giganten, zunächst über Adrano nach Randazzo. Dabei steigt sie von Meereshöhe auf über 900 Höhenmeter an. In Randazzo muss man das Züglein für die Weiterfahrt nach Riposto wechseln. Im Küstenort Riposto endet die FCE-Bahn. Das letzte Stück zurück nach Catania muss man mit der Staatsbahn zurücklegen.
  • Wichtig: Für eine Umrundung des Ätnas fährt man nicht bis Riposto, sondern steigt eine Station früher in Giarre aus. Dort liegen die Bahnhöfe der FCE-Bahn und der Staatsbahn näher beieinander.
  • Dauer: Reine Fahrzeit (Schmalspurbahn und Staatsbahn) ca. 4,5 Stunden. Wir empfehlen aber einen Zwischenstopp in Randazzo – alles in allem dann ein schöner Daytrip.
  • Preise: Ticket für die Schmalspurbahn von Catania-Borgo bis Giarre 6,80 Euro pro Person. Staatsbahn-Ticket von Giarre nach Catania 3,70 Euro pro Nase. Stand: 2023.
  • Fahrpläne: Die Schmalspurbahn fährt 4-mal am Tag bis Randazzo (unter anderem um 8:05 und 12.20 Uhr), 2-mal am Tag von Randazzo nach Riposto (12:15 und 15:06 Uhr, Stand 2023). Aber nicht sonntags, dann ruht sich das Bähnchen aus! Von Giarre zurück nach Catania fahren ständig Züge. Einen Fahrplan für die FCE-Bahn findet Ihr hier. Wirklich Verlass ist darauf aber nicht. Am besten macht Ihr Euch einen Tag vorher am Bahnhof schlau. Für die Zugverbindungen von Giarre nach Catania könnt Ihr hier schauen.
  • Bester Tag: Der beste Tag ist ganz klar der Samstag. Unter der Woche ist die Bahn voller Schulkinder (die Bahn ist keine Museumsbahn für Touristen!). Und am Sonntag fährt ja nichts.

 

Durch ein Zugfenster Blick auf einen Vulkan
Vulkanbahn: Mit dem Zug einmal um den Ätna

 

Los geht’s: Station Catania-Borgo

Früh aufgestanden, schnell noch beim Bäcker gewesen, dann ab zum Bahnhof. Viel los ist nicht an diesem Samstagmorgen. Am Bahnsteig stehen nur ein paar Hanseln mit Rollkoffern.

Skurril: In der Schlange vor der Biglietteria teilt man uns mit, dass die Biglietteria keine Biglietti für die FCE-Bahn verkauft. Wir sollen die Tickets im Tabacchi-Laden nebenan kaufen. Dem ist ein kleines Stehcafé angegliedert. Wie praktisch. „Due espressi, per favore.“ Dann gehen wir zum Zug.

 

Zug steht an kleinem Bahnhof Catania Borgo
Bahnhof Catania-Borgo

 

Unsere kleine Zwei-Waggon-Bahn steht mittlerweile bereit. Wir freuen uns auf die Fahrt mit der letzten Schmalspurbahn Siziliens.

 

Von Catania nach Bronte

Pünktlich um 8:05 Uhr: Tatam, es geht los. Die FCE-Bahn ist oldschool, aber gemütlich. Keine Klimaanlage, dafür Fenster, die man öffnen kann. Immer wieder wird es dunkel, immer wieder verschwindet das Bähnchen im Untergrund. Man kommt sich teils vor wie in der U-Bahn. Oben zeigen uns die Häuser ihre Rücken.

 

Frau fotografiert aus einem Zug im Tunnel
Über und unter der Erde: Zwischen Catania und Bronte

 

Wir verlassen Catania. Die Tunnelpassagen werden weniger. Langweilige Vororte ziehen am Zugfenster vorbei, dann schlichte Kleinstädte. Und dann taucht er auf, der magische Berg, der Riese, den die Italiener Etna nennen. Wir blicken den Vulkan immer wieder gebannt an. Den meisten anderen Passagieren geht er gepflegt am Arsch vorbei.

 

Blick aus dem Zugfenster auf einen Vulkan
Der Ätna kommt, der Ätna geht

 

Der Ätna, der größte Vulkan Europas hat eine stolze Höhe von 3300 Metern. Unschuldig sieht er aus, und doch kann er zum Biest werden. Der Berg ist einer der aktivsten Vulkane der Welt. Schon oft sorgte er für schwere Verwüstungen, zuletzt zwischen 2001 und 2003. Fast jährlich bricht er aus.

Mal verschwindet der weiße Gipfel des Ätna aus dem Blickfeld, dann taucht er wieder auf. Hier und da liegen riesige Lavabrocken neben den Gleisen – je höher wir kommen, desto mehr werden es. Bald wissen wir gar nicht mehr, wo wir hinschauen sollen: Hoch zum Vulkan oder auf die dem Berg abgewandte Seite, wo sich bald Fernblicke auftun über das Innere Siziliens, über eine sich sanft wellende Hügellandschaft.

 

Zug fährt durch karge Mittelmeerlandschaft
Und auf der anderen Seite sieht es so aus…

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Von Bronte nach Randazzo

Quietsch und Stopp. Wir halten in Bronte, der sizilianischen Pistazienhauptstadt. Dahinter folgt der schönste Abschnitt dieser kleinen Zugreise.

Zum Ätna hin zeigt sich die Landschaft völlig rau und kahl, von ein wenig Macchia einmal abgesehen. Auf der anderen Seite die frühlingsgrüne Szenerie. Täler, in denen Obst und Gemüse angebaut werden, begleiten uns nach Randazzo. Gelegentlich passiert die Bahn erstarrte Lavaflüsse, die älteren teils mit Wein bewachsen.

 

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Kleinstadtidylle in Randazzo

Randazzo ist Endstation unseres Zügleins. Wir steigen aus, noch nicht wissend, mit welchem Zug wir später weiterfahren werden – mit dem Mittagszug oder mit dem am Nachmittag? Wie sich später herausstellt, werden uns zwei Stunden in der Kleinstadt am Fuße des Ätna reichen, Stadtbesichtigung und ein kleines Mittagessen in einer Tavola Calda inklusive.

 

Bahnhof Randazzo

 

Nur wenige Gehminuten liegen zwischen dem Bahnhof und der mittagsstillen Altstadt. Wir spazieren da lang, dort lang, lugen in uralte Höfe und gelangen immer wieder in schmale Gassen, in die der Ätna mit seiner schneeweißen Haube hineinschaut.

 

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Randazzo gefällt uns, ist charmant, macht durch die Häuser aus dem dunklen Lavastein aber auch einen düsteren Eindruck. Von den drei Sakralbauten, die wir besichtigen, imponiert uns die Kirche Santa Maria Assunta aus dem 13. Jahrhundert am meisten. Das Deckengemälde ist ein Hingucker. Darunter eine aparte Mischung aus weißen Wänden und lavaschwarzen Partien.

 

 

Von Randazzo nach Giarre

Der Zug für unsere Weiterfahrt wirkt nostalgischer, spielzeughafter als der, mit dem wir gekommen sind. Rote Kunstledersessel. Dazu ein Geruch im Waggon wie aus unserer Schulzeit. Der Geruch der Züge, deren Türen sich noch nicht von selbst öffneten. Der Züge, in denen es noch Abteile gab, in denen man rauchen durfte.

Hinter Randazzo sehen wir Reben auf noch verhältnismäßig jungen Lavafeldern. Die Lavaströme, die die Felder schufen, wälzten sich in den 1980er-Jahren zu Tal und verfehlten Randazzo nur knapp.

 

Blick aus Zugfenster auf Weinreben
Liebliches Sizilien: Zwischen Randazzo und Giarre

 

Der Vulkan ist für die Region Fluch und Segen zugleich. Der Feuerberg gibt und nimmt. Die Lavaasche macht den Boden unglaublich fruchtbar. Die Region am Fuße des Vulkans ist ein Garten Eden mit einem rauchenden und Feuer speienden Damoklesschwert darüber. Die Bewohner der Dörfer, die sich an die Hänge des Ätna schmiegen, sitzen neben einem Pulverfass.

 

Dorf auf einem Hügel

 

Schließlich geht es wieder bergab Richtung Meer, vorbei an Zitrusplantagen, Feigen- und Mandelbäumen. Wir passieren riesige „Topfblumenfabriken“. Vieles, was bei uns auf den Balkonen blüht, könnte am Fuße des Ätna groß geworden sein.

 

 

Von Giarre zurück nach Catania

Je näher wir an die Küste kommen, desto besiedelter wird die Gegend. Peu à peu tut sich ein Häusermeer vorm blauen Meer auf. Ganz besonders bei Giarre und Riposto, zwei zusammengewachsenen Orten. Riposto macht sich am Meer breit, Giarre in dessen Nacken. „Giarre und Riposto haben städtebaulich und von der Atmosphäre her wenig zu bieten“ schreibt unser Kollege Thomas Schröder in seinem Sizilien-Reiseführer. Wir vertrauen auf sein Urteil und machen das, was er empfiehlt: weiterfahren!

 

Je näher wir der Küste kommen, desto dichter besiedelt wird die Region

 

So verlassen wir in Giarre den Zug. Die meisten anderen Passagiere ebenfalls, auf jeden Fall alle, die weiter nach Catania wollen. Nur 200 Meter liegen hier zwischen dem FCE-Bahnhof und dem Bahnhof der Staatsbahn.

Die darauf folgende halbstündige Zugfahrt zum Bahnhof Catania Central führt durch parallel zum Meer gelegene Vororte mit ewigen Neubau- und Industriegebieten. Sie gehört nicht mehr in die Kategorie „unvergesslich“. Ist uns aber schnuppe. Unvergessliche Momente nämlich gab es vorher zuhauf.

 

Literaturtipp

Kollege Thomas Schröder hat einen wunderbaren → Sizilien-Reiseführer geschrieben, den wir Euch ans Herz legen möchten. Ausführlicher wird’s nicht:

 

Mehr Zugabenteuer hier auf dem Blog

 

2 Kommentare

  1. Jetzt bin ich ENDLICH dazu gekommen, euren Artikel zu lesen 🙂 Und jetzt hab ich gleich Lust auf eine Zugfahrt… herrlich. Das würde mir jetzt gefallen. Catania hat mich damals bei meinem Besuch (war ja auch schon 2007) ziemlich abgeschreckt, aber vielleicht sollte ich doch noch mal in die Ecke 😀
    Ich hoffe erst mal auf eine Gelegenheit, dieses Jahr noch nach Palermo zu kommen 🙂

    • Oh, Catania ist schon eine Nummer. Wir sind ja Fans von unperfekten und eher sinistren Städten, aber Catania schießt da schon den Vogel ab. Wir haben dort Dinge gesehen, die wir nur in Südamerika verorten würde, nie in Europa. Trotz all des Drecks und der Kriminalität ist die Stadt aber gleichzeitig total einnehmend und quicklebendig. Unterm Strich fanden wir’s super da. Vielleicht solltest du Catania eine zweite Chance geben. Palermo kennen wir leider nicht, da wäre ein Vergleich sicher spannend. Und ja, die Zugfahrt: ein Traum!

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