4. November, 17 Uhr. Wir sind die einzigen Besucher in Western Leone. Nur ein Cowboy ist noch da. Er trägt einen braunen Stetson, derbe Stiefel und einen Mantel, der bis zu den Waden reicht. Redet lautstark in sein Handy. Wir fragen uns, ob er einer von der Westernshowcrew ist und schneller schießt als sein Schatten. Oder ob er sich um die Pferde kümmert, mit denen Touristen tagsüber Ausritte in die karg-schöne Halbwüste von Tabernas unternehmen. Jetzt auf jeden Fall ist kurz vor Cowboy-Feierabend. Das Licht ein Traum.

 

Mann mit Trenchcoat und Cowboyhut vor Holzhaus
Nur der Cowboy und wir: In Western Leone wurde „Spiel mir das Lied vom Tod“ gedreht

 

Western Leone ist eines von einst rund 15 Kulissendörfern, die ab den 1960er-Jahren in der trostlos-melancholischen Landschaft im Hinterland der andalusischen Großstadt Almería entstanden. Sie dienten als Drehorte für diverse Italo-Western. Kein Wunder: Die Szenerie ähnelt den trockenen Landstrichen im Südwesten der USA und Nordmexikos.

 

Kulissendorf in bergiger Kulisse
Die Halbwüste von Almería könnte man problemlos auch im Südwesten der USA oder in Mexiko verorten

Kulissendorf mit Holzhäusern in karger Landschaft

 

Ein paar dieser Kulissendörfer wurden im Laufe der Jahrzehnte zu Themenparks mit umtriebigem Touristen-Bohei. Andere vergammelten. Western Leone blieb einfach Western Leone. Hier wird kein großes Remmidemmi veranstaltet, zumindest nicht an diesem Nachmittag im Oktober. Vielleicht bedarf es dafür ein paar Besucher mehr, denn laut Webseite soll es Westernshows geben. Heute aber scheinbar nicht.

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Praktische Infos vorab

  • Wo? Western Leone liegt etwa 6 km südwestlich von Tabernas unweit der A 92.
  • Wann? Das Gelände hat täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet.
  • Wieviel? Eintritt 12 Euro, ermäßigt die Hälfte.
  • Weitere Infos: https://www.western-leone.es/
  • Campingtipp: → Little Texas ist mehr Stellplatz als Campingplatz und liegt herrlich im Nirgendwo 11 km nordöstlich von Tabernas. Der Platz wird von einem freundlichen deutsch-englischen Ehepaar geführt. Es gibt nur wenige, aber sehr saubere Sanitäranlagen. Bar, Restaurant und netter Poolbereich.
  • Olivenöltipp: Die → Almazara Castillo de Tabernas an der N 340a, etwa 9 km nordöstlich von Tabernas, presst mit dem Aceite de Oliva Virgin Extra Castillo de Tabernas Green Olive del Desierto eines der besten Olivenöle, die wir bis dato kennen gelernt haben. Vor Ort in großen Mengen sehr preiswert zu bekommen (10 Liter für 118 €).
  • Roadtrip-Tipp: Western Leone war auch Station eines Andalusien-Roadtrips, den Angela vom Blog Unterwegs mit Kind unternommen hat: → Andalusien Roadtrip: Unsere Reiseroute für Südspanien mit dem Wohnmobil

 

Kulissendorf in bergiger Landschaft

 

Western Leone und seine Filme

In Western Leone wurden zig Italo-Western gedreht: „Eine Faust geht nach Westen“ mit Bud Spencer und Terence Hill (1980), „Der Mann aus El Paso“ mit Richard Crenna (1973) oder „Silbersattel“ mit Giuliano Gemma (1978). Für rund 20 Filme diente das Kulissendorf als Drehort. Einer der letzten Filme, in dem das Westernstädtchen vorkommt, war das deutsche Roadmovie „SommerHundeSöhne“ mit Fabian Busch (2004).

Allem vorausgegangen aber waren die Dreharbeiten zu Sergio Leones Westernepos „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968). Ein Film der Geschichte schrieb. Einer der erfolgreichsten Western überhaupt. Und noch heute ein gern gesehener Klassiker. In Western Leone entstanden vor allem die Szenen rund um die Sweetwater Ranch (heute der Saloon, siehe unten). Gedreht wurde aber auch im Monument Valley in Arizona, in Utah und Rom (Innenaufnahmen).

 

Mann mit Trenchcoat und Cowboyhut vor Saloon
Das Gebäude, in dem heute der Saloon untergebracht ist, diente in „Spiel mir das Lied vom Tod“ als Sweetwater Ranch. Unten zwei Filmszenen zum Vergleich

 

Tipp: Erst Western anschauen, dann Western Leone

Wir spazieren durch das in der Abendsonne in Ocker- und Brauntönen leuchtende Westernstädtchen. Bis auf einen zeternden Esel und unsere auf dem Kiesboden knirschenden Schritte ist es totenstill. Katzen dösen auf den Veranden. Die Pferde schauen freundlich zu uns herüber, winken mit ihrem Schweif. Der Cowboy hat austelefoniert.

 

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Wir fragen uns, wo es wohl zum Showdown zwischen dem Mundharmonikaspieler (Charles Bronson) und dem gemeinen Frank (Henry Fonda) kam. Hier hinter der Ranch? Am besten schaut Ihr Euch erst den Western an, oder mal wieder an, dann das Westernstädtchen. Wir taten das nicht, weil wir rein zufällig hier gelandet waren.

 

 

 

Once upon a time in the West

Wir laufen vorbei am Colorado Hotel. An der West Bank. Am Zahnarzt. Wir können leider nicht unterscheiden, welche Kulissen in „Spiel mir das Lied vom Tod“ zu sehen sind und welche später hinzukamen.

 

 

In der Sheriffstube spitzen wir in die Zelle. Auf der Veranda die Tafel, an die „Wanted dead or alive“-Aushänge mit den Kopfgeldern gepinnt waren.

 

Zelle in Sheriffstube

 

Davor auf dem Platz steht der Galgen. Im Geiste hören wir die Mundharmonika. Die bekannteste Mundharmonikamelodie aller Zeiten. Was wäre dieser Film ohne die Musik von Ennio Morricone? Wir hören Schüsse und Schreie. Sex and Crime. Rache, Gier und Mord. Once upon a time in the West.

 

Galgen in der Mitte eines Platzes Kulissendorf Western

 

„Once Upon a Time in the West“ lautet der Titel des Westernklassikers im Englischen. „C’era una volta il West“ im Italienischen.

Der deutsche Titel „Spiel mir das Lied vom Tod“ ist angelehnt an eine dramatische Szene. In dieser steckt Henry Fonda dem Jungen, der seinen Bruder mit der Schlinge um den Hals auf den Schultern trägt, die Mundharmonika in den Mund und sagt: „Spiel mir das Lied vom Tod“. Der Junge spielt, bis er zusammenbricht und der Bruder über ihm am Galgen baumelt.

Den Satz „Spiel mir das Lied vom Tod“ gibt es aber nur in der deutschen Version. Im Original sagt Henry Fonda: „Keep your loving brother happy.“

 

Ein Saloon wie aus dem Bilderbuch

Der Saloon ist ein Saloon wie aus dem Bilderbuch. Knarrende Holzdielen, umlaufende Galerie. Und ein neuzeitlicher Zigarettenautomat! Der Saloon wird immer noch als Bar genutzt, wo sich Touristen ein kühles Cerveja holen können. Nachdem sich unsere Augen an das dunkle Licht gewöhnt haben, sehen wir in der Ecke den Barkeeper sitzen. Noch ein Mensch in Western Leone.

 

Inneres eines Saloons
Der Saloon

 

Der Saloon, die Sweetwater Ranch aus dem Film, war das erste Gebäude vor Ort. Und Jill (Claudia Cardinale), die einst beste Hure von New Orleans, die erste Wirtin.

Vor dem Saloon hat man etwas kitschig eine Pferdekutsche platziert. Gegenüber steht die Kirche, ohne Glocke und Glockenturmdach.

 

Pferdekutsche in einem Kulissendorf

 

Und noch etwas weiter sehen wir ein paar Tipis auf einem Hügel, entstanden für welchen Film auch immer. Auf jeden Fall nicht für „Spiel mir das Lied vom Tod“. Gleiches gilt für das mexikanische Dorf samt schneeweißem Kirchlein neben dem Westernstädtchen.

 

 

Lost Castle El Condor

Lost-Place-Fans werden ihre Freude haben an einer weiteren Kulisse nur ein paar Hundert Meter nördlich von Western Leone: El Condor. El Condor ist so morsch, dass es nur so kracht im Gebälk. Türen hängen in den Angeln. Die ehemaligen Stützkonstruktionen liegen zusammen gefallen da wie ein Haufen Mikadostäbchen. Häuser haben keine Dächer mehr.

 

Zusammengefallenes Kulissendorf
Ganz schön morbide: das ehemalige Kulissendorf El Condor

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Die mexikanische Festung El Condor war der Hauptschauplatz des gleichnamigen Westerns aus dem Jahr 1970. Er handelt von zwei Gaunern, die aus dem Knast ausbrechen, um genau hier auf die Suche nach einem Goldschatz zu gehen. In den Hauptrollen Jim Brown und Lee van Cleef.

Hinweis: Das Befahren der Schotterpiste zu den Kulissen von El Condor ist nicht erlaubt, der Weg wird durch eine Schranke versperrt. Für Fußgänger ist das Areal aber problemlos zugänglich. Auch gibt es keine „Betreten verboten“- Schilder und keinen Zaun.

Seit 1986 bereits gammelt die Kulisse vor sich hin. Der Galgen samt Strick baumelt im Wind:

 

Galgen in karger Landschaft
Der Galgen von El Condor

 

In den einstigen Saloon, der der Pension Coyote angeschlossen war, kann man hineinblicken.

 

 

Weitere Westernstädtchen in der Umgebung

Zwei weitere, größere Westernstädtchen in der Halbwüste von Tabernas, die wir allerdings nicht persönlich besucht haben, sind:

  • Oasys Mini Hollywood: Hier drehte Sergio Leone „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) mit Clint Eastwood. Weitere Infos hier.
  • Fort Bravo: Nennt sich auch „Texas Hollywood“. Hier entstanden die „Glorreichen Sieben“ (1970) mit Yul Brunner und Horst Buchholz. Weitere Infos hier.

 

Literaturtipp

Die Halbwüste von Tabernas wird auch im umfangreichen → Andalusien-Reiseführer unseres Kollegen Thomas Schröder behandelt, der im Michael Müller Verlag erschienen ist. Klare Kaufempfehlung!

 

Mehr Spanien bei uns auf dem Blog

 

2 Kommentare

  1. Spannend! Wir sind damals nur zu ein paar frei zugänglichen Lost Places gelaufen, die eher Trümmer-Charakter hatten. Irgendwer hatte uns erzählt, dass sich der Eintritt in die Westernstädte nicht lohnt. Aber was ich hier bei euch lese, klingt doch sehr interessant. Hätten wir’s mal gemacht…

    • Liebe Lena, wir haben leider keine Vergleiche mit den anderen Westernstädten, die teils wohl sehr sehr kommerziell aufgezogen werden. Western Leone hingegen fanden wir wirklich spannend und auf seine Art und Weise skurril, weil wir eben auch die einzigen Besucher waren…

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