Unsere Radtour von Bernau zum Liepnitzsee und Bogensee führt direkt durch den Naturpark Barnim. Man passiert Kiefern- und Buchenwälder, stille Seen und mit dem Bauhaus Denkmal Bundesschule Bernau überaus spannende Architektur und zugleich ein UNESCO-Welterbe.

Man trifft aber auch auf eine Hinterlassenschaft des Bösen: auf die Landvilla von Joseph Goebbels, des ehemaligen Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda. In der Nachbarschaft erstreckt sich das verwaiste und vergessene Areal einer FDJ-Kaderschmiede, wo ein anderer paranoider Staat Volksaufklärung und Propaganda betrieb. Erich Honecker, einer der Begründer der Freien Deutschen Jugend, hatte sich für den Bau der Jugendschule eingesetzt. Honecker, dem Dachdecker ohne Gesellenprüfung, gefiel die Gegend. Ab 1960 lebte er in der Waldsiedlung Wandlitz. Auch diese werden wir auf unserer Radtour passieren.

 

 

Basis-Infos

  • Route: Gestartet wird in Bernau. Weil es so viele Bernaus in Deutschland gibt, heißt die Kleinstadt genau genommen Bernau bei Berlin. Nach Bernau braucht die S-Bahn (S 2) vom Zentrum der Hauptstadt weniger als eine Stunde. Sobald man Bernau den Rücken gekehrt und die Autobahn überquert hat, geht es durch die Idylle der Brandenburger Natur nach Wandlitz, zum Liepnitzsee und zum Bogensee. Über Lanke radeln wir später nach Biesenthal und von dort zurück zum Ausgangspunkt nach Bernau.
  • Länge: Die Rundtour ist ca. 47 Kilometer lang. Wer es kürzer haben will, beendet die Tour am Bahnhof Biesenthal, in diesem Fall sind 39 Kilometer zu radeln. Von Biesenthal verkehrt stündlich die RB 24 über Bernau nach Berlin Ostkreuz.
  • Strecke/Dauer: Euch erwartet ein still-sanftes Auf und Ab. Da es relativ viel anzugucken gibt und man eventuell auch ein wenig am See chillaxen will, sollte man einen ganzen Tag einplanen.
  • Einkehr: Restaurants gibt es unter anderem in Bernau, am Liepnitzsee, in Wandlitz, in Lanke und in Biesenthal.
  • Hinweis: Der Liepnitzsee ist einer der schönsten und gleichzeitig beliebtesten Seen im Berliner Umland. Entsprechend voll kann es werden. Vielleicht spart Ihr besser die Ferienzeit aus und radelt unter der Woche los!

 

 

Frau radelt vor Backsteingebäude mit großen Fenstern
Erste Station auf unserer Radtour zum Liepnitzsee: Bauhaus Denkmal Bundesschule Bernau

 

#1 Bauhaus bei Bernau

Dreimal die Woche – dienstags, donnerstags und samstags – ist Markt im kleinen historischen Zentrum von Bernau. Dann steht der Honig aufgereiht in Gläsern da. Dann verstecken sich die Früchte des Kuchens unter Streuseln. Dann kauft man Krakauer oder Wildfleisch und je nach Jahreszeit Erdbeeren, Spargel, Kürbisse oder Kirschen. Dann sieht man an den Klamottenständen bunte Kittelschürzen hängen. Dann stapeln sich gebrauchte Groschenromane in Kisten. Und dann riecht die Luft nach Thüringer Bratwurst und Räucherfisch.

Doch selbst an Markttagen gibt sich Bernau als ein ziemlich träges Städtchen. Und ist kein Markt, bleibt nur Biederkeit übrig. Und vor allem Blässe. Hätte man die Altstadt restauriert, wäre Bernau eine kleine Perle. Doch in den 1980er-Jahren riss man viele der Fachwerkhäuser ab und ersetzte sie durch Plattenbauten.

Von der Bürgermeisterstraße, auf der der Markt stattfindet, ist das Bauhaus-Denkmal bereits ausgeschildert. Genauer: das Bauhaus Denkmal Bundesschule Bernau. Es liegt 4,5 Kilometer nördlich der Stadt. Seit 2017 gehört der Komplex zum UNESCO-Welterbe. Großes Architekturkino!

 

Backsteingebäude mit kleinen Fenstern

 

Das Ensemble aus vielfenstrigen, lichten Backsteinbauten wurde 1930 als Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) fertig gestellt. Verantwortlich zeichneten die Bauhaus-Architekten Hannes Meyer und Hans Witwer. Einnehmend sind nicht nur die Gebäude selbst, sondern ist auch ihre von Kiefern umgebene Lage.

Noch heute wird vor Ort gelehrt. Heute befindet sich in den Bauten unter anderem das Oberstufenzentrum Barnim. Wer mag, kann an einer Führung über das Areal teilnehmen, im Sommer finden diese donnerstags und sonntags statt.

 

#2 Waldsiedlung Wandlitz: Die Spießerbuden der Genossen

Weiter geht’s parallel zur Wandlitzer Chaussee in die so genannte → Waldsiedlung Wandlitz. Was nach Tannenzapfenidylle und Forsthausromantik klingt, war zu DDR-Zeiten eine No-go-Area, um die sich viele Mythen rankten.

In der streng abgeschirmten Waldsiedlung nämlich lebte zwischen 1960 und 1989 die SED-Elite. Hier wohnten jene, die Westware geliefert bekamen, während das Volk am Konsum anstand. Hunderte Bedienstete sorgten dafür, dass es Honecker, Mielke, Schabowski, Krenz & Co gemütlich hatten. Es gab ein eigenes Kino, eine Schwimmhalle, Gartenhäuser und Parkanlagen.

Etwa 200 Soldaten bewachten das 160 Hektar große Areal rund um die Uhr. Zusätzlich geschützt wurde das Gelände mit Maschendrahtzaun und mit einer Mauer. Diese zweite Mauer innerhalb des antifaschistischen Schutzwalls ist partiell noch erhalten. Schräg.

 

Mauer in einem Wald, davor Frau mit orangefarbenem Kleid
Waldsiedlung Wandlitz: Die Mauer, die die Genossen schützen sollte, ist in Teilen bis heute erhalten

 

„Bonzenhausen“ wurde die Waldsiedlung hinter vorgehaltener Hand genannt. Oder „Volvograd“ – nach den Autos, in deren Fond die Genossen saßen. Spaziert man heute über das Gelände, ist man fast ein wenig enttäuscht. Kein verblasster Prunk und Protz. Keine Kitschpaläste mit goldenen Wasserhähnen. Ganz im Gegenteil. Die Häuser sahen und sehen so aus wie ihre Bewohner von damals: farblos, traurig, spießig. Geräumig zwar, aber völlig schmucklos.

Heute gehören die einzeln stehenden Wohngebäude im immerdunklen Wald zur Brandenburgklinik Berlin-Brandenburg. Infotafeln weisen hie und da auf die einstigen Bewohner hin. Erich und Margot Honecker lebten zusammen mit Tochter Sonja im Habichtweg 5. Kein Haus, auf das man neidisch werden könnte, oder?

 

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#3 Wandlitz: Ein Dorf am See

Von der Waldsiedlung Wandlitz sind es noch rund fünf Kilometer ins alte Dorf Wandlitz am gleichnamigen See. Drumherum ein paar Neubauviertel. Platz hat man hier. Und große Gärten. Alles liegt weit verstreut, so weit, dass der Ort gar zwei Bahnhöfe hat. Dazu gibt’s noch ein → Brauhaus, ein Strandbad und einen hübschen alten Kern rund um die Dorfkirche. Vieles steht leer.

Einzige Sehenswürdigkeit, die auch den Namen verdient: das nett gemachte → Agrarmuseum, wo man sich über Landwirtschaft und Naturschutz im Naturpark Barnim informieren kann. Danach noch ein Eis, und weiter kann es gehen!

 

 

#4 Liepnitzsee: Ein Hauch von Kanada in Brandenburg

Das Wasser glasklar, solange man nicht hineingeht und den Sand aufwühlt. Manchmal gar ein wenig türkis. Die Wellen sanft schaukelnd. Die Ufer hügelig und bewaldet. In den Ästen tschilpen die Vögel. Dazu hat die Natur dem See noch ein paar schöne Badestellen spendiert. Der Liepnitzsee, einer der saubersten im Bundesland, ist eine Augenweide.

 

Wolken spiegeln sich in einem See

 

Radelt hin, relaxt ein wenig, schaut in die Baumkronen! Es gibt auch ein Waldbad mit Bootsverleih. Wer mag, schwimmt hinüber zur gar nicht so kleinen → Insel im See , auf der man auch campen kann. Weniger Ambitionierte wählen die Fähre.

Achtung: Wer am See den Weg ganz nah am Ufer wählt, muss zuweilen schieben (sandige, steile Pfade).

 

#5 Bogensee I: Die ehemalige FDJ-Kaderschmiede

Nehmt Euch einen Sack Liepnitzsee-Heiterkeit mit zum Bogensee. Dort nämlich wird es einen ganzen Tick düsterer. Bizarre Relikte aus der Zeit zweier deutscher Diktaturen stehen dort herum.

Zuerst passiert Ihr einen riesigen Lost Place: das schlossähnliche Areal der einstigen FDJ-Jugendhochschule Wilhelm Pieck. Es liegt nordwestlich des Bogensees. Der Außenbereich ist frei zugänglich.

Der langsam verwildernde Megakomplex in ergrautem Ockergelb entstand in den 1950er-Jahren. Protz im Stil des klassizistischen Realismus. Erbaut von Hermann Henselmann, der auch für diverse Bauten der Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) in Berlin verantwortlich zeichnete.

 

Überwucherte Treppe in einem verwahrlosten Areal

 

Die Kaderschmiede bestand aus mehreren Gebäuden, die ihre Namen bis heute auf abgewetzten Schildern tragen: Haus Wien, Haus Potsdam, Haus Budapest – 500 Studenten kamen hier gleichzeitig unter. Wer Glück hat wie wir, ist alleine vor Ort. Dann hört man nur noch den Wind pfeifen. Aus den Dächern der Häuser wächst Gebüsch. Moosüberwachsene Treppen führen ins Nichts.

 

Verwildertes kasernenartiger Komplex

 

Bis zum Ende der DDR wurden am Bogensee junge Menschen aus aller Welt in den Idealen des Sozialismus geschult. Selbst aus Afrika und Lateinamerika reisten sie an. Und auch aus der BRD! Nach der Wende konnte das Areal niemals mehr dauerhaft sinnvoll genutzt werden. Seit 1999 gammelt es vor sich hin.

 

#6 Bogensee II: Die Villa des Nazi-Bocks

Am Rande der ehemaligen FDJ-Kaderschmiede steht die Villa Bogensee. Ein Ort mit hohem Gruselfaktor. Vor dem Haupteingang umarmen sich zwei Statuen – mittlerweile kopflos. Aus dem Gebüsch schlängelt sich eine graue Schlange. Dahinter eine verrottete Tischtennisplatte aus Beton. Wie aus einer anderen Welt. Einer verlassenen. Oder dem Jenseits.

 

Kopflose Statuen vor Gebäude
Lost Place Villa Bogensee: Ein Hauch von Dark Tourism

Heruntergekommenes einstöckiges Haus

 

Alles begann mit einer Datsche am Bogensee, die die Stadt Berlin ihrem Gauleiter Joseph Goebbels im Jahr 1936 schenkte. Er nutzte sie als Liebesnest. Goebbels, bekannt für zahlreiche Affären und sehr angetan von den Beautiful People der Filmsets von Potsdam-Babelsberg, trug den Spitznamen „Bock von Babelsberg“.

Um 1939 ließ er sich hier eine riesige Villa errichten – gesponsert von der UFA. 30 Räume, ein Filmsaal. Marika Rökk und Zarah Leander kamen vorbei. Journalisten wurden hier auf kommende Kriegsverläufe eingestimmt. Durch bodentiefe, per Knopfdruck versenkbare Panoramafenstern blickte der Bock auf den Bogensee (heute verhindern Bäume die Aussicht). Davor eine überdimensionierte Grillterrasse mit Platz für viele Böcke mehr.

 

 

Von wo Goebbels früher hinausblickte, kann man heute hineinschauen. Man sieht blau-weiße Bodenfliesen und schwere Kassettendecken. Braune, natürlich.

 

Leerer Raum mit Fliesen und Kassettendecke
Ein Blick hinein ist jedem möglich

 

Auch diese Villa steht schon seit langer Zeit leer. Sie gilt als unverkäuflich. Der Eigentümer, das Land Berlin, befürchtet, dass sie in die Hände von Neonazis gelangen könnte, die daraus einen Pilgerort machen. Es gibt Überlegungen eine Dokumentationsstätte darin einzurichten. Über die Überlegungen hinaus ist man bislang jedoch nicht gekommen.

 

#7 Fischbrötchen in Lanke und weiter nach Biesenthal

Danach radeln wir weiter nach Lanke. Lanke hat eigentlich nur einen Nachteil: seine Lage nahe der Autobahn A11 und dem damit verbundenen Sound. Gleich zwei Seen hat Lanke vor der Haustür, den Hellsee und den Obersee. Dazu steht dort, wo man die Mitte des Ortes vermuten könnte, ein hübsches Schloss, das in Privatbesitz und leider nicht zu besichtigen ist.

 

Zufahrt zu einem Schloss
Leider nicht zugänglich: Schloss Lanke

 

Macht nichts. Das Beste vor Ort ist nämlich die lauschige Seeblickterrasse von Uli’s Fischhaus (den Deppenapostrophen gibt’s der korrekten Zitierweise wegen). Uli bietet seinen Gästen gut eingeschenktes Pils, ehrliche Hausmannskost, geniale Fischbrötchen und stets ein freundliches Wort. Das i-Tüpfelchen: der Badesteg vor der Terrasse.

Nach der Pause schwingen wir uns auf den Sattel und radeln beschwingt nach Biesenthal. Auch dieser gemütliche, stille Ort macht Freude! Auf dem Schlossberg ein Aussichtsturm, am Großen Wukensee ein tolles Strandbad, im kleinen Kern ein pittoreskes Fachwerkhaus samt Türmchen, heute das Rathaus.

 

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Beim Rathaus treten wir den Rückweg nach Bernau an. Dazu geht es über die Berliner Straße aus dem Ort hinaus. Wer hingegen zum Bahnhof von Biesenthal radelt, passiert noch etliche elegante Villen, die Biesenthal das Flair eines Kurorts verleihen.

 

Man radelt vorbei an Holzscheiten durch den Wald

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