Fischland-Darß-Zingst, die Halbinselkette zwischen Rostock und Stralsund, ist einer der schönsten Abschnitte an der deutschen Küste. Ein unendlicher Strand, mal als dünner Saum, mal als gigantische Sandkiste, erstreckt sich hier an einem diskreten, selten stürmischen Meer.

Hinter den Dünen führen Sträßlein und Radwege, teils auf Deichen, durch eine stille Landschaft mit Heiden, Salzwiesen, Birken- und Kiefernwäldern. Keine Retortenstädte verschandeln die Küste, eine Wohltat für Auge und Natur.

Ein großer Teil der Halbinselkette gehört zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, der bereits 1990 eingerichtet wurde. Der nachhaltige Tourismus steht im Vordergrund.

Im Frühsommer zeigt sich der Himmel von seiner Schokoladenseite, hoch und weit. Die Sonne strahlt meist noch dann, wenn es 50 Kilometer landeinwärts regnet. Doch direkt an der See weht im Frühsommer ein ziemlich kaltes Lüftchen, das für den einen oder anderen Gänsehautmoment sorgt. T-Shirt-Wetter im Dorf hinterm Strand, Fleecepulli-Wetter direkt am Strand. Sofern man keinen Strandkorb hat. Der Strandkorb ist die genialste deutsche Erfindung; das unterschreibt nahezu jeder, der an der Ostsee urlaubt. Vor allem Warmduscher wie wir. Abgehärtete Ostseefreaks stört die frische Brise nicht, sie gehen in aller Seelenruhe im tiefblauen Wasser baden.

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

FISCHLAND-DARSS-ZINGST – STANDORTE UND HIGHLIGHTS

Ahrenshoop: Kunst und etwas Dekadenz

Es gibt Floskeln, die mag man weder schreiben noch lesen. Sorry, aber Ahrenshoop ist einfach pittoresk! Ein nahezu endloser Strand zieht sich hier gen Norden – mit dem Wind im Rücken könnte man hier ewig und drei Tage laufen. Hinter dem so genannten Hohen Ufer liegt ein geschlecktes ehemaliges Fischerdorf mit niedrigen Rohrdachhäusern. Eine fast puppenstubenhafte Perfektion.

Hinter so manchen Türen verbergen sich originelle, kleine Galerien, zu denen sandige Wege führen. Zudem gibt es das → Kunstmuseum, das an das frühe 20. Jahrhundert erinnert, als Ahrenshoop zu einem Zentrum impressionistischer Landschaftsmalerei avancierte. Die Liste an Prominenz, die mit dem Ort verbunden ist, ist lang: Hier lebten unter anderem die Maler Edmund Kesting, Elisabeth von Eicken, Hans Brass, Franz Triebsch und der Bildhauer Gerhard Marcks. Und als Sommergäste kamen Albert Einstein, Bertolt Brecht, George Grozs, Arnold Zweig und viele mehr.

Ein bisschen Glamour und Bling-Bling bietet Ahrenshoop noch heute. Zum späten Sonnenuntergang geht’s auf die Dachterrasse des Hotels → The Grand. Hotelkolosse wie dieser sind nicht unser Ding, aber die Bar in der fünften Etage – wow! Zum Lychee Slush treffen sich dann auch Meer, Sonne und Himmel zur ganz großen Farbensause. Wer muss da eigentlich noch in die Tropen?

 

Sonnenuntergang an der Ostsee
Ahrenshoop am Abend: Diva mit Plüschhimmel

 

Am Bodden: Born und Wieck

Zwei stille Dörfer, die wir im Nachgang gerne verwechseln. Ihre abseitige Lage auf der Boddenseite des Darß lässt sie in der Beliebtheitsskala vieler Ostseeurlauber ein wenig abkacken, was sie aber nur sympathischer macht.

Was für eine Heile-Welt-Kulisse! Die reetgedeckten Häuser sind teils so niedrig, dass man ihnen das Dach streicheln könnte. Geklöppelte Gardinen, Messingtürklopfer, Fensterläden und Türen von quietschgelb bis kobaltblau, in den Gärtchen lila blühende Rhododendren. Und spaziert man zum Ufer, sieht man Reiher, die sich nach einem Frühstück oder Mittagessen umsehen.

Noch ein Tipp: Im → Bio-Hofladen Darss am westlichen Ortsrand von Born bekommt Ihr alles Mögliche, was man aus dem Sanddorn, der „Zitrone des Nordens“ herstellen kann. Mächtig sauer kann das sein, mit einem Hauch Gallerülpser im Abgang – viele Leute stehen drauf. Außerdem kann man sich mit Wild- und Biobüffelfleisch eindecken.

Apropos Bodden: Falls Ihr nicht wisst, was ein Bodden ist (wir wussten es bis zu unserer Reise an die Ostsee auch nicht), hier kommt’s: Bodden sind so etwas wie die Lagunen der Ostsee, flache, dem Binnenland zugewandte Küstengewässer, die deutlich salzärmer als das Meer sind und dazu kaum Seegang aufweisen. Ihre Ufer werden von Schilfröhricht umarmt.

 

Haus in Born an der Ostsee
Bilderbuchhäuschen in Born

 

Prerow: Campen in den Dünen

Prerow, mit einem weiten Neubauviertel bestückt, fehlt zwar die Bilderbuchkulisse von Ahrenshoop, dafür ist Prerow der familienfreundlichste Ort der Halbinselkette. Schon der Nordstrand – weitläufig, feinsandig, wunderschön! Die Kids verschanzen sich in ihren Sandburgen, die Erwachsene lümmeln in ihren sturmfreien Buden, den Strandkörben.

Und Prerow birgt einen weiteren Superlativ: den schönsten Campingplatz der Halbinselkette! Camper können ihr Zelt auf demRegenbogen Camp Prerow mitten in den Dünen aufstellen, Wohnwagenbesitzer ihren Wohnwagen hineinziehen lassen. Nur Camper wie wir, die mit einem Bus anreisen, gehen leer aus – sie müssen mit einem der engen Stellplätze weiter hinten vorlieb nehmen.

 

Campingplatz in Prerow
Prerow: Hier schlägt man sein Zelt im watteweichen Sand auf

 

Darßer Weststrand: Hier führt kein Weg vorbei

In Prerow kann man nicht nur herrlich faul, sondern auch schrecklich aktiv werden. Man kann nicht nur, man muss. Von Prerow lässt sich der Darßer Weststrand, das große Highlight der Region, erkunden. Dazu besteigt man eine Pferdekutsche, leiht ein Rad oder läuft einfach los. Der so genannte Darßer Ort, eine zum Nationalpark gehörende Landzunge samt Leuchtturm und Strand, erstreckt sich rund fünf Kilometer nordwestlich von Prerow und kann nicht mit dem Auto angefahren werden.

„Der Weststrand am Darß gehört zu den wenigen Gründen, aus denen ich mir gewünscht hätte, in der DDR aufgewachsen zu sein.“

(Irene Berres, Spiegel online)

Am 13 Kilometer langen Naturstrand ducken sich die Kiefern, als wollten sie dem Meereswind entfliehen. Nur Wind, Wellen, entwurzelte Baumstämme im weißen Sand gibt es hier, und mit Glück einen Seeadler – die Könige der Lüfte brüten im Wald hinter dem Strand. Kein Kiosk, keine Rettungsschwimmer. Den besten Überblick über die wildromantische Szenerie bekommt Ihr von der Aussichtsgalerie des backsteinernen Leuchtturms aus dem 19. Jahrhundert, 127 gusseiserne Stufen sind es hinauf. Unten ist das → Natureum Darßer Ort untergebracht, eine aufschlussreiche Dependance des Stralsunder Meeresmuseums.

 

Weißer Strand mit Kiefern dahinter
Darßer Weststrand: Strand und Leuchtturm

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Zingst: Fotoschauen am Strand

La Deutsche Vita! Am langen Strand herrscht Ferienglück mit Frittenbude, Gummifrosch und Kettwurst. Zur Bespaßung dient auch eine → Tauchgondel an der Seebrücke, die einem alten Science-Fiction-Film entsprungen sein könnte. Rund 30 Personen können vier Meter in die Tiefe fahren, um dann im Trüben zu fischen.

Zingst hat sich in den letzten Jahren aber auch einen guten Ruf als Forum für Fotokunst erarbeitet. Spannende Schauen präsentieren unter anderem die → Erlebniswelt Fotografie Zingst und die → Leica Galerie. Hut ab – die Leica Galleries waren bislang vornehmlich in den großen Metropolen der Welt zu finden. Zudem gibt es Fotofestivals mit spannenden Open-Air-Ausstellungen am Strand.

Den Abend verbringt man am besten bei Fisch-Pelmeni und Zander mit warmem Linsen-Kartoffel-Salat auf der schicken Dachterrasse des Restaurants Kranichhaus am Hafen.

 

Tauchgondel in Zingst
Zingst: Der eine geht Fische gucken…
Fotoausstellung am Strand von Zingst
… und der andere Fotos

 

Ausflug von Zingst: Über die Sundischen Wiesen nach Pramort

Von Zingst ist es nicht weit zu den Sundischen Wiesen. Dort kann man sich Räder ausleihen, um zum Vogelbeobachtungspunkt Pramort zu gelangen. Ein acht Kilometer langes, schnurgerades und für den motorisierten Verkehr gesperrtes Sträßlein führt hin.

Der Radweg ist ein Traum, es geht vorbei an schier endlosen Wiesen, an Wald, weidenden Schafen und Kühen. Am Ende schließlich der hölzerne Aussichtspunkt vor einer riesigen Küstendüne. Der Blick auf die voraus liegende Wasser-Land-Insel-Landschaft ist herrlich – auch wenn man mit Vögeln eher nichts am Hut hat. Als wir da waren, waren wir fast alleine. Von Mitte September bis Mitte Oktober jedoch, wenn Tausende von Kranichen hier einen Zwischenstopp einlegen, ist die Hölle los. Für das flatternde Naturspektakel wird dann auch Eintritt erhoben.

 

Flache Landschaft mit Meer und Vogel
… nach Pramort

 

Wustrow auf Fischland: Schiff ahoi!

Die Mischung aus lebendigem Seebad samt Seebrücke zum Meer hin und Fischerdorfambiente mit Katen und spitztürmiger Kirche zum Bodden hin gefällt. Vom Boddenhafen kann man Boddenrundfahrten unternehmen, auch mit Zeesenbooten, den traditionellen Holzbooten mit ihren braunen Segeln. Vorbei am Hafen führt ein Sträßlein in den Ortsteil Barnstorf mit alten Hallenhäusern und einer besuchenswerten → Kunstscheune.

 

Wustrow Ostseeküste
Wustrow

Ostseestrand

 

FISCHLAND-DARSS-ZINGST – DAS BESONDERE

Fischbrötchen

Der warme Duft aus den Öfen der Hafenräuchereien führt einen im wahrsten Sinne des Wortes an der Nase herum. Aal, Lachs, Sprotten, Butterfisch, Makrele, Heilbutt oder Knurrhahn? Oder lieber Matjes mit Bratkartoffeln? Oder eine Fischfrikadelle im Brötchen, von dem die Remouladensauce das Handgelenk hinunter trielt? Was für eine leckere Sauerei! Dass uns auf unserer Ostseereise keine Schuppen gewachsen sind, ist ein Wunder. Wermutstropfen: Darüber, dass nur ein Bruchteil der angebotenen Fische aus der Ostsee stammt, sollte man einfach hinwegsehen…

 

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Buslinie 210

Von April bis Oktober ist dieser Bus mit Fahrradanhänger entlang der Küste unterwegs. Wer also wandert oder radelt, braucht keine Rundtouren machen, sondern gelangt immer spielend mit dem Bus zurück. Den Fahrplan findet man hier.

Publikum

Wir sind ja selbst nicht mehr die jüngsten, fühlten uns aber in so manchen Ostseebädern mit hoher Rollatordichte (wie zum Beispiel Boltenhagen oder Kühlungsborn, beide westlich der hier beschriebenen Region) wie frisch aus dem Ei geschlüpft. Nicht so in Fischland-Darß-Zingst. Das Publikum ist bunter gemischt: Naturtouristen jedes Alters, auch junge Familien kommen gerne. Das wirkt sich auf Stil und Gastronomie aus.

Strandkorb

Der Rostocker Korbflechter Wilhelm Bartelmann soll 1882 den ersten „Strand-Stuhl“ zum Schutz vor Sonne und Wind entworfen haben. Der Strandkorb verspricht Luxus im Sand: ein elegantes, geflochtenes Stück Privatsphäre, das man hin- und herschieben kann, wie es einem gefällt. Mietpreis: rund neun Euro pro Tag.

 

Strandkorb Ostsee

 

FISCHLAND-DARß-ZINGST – DAS WENIGER SCHÖNE

Zu viel los!

Man kann die Idylle auf Fischland-Darß-Zingst drehen und wenden, wie man will. Tatsache ist: Alle Orte haben sich dem Tourismus verschrieben. Und der boomt! Wie es hier in den Sommerferien aussehen mag, mögen wir uns gar nicht ausmalen. Selbst im Juni kam es vor, dass Campingplätze ausgebucht waren oder ohne Reservierung kein Platz in einem Restaurant zu bekommen war. Überdenkt deswegen gut, wann Ihr hierher wollt!

Keine Eckpinten fürs gemeine Volk

Coole Clubs und Bars haben wir nicht erwartet. Dass wir aber keine einzige bodenständige Pinte entdecken konnten, hat uns schon überrascht. Natürliches Leben ist kaum auszumachen.

Sonne, hau mal ab!

„Hallo, kann hier mal jemand das Licht ausknipsen?“ Mitte Juni an der Ostsee. Es ist 23 Uhr und immer noch nicht Nacht, zumindest keine Nacht von der Qualität, die man zum Einschlafen braucht. Norden eben. Am 24. Juni geht die Sonne in München um 21.18 Uhr unter, in Zingst um 21.49 Uhr und es bleibt noch ewig hell. Sonnenaufgang ist in München um 5.14 Uhr, in Zingst um 4.35 Uhr.

 

 

PRAKTISCHE INFOS

Übernachten und Camping

Wir sind mit unserem Bus von Campingplatz zu Campingplatz getingelt. Plätze gibt es in Dierhagen (dem südlichen Tor zum Fischland), in Born, in Zingst und in den Dünen von Prerow. Wer ein Hotel oder eine Pension vorzieht, findet eine gute, vor Ort recherchierte Auswahl in unserem Literaturtipp. Was es als Ferienwohnungen oder Ferienhäuser zu mieten gibt, erfährt man auf den Seiten der Fremdenverkehrsämter von → Ahrenshoop, → Wustrow, Born, Prerow und Wiek (→ www.darss.org) und → Zingst.

Weiterlesen im Netz

 

Literaturtipp

Klasse ist das Reisehandbuch → „Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommern“ unserer Kollegen Sabine Becht und Sven Talaron aus dem Michael Müller Verlag. Hier bleiben keine Fragen offen: tolle Restaurant- und Hoteltipps, Wandervorschläge, Kunst und Kultur, auch Hunde- und FKK-Strände sind verzeichnet.

 

 

Mehr Mecklenburg-Vorpommern und Ostsee bei uns auf dem Blog

 

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