Street Art und Istanbul, passt das zusammen? Kann es das geben in der Stadt der Moscheen und Basare? Klar. Man muss nur wissen wo. Unsere Street-Art-Tour führt durch den Stadtteil Kadıköy auf der asiatischen Seite, den Hotspot der Graffiti-Szene.

Kadıköy ist eine Oase. Hier trifft man auf eine weltoffene Türkei, die nach Westen blickt. Dies hat auch mit der Geschichte des Stadtteils zu tun. Über Jahrhunderte hinweg lebten in Kadıköy, dem vormaligen Chalkedon, mehr Christen als Muslime. Bis heute besitzt das Zentrum des Stadtteils mehr Kirchen als Moscheen. Sie sind Relikte einer untergegangenen kosmopolitischen Epoche.

Der aufgeschlossene CHP-Bürgermeister tut viel, dass das liberale Flair in seinem Stadtteil erhalten bleibt. In Kadıköy ist noch vieles erlaubt, was andernorts verboten ist. In Kadıköy reiht sich Bierkneipe an Musikbar, veganes Café an Tattooshop. Kopftücher muss man suchen. Stattdessen: Hotpants und Minirock, Jungs mit Bowl Cuts und lackierten Fingernägeln.

 

Café mit Street Art in Kadiköy
Café in Kadıköy: Unsere Street-Art-Tour in Istanbul führt durch das lässigste Viertel der Stadt

 

Und: Street Art. Kadıköy steckt voller bunter Murals, selbst das Rathaus schmücken riesige Wandgemälde. Die meisten Murals, die wir Euch in diesem Beitrag zeigen, entstanden im Rahmen der → Mural Istanbul Festivals. Die Organisatoren holten Künstler aus aller Welt an den Bosporus. Seit Corona ist das Festival leider ausgesetzt, weswegen neuere Murals Mangelware sind. Schade. Weiterhin sind aber türkische Streetart-Künstler*innen aktiv.

 

Frau mit türkisen Haaren Streetart

 

 

Unsere Tour durch Kadıköy ist ca. 5,7 Kilometer lang. Einen Nachmittag solltet Ihr dafür schon einplanen, um alle Arbeiten in Ruhe bestaunen zu können.

 

Yeldeğirmeni: Latino-Kunst und ein Paradiesvogel

Mit der Fähre in Kadıköy angekommen, schauen wir uns zunächst im Viertel Yeldeğirmeni um, wie der nördliche Teil Kadıköys genannt wird.

 

Resistencia

Resistencia Mural einer Frau mit traurigem Gesicht
Inti: Resistencia

 

An der Macit Erbudak Sokak 33a sehen wir eine gesichtslose hagere Gestalt mit einem Apfel in der Hand. Trotz fehlender Augen macht sie einen sehr traurigen Eindruck. Das Mural schuf der weltweit aktive Streetart-Künstler → INTI 2013. Es trägt den Titel Resistencia. Hinter Inti steckt ein Chilene, der sich nach dem Sonnengott der Inkas benannt hat. Intis Murals haben meist etwas Geheimnisvolles. Oft sind die Köpfe seiner Figuren mit Masken bedeckt, mit Tüchern verschleiert oder tragen Kapuzen.

 

One against One

Säbelschwingende Ritter Mural
Franco Fasoli: One against One

Etwas weiter südlich entdeckt man beim Yeldeğirmeni Otoparkı ein weiteres Mural aus dem Jahr 2013. Es ist allerdings schon kräftig ausgebleicht. Auf den ersten Blick bekriegen sich dort zwei Säbel schwingende, gesichtslose Ritter. Tatsächlich aber ist’s nur einer, der sich spiegelt.

Der argentinische Künstler → Franco Fasoli (der auch oft unter dem Namen Jaz arbeitet) nannte sein Mural One against One. Fasoli ist bekannt für seine Spiegelungstechnik. Fasoli arbeitet aber nicht nur auf der Straße, sondern ist künstlerisch recht breit aufgestellt.

 

Wings of Paradise

Bunter Vogel an der Wand eines Cafés in Kadiköy
Şevket Sönmez: Wings of Paradise

 

Eine schöne kleinere Arbeit findet Ihr neben einem Hipster-Café an der Uzun Hafız Sokak 102. Der hübsche Vogel ist der türkische Beitrag des Greenpeace-Projekts Wings of Paradise aus dem Jahr 2018. Um auf die Abholzung der Wälder im indonesischen Teil von Papua-Neuguinea aufmerksam zu machen, malten 18 Künstler*innen in 18 Städten weltweit bunte Paradiesvögel an die Wände, die einen riesig, die anderen eher kleinformatig.

Der Istanbuler Paradiesvogel stammt von → Şevket Sönmez, einem 1978 in Bulgarien geborenen Türken, der heute in Istanbul und Plovdiv lebt.

 

Forgive us Kid

Mural eines traurig und wütend aussehenden Kinds
Stinkfish: Forgive us Kid

 

Noch ein weiterer Latino-Muralist, gar ein ganz großer der südamerikanischen Streetart-Szene, war bereits in Yeldeğirmeni aktiv: → Stinkfish. Ein Markenzeichen des in Mexiko geborenen und in Kolumbien aufgewachsenen Künstlers sind unglücklich aussehende Mädchengesichter. Stinkfishs Murals sind oft riesig, in Istanbul aber hat er nur eine recht kleine Arbeit geschaffen. Sie entstand im Jahr 2018. Ihr findet sie an der Mühendis Sarı Ali Sok. 26.

 

Rasimpaşa: Geballte Ladung bunte Wände

Noch vor rund zehn Jahren gehörte dieser Kiez zu den eher blassen Vierteln Kadıköys. Doch nach den Gezi-Protesten (2013) und insbesondere nach dem Putschversuch (2016) verlagerten viele junge Alternative und Kreative ihren Wohnsitz von Beyoğlu nach Kadıköy. Beyoğlu auf der europäischen Seite, einst als Epizentrum der modernen Türkei gepriesen, stand auf einmal vor allem für Wasserwerfer und Tränengas. Und statt buntgefiederter Freigeister und europäischer Partygänger flanierten zunehmend zugeknöpfte arabische Touristen durch die Gassen.

Beyoğlu trocknete etwas aus, Viertel wie Rasimpaşa blühten auf. Wo es vormals meist nur einfache Läden, simple Hotels und Lokantas gab, eröffneten coole Cafés, Hostels und hippe Läden. Auch Expats gefällt es in Rasimpaşa mittlerweile ausnehmend gut. Ganz abgesehen davon gibt es hier auch eine geballte Ladung an wirklich tollen Murals.

 

Hipstercafé in einer Ruine
Ruinenbars à la Istanbul: Viertel Rasimpaşa

 

Vielleicht fangt Ihr am besten in der Kırmızı Kuşak Sokak an. Dort bzw. in ihren Seitengassen (zum Beispiel in der Misak-i Milli Sokak) lässt sich Spannendes entdecken.

 

Intermission

Mural Frau mit Buch in der Hand
Lonac: Intermission

 

Für das Mural Intermission an der Kırmızı Kuşak Sokak 17 zeichnete der kroatische Künstler → Lonac aus Zagreb verantwortlich. Das gesprühte fotorealistische Mural zeigt seine Freundin Tina mit einem Buch in der Hand. Es entstand 2018.

 

Family

Zwei geometrische Figuren an einer Häuserwand
Amose: Family

 

Auf geometrische, graphische Murals stehen wir persönlich nicht so sehr, diese Arbeit aber hat schon das gewisse Etwas. Die beiden miteinander verwobenen Personen gehen auf den französischen Streetart-Künstler → Amose aus Lille zurück. Er war 2012 in den Gassen von Kadıköy unterwegs.

Amose, Jahrgang 1979, ist zum einen von der Tribal Art beeinflusst, hat aber auch ganz klassische Vorbilder wie Egon Schiele, Alberto Giacometti oder Antonio Sant’Elia. Ihr findet seine Arbeit an der Ecke Kırmızı Kuşak Sokak 11/Misak-i Milli Sokak.

 

Ark Istanbul

Mural mit einer seltsamen Arche mit Plüschtieren einer Wand
Dome: Istanbul Ark

 

→ Dome heißt im richtigen Leben Christian Krämer und ist einer der international bekanntesten deutschen Streetart-Künstler. Seine bizarre Arche an der Misaki-i Milli Sokak 11 entstand 2012.

Sechseinhalb Tage brauchte der Künstler für das unglaublich detailliert gearbeitete Mural. In dem seltsamen Stocherkahn stapeln sich Teddys und Musikinstrumente wie ein Kontrabass und eine Posaune. Man sieht Figuren mit nicht zusammenhängenden Körperteilen, die an ein Schattentheater erinnern. Ein Hirschkopf steckt im Kinderwagen.

Wer es gerade nicht nach Istanbul schafft, kann richtig coole „Domes“ auch in Deutschland entdecken, vorrangig in Karlsruhe, dem Wohnort des Künstlers, aber auch in Heidelberg, Konstanz oder Ludwigshafen.

 

RIP

Junge Frau mit Windhunden Mural
Treze

 

2018 starb der spanische Streetart-Künstler Treze aus Barcelona im jungen Alter von nur 31 Jahren an Krebs. Ein Jahr zuvor war er noch in Istanbul, um dieses bezaubernde Mural mit der hübschen Dame und den beiden Windhunden an die Wand eines Hotels in der Kırmızı Kuşak Sokak 3 zu fabrizieren. Tiere, meist Vögel oder Hunde, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Werk von Treze.

 

Erdems Teddy

Teddy als Mural an einer Wand
Erdem the Big Fish

 

In Nachbarschaft des Treze-Murals seht Ihr einen der Teddys, die der Izmirer Stencil-Künstler → Erdem the Big Fish aka Erdem Aylı am Bosporus hinterlassen hat. Wer aufmerksam durch die Stadt stromert, kann noch weitere Erdem-Teddys entdecken. Sie sind liebenswerte Arbeiten, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

 

Bambino

Roboter mit Kind und Baby Mural
Pixel Pancho: Bambino

 

Wow. Dieses riesige Mural des 1984 in Turin geborenen Künstlers → Pixel Pancho überblickt einen trostlosen Parkplatz an der Kırmızı Kuşak Sokak 8.

Das Mural des verhüllten Robotermanns mit Kind und Roboterbaby auf dem Schoß entstand im Rahmen des ersten Mural-Istanbul-Festivals im Jahr 2012. Auch wenn die Farben ein wenig verblasst sein mögen, an Strahlkraft hat die Arbeit keinesfalls verloren. Zu Pixel Panchos Vorbildern gehören Surrealisten wie Salvador Dalí. Die Pixel-Pancho-Roboterkunst ist auch in manchen deutschen Städten zu sehen.

Von Pixel Panchos Robotermann spazieren wir die Reşit Efendi Sokak weiter gen Osten (also landeinwärts) und stoßen so rund um die Talimhane Sokak auf die nächste Mural-Ballung. Vergesst nicht, nach links in die Nakil Sokak abzubiegen. Dort nämlich prangt unser Highlight:

 

Pray for Rain

Mural mit Menschen, die Wassereimer tragen
Fintan Magee: Pray for Rain

 

Dieses Mural mit den Eimerträger*innen an der Nakil Sokak haben wir zu unserem ganz persönlichen Street-Art-Favoriten in Istanbul auserkoren. Sein Erschaffer: der Australier → Fintan Magee, ein sehr politischer Künstler. Seine Themen: Klimawandel, Diversität, Migration. Fintan Magees Arbeiten sind meist fotorealistisch und riesengroß.

Mit dem Mural von 2017 thematisiert Fintan Magee die Dürre in der australischen Großstadt Brisbane im Jahr 2008. Die Bürger wurden damals angewiesen, nur noch sehr kurz zu duschen. Das Duschwasser sollte aufgefangen und in Eimern gesammelt werden, um es dann weiter zu verwenden, zum Beispiel für die Autowäsche. Wassermangel ist ein Thema, das in der zunehmend trockener werdenden Türkei ebenfalls von hoher Brisanz ist.

 

Renaissance

Mural mit gestähltem Mann und Vogel
The Writer Material Crew: Renaissance

 

Dieses Mural an der Reşit Efendi Sokak ist ein Eyecatcher, kommt uns aber ein wenig zu pathetisch daher. Es ist eine Gemeinschaftsarbeit einer Istanbuler Crew, die sich The Writer Material Crew nennt und aus den Graffiti-Künstlern Brot, → Blek und → Odin besteht. Die Arbeit stammt aus dem Jahr 2017.

 

Die Autos aus dem UFO

Autos UFO Mural in Kadiköy
M-Citys Polizeiautos

 

Ebenfalls an der Reşit Efendi Sokak (Hausnummer 53) regnet es Polizeiautos aus einem UFO. In Massen. Das dystopische Mural in Schwarz-Weiß wurde 2014 vom polnischen Streetart-Künstler → M-City aka Mariusz Waras erschaffen. Seine riesigen Stencils zeigen oft schwarzweiße Stadtlandschaften. Nicht ohne Grund: Mariusz wuchs in den 1980er-Jahren mitten in einem Industriegebiet auf, was ihn nachhaltig prägte.

 

Crossroad

Grafisches Mural an beiger Wand
Sepe und Chazme: Crossroad

 

Das etwas verstörende, schon ziemlich ausgebleichte Mural an der Talimhane Sokak stammt aus dem Jahr 2014. Vier verschiedene, nicht gerade sympathisch wirkende Fantasy-Truppen laufen auf eine verschachtelte, an den niederländischen Künstler M.C. Escher erinnernde Turmburg zu. Was sie dort suchen, bleibt uns ein Rätsel.

Das Werk ist eine Gemeinschaftsarbeit von zwei ebenfalls polnischen Künstlern. → Michael „Sepe“ Wrega studierte Grafikdesign in Łódź und ist heute weltweit als Muralist aktiv. → Daniel „Chazme“ Kaliński arbeitet als Bildhauer, Maler und Architekt. Eines seiner großen Themen: das städtische Labyrinth.

 

Turkish Tea

Möwe mit Teeglas und Simit Mural
Alex Maksiov: Turkish Tea

 

Eine Möwe blickt den Betrachter an, neben ihr ein Stück Simit auf einem Teller, auf der anderen Seite das tulpenförmige Teeglas, wie es typisch für die Türkei ist. Ganz klar: Der ukrainische Streetart-Künstler → Alex Maksiov will Istanbul darstellen. Ob ihm das so gut gelungen ist, ist die andere Frage. Wir finden dieses Mural eher eines der schwächeren von Maksiov, der teils wirklich beeindruckende 3D-Bilder kreiert. Ihr findet es an der Talimhane Sokak 2.

 

Osmanağa: Mitten im Trubel

Osmanağa ist das trubeligste Viertel Kadıköys. Im hibbeligen Basar könnt Ihr die besten Lebensmittel der Stadt kaufen. Und angrenzend befinden sich so viele Bars, dass drei Wochen am Bosporus nicht reichen, um sie alle aufzusuchen. Wer hier aufmerksam umherstreift, entdeckt an vielen Wänden kleinere Pieces von lokalen Streetart-Künstlern.

In einem eher ruhigen Eck nahe dem Fenerbahçe-Stadion an der Ecke Halil Ethem Sokak/Hasırcıbaşı Caddesi fällt dieses riesige Mural ins Auge:

 

Istanbul’s Eye

Riesiges Mural von einem Frauengesicht mit blauen Augen
Callizo: Istanbul’s Eye

 

Ein schönes Mädchen mit strahlend blauen Augen und vollen Lippen wacht über einen Parkplatz. Geschaffen hat das Mural der spanische Künstler → Callizo. Callizo ist Maler, Streetart-Künstler und Professor an der Fakultät der Bildenden Künste der Stadt Murcia im Südosten Spaniens. Frauen mit blauen Augen sind so etwas wie das Leitmotiv seines Œuvres.

 

Local Heroes

Nahebei an der Halil Ethem Sokak 30 gibt es eine ziemlich depressiv wirkende Gemeinschaftsarbeit von → Adekan  und → Canavar. Traurige Figuren und eine riesige rote Kakerlake tummeln sich dort in einer trostlosen Industriestadt:

 

Mural mit einer roten Kakerlake in einer Industriestadt
Canavar und Adekan

 

Canavars Kakerlaken krabbeln auf diversen Istanbuler Wänden, vielleicht entdeckt Ihr anderswo noch welche. Canavar, das „Monster“, ist ein Lokalmatador, der nicht nur Street Art macht, sondern auch tätowiert und Plattencover gestaltet. Vor die Kamera tritt er nur maskiert. Im Gegensatz zu vielen geladenen, im Auftrag arbeitenden Streetart-Künstlern aus aller Welt repräsentiert er noch den illegalen Underground, also Street Art in ihrer Urform.

Bewusst fremd bleiben will auch Yabancı, „der Fremde“. Er markiert Kadıköy mit tieftraurigen Porträts, die manchmal wie Kohlezeichnungen wirken:

 

 

Yabancı arbeitet zuweilen im Team mit → Rakun. Auch Rakuns Charakterköpfen kann man vielerorts begegnen. Der Künstler ist in Kadıköy geboren und aufgewachsen und liebt es, an den Wänden des Stadtteils etwas von sich zu hinterlassen, wie er einmal in einem Interview erzählte.

 

 

Moda: Street Art im ruhigen Süden Kadıköys

Im Süden Kadıköys gehen die bunten Gassen mit ihren vielen Bars langsam in ein gehobenes Wohnviertel über. Dieses nennt sich Moda. Seinen atmosphärischen Abschluss findet Moda in einem grünen Park am Marmarameer. Dort lümmeln Pärchen bei Dosenbier auf Decken, radeln Radfahrer, joggen Jogger.

 

Stay hungry

An einer schmalen hohen Hauswand an der Cem Sokak erblickt man einen jungen Mann mit Vogel auf der Schulter, im Arm zwei Baguettes und ein dunkles Brot, in der rechten Hand einen Eimer mit rosa Farbe.

 

Mann mit Broten im Arm Mural
Sasha Korban: Stay hungry

 

Hinter dem eindrucksvollen fotorealistischen Mural aus dem Jahr 2019 steckt der Ukrainer → Sasha Korban, der weltweit unterwegs und hoffentlich derzeit in Sicherheit ist. Er stammt aus dem Kohlerevier Donbass, arbeitete selbst fünf Jahre in einer Mine. Über sein Istanbuler Mural Stay hungry äußerte er sich auf seinem Instagram-Account folgendermaßen:

„Always stay hungry, my friend! Stay hungry for new knowledge and impressions, stay hungry for new acquaintances, stay hungry for travels and discoveries…“

 

Malala

Frau mit Kopftuch Mural Kadiköy
Highhero: Malala

 

In der Nachbarschaft, an der Straßenkreuzung Moda Caddesi / Cem Sokak, prangt eine hübsche Frau mit Kopftuch an einer Mädchenberufsschule. Das Porträt der pakistanischen Kinderrechtsaktivistin und Nobelpreisträgerin Malala Yousafzai geht auf den türkischen Streetart-Künstler → Highhero zurück.

Die 1997 geborene Yousafzai ist die jüngste Friedensnobelpreisträgerin aller Zeiten. Unter dem Namen Gul Makai hatte sie ab 2009 (als Elfjährige!) einen Blog auf der Seite der BBC, wo sie den Alltag der Mädchen unter den pakistanischen Taliban beschrieb. 2012 wurden sie bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt. Yousafzai lebt heute in Birmingham. Ihr Einsatz für die schulische Bildung pakistanischer Mädchen ist ungebrochen. Auf ihr Kopftuch hat Highhero Folgendes geschrieben:

„Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern.“

 

Hasanpaşa: Die Murals am Rathaus

Hasanpaşa nennt sich der nordöstliche Teil von Kadıköy. Er ist voller breiter verkehrsreicher Straßen. Kein Viertel zum Schlendern und keines zum Empfehlen, außer, man will zum großen Dienstagsmarkt. Hier aber, genauer an der Kurbalıdere Caddesi, residiert der Bürgermeister des Stadtteils. Und der hat sich sein eher blasses Rathaus mit zwei schönen Murals von Istanbuler Streetart-Künstlern verschönern lassen.

Auch wenn die Frauenfigur von Wicz in Teilen von Bäumen verdeckt wird, ist sie doch ungemein reizvoll. Über den Künstler konnten wir leider kaum etwas herausbekommen, außer, dass er an der Mimar-Sinan-Universität Kunst studiert hat. Aber das haben gefühlt 99 Prozent aller türkischen Streetart-Künstler…

 

Mural einer Frau
Die schöne Frau am Rathaus stammt vom Istanbuler Streetart-Künstler Wicz

 

Auch über → Esk Reyn wissen wir nicht viel. Das Netz gibt nicht allzu viel preis. Wir wissen lediglich, dass Esk Reyn ein Kind Istanbuls (geb. 1987) und rege in der europäischen Graffiti-Szene vernetzt ist. Zugleich trat er schon als Co-Founder des Festivals Mural Istanbul in Erscheinung. Seine Arbeiten sind meist sehr geometrisch, so auch das am Rathaus:

 

Gemoetrisches Mural Esk Reyn
Esk Reyn

 

Streetart in Istanbul: Wo Ihr sonst noch schauen könnt

Street Art in Beyoğlu

Auch wenn sich viele Leute von Beyoğlu nach Kadıköy aufgemacht haben: Beyoğlu ist immer noch eines der lebhaftesten Viertel auf der europäischen Seite Istanbuls, mit lässigen Bars, Cafés und Wänden zum Bemalen. Spaziert doch mal herum, es gibt immer etwas zu entdecken. Diese beiden schönen kleinen Arbeiten haben wir zum Beispiel in einem düsteren Hinterhof an der Ağahamam Caddesi 30 gesehen:

 

Streetart Porträts an dunkler Wand

 

Auch der französische Künstler → Guaté Mao hat Spuren am Bosporus hinterlassen. Seinen Stencils verschiedener Ethnien begegnet man insbesondere in Beyoğlu, Galata und Karaköy. Wir vermuten jedoch, dass nicht alle vermeintliche „Guaté Maos“ Originale sind. Guaté Mao ist ein Phantom, das seine Identität verbirgt.

 

Streetart indigenes Kind Guate Mao
Guate Mao: Ist er’s oder ist er’s nicht?

 

Eine in Istanbul aktive Künstlerin ist → Elif Yıldız. Von ihr stammt diese hübsche Wand in der Cafégasse Kartal Sokak:

 

Bunte Cafégasse: Kartal Sokak

 

In der gleichen Straße gibt es aber noch mehr zu gucken:

 

 

Street Art in Harbiye und Şişli

Harbiye und Şişli sind zwei Stadtteile nördlich von Taksim und Beyoğlu. Sie sind lebendig und liberal, aber auch nicht wahnsinnig spannend. Zwei Murals von dort möchten wir Euch auch nicht vorenthalten.

Diese hübsche Dame hier findet Ihr in der Dersane Sokak in Harbiye. Von wem sie ist? Großes Schulterzucken, wir haben leider überhaupt keine Ahnung:

 

Frau mit langen Haaren Mural in Harbiye
Streetart in Harbiye

 

Die beiden Wale in der Gebirgslandschaft sind hingegen eindeutig dem Streetart-Künstler → No More Lies zuzuordnen. No More Lies, Jahrgang 1969 und damit einer der Opis der Szene, geht tagsüber ins Büro und bemalt nachts Wände. Seine Themen: gefährdete Umwelt und gefährdete Tiere. Das Mural an diesem Parkhaus neben dem Bomonti-Areal im Stadtteil Şişli entstand erst 2022:

 

Mural mit Walen an einem Parkhaus
No More Lies zum Ersten: Wale am Parkhaus

 

Street Art in Galata

Von No More Lies haben wir eine weitere witzige Arbeit an der Wand eines kleinen Teehauses im charmanten Viertel Galata entdeckt. Für die Mauer voller Koi-Karpfen in der Tatarbeyi Sokak hat sich Michael gleich mal sein Hemd voller Koi-Karpfen angezogen. Koi-Karpfen-Michael vor Koi-Karpfen-Wand gab ein derart komisches Bild ab, dass wir Tränen lachten und selbst Passanten stehen blieben, um zu fotografieren:

 

Mann mit Koi-Karpfen-Hemd steht vor Mauer mit Koi-Karpfen-Motiven
No More Lies zum Zweiten: Koi-Karpfen in Galata

 

In Galata, genauer an der Serdar-i Ekrem Caddesi mit ihren vielen coolen Läden, hat sich auch die Streetart-Künstlerin → Gamze Yalçın verewigt. Mittlerweile lebt sie allerdings in Berlin:

 

Vintageladen mit Streetart
Galata: Vintage und Streetart

 

Lediglich zwei weibliche Künstlerinnen konnten wir Euch in diesem Beitrag vorstellen – eine ganz schön traurige Angelegenheit. Die Streetart-Szene in Istanbul ist genau wie die weltweite eine Männerdomäne. Frauen werden oft nicht ernst genommen oder belächelt.

 

Mehr Infos über Street Art in Istanbul

Die beste Seite, um sich über Street Art in allen möglichen Städten der Welt zu informieren, ist immer noch streetartcities.com. Auf einer digitalen Karte sind von Huntern entdeckte Murals eingepflegt, auch erhält man kurze Infos über die Murals und ihre Künstler. Wir nutzen die Seite bei jeder Streetart-Recherche. Einziger Haken: Viele Pieces, die auf der Karte vermerkt sind, gibt es nicht mehr.

 

Literaturtipp

Unser → Istanbul-Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag ist 2023 in einer Neuauflage erschienen. Dem Stadtteil Kadıköy widmen wir darin ein umfangreiches Kapitel:

 

Mehr Street-Art-Themen bei uns auf dem Blog

 

2 Kommentare

  1. ahhhhhh…..was für ein schöner Artikel und so schöne Werke. Brenne darauf, endlich wieder nach Istanbul zu kommen und Kadiköy war immer schon mein Hauptstandort. Neben Balat😃.

    • Liebe Karin, also Kadiköy ist jetzt sogar noch besser als früher, da hat sich irre was getan. Balat ist in Teilen schwer touristisch geworden und völlig dem Instahype ergeben. Wird Zeit, dass du mal wieder an den Bosporus fährst 😉

Gib süßen oder scharfen Senf dazu (E-Mail-Adresse wird nicht angezeigt)

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