Ihr wollt auf Street-Art-Tour durch Porto gehen, am besten ohne Führer und Gruppenzwang? Könnt Ihr jederzeit machen, sogar ohne Recherche vorab, denn die haben wir für Euch erledigt.

Porto gilt als einer der europäischen Hotspots in Sachen Street Art. Die Big Names der portugiesischen Szene haben sich hier verewigt. Darunter sind Künstler wie Vhils und Bordalo II, deren Arbeiten wir bereits in Berlin und auf den Azoren lieben gelernt haben. Drei Tage spazierten wir durch die Gassen und Straßen der Douro-Stadt auf der Suche nach den schönsten Murals und klein-feinen Pieces.

Was ist eine Paste-up, was ein Stencil? Das erfährt Ihr in unserem Beitrag über → Street Art in Kreuzberg.

Arbeiten von nichtportugiesischen Streetart-Künstler*innen haben wir nur wenige entdeckt. Während die Portugiesen selbst überall in der Welt Wände bemalen, kommen nur wenige ausländische Sprayer*innen nach Porto oder werden dahin geladen. Diesen Eindruck hatten wir zumindest.

Der Beitrag ist nach Stadtvierteln aufgeteilt, um Euch einen besseren Durchblick zu ermöglichen. Zusätzlich könnt Ihr Euch anhand der Karte orientieren.

 

 

STREET ART IN PORTO: INHALTSVERZEICHNIS

 

METROSTATION TRINDADE UND NÖRDLICH DAVON

Das Parkhaus

Ein guter Start für eine Street-Art-Tour durch Porto ist die Metrostation Trindade. Unmittelbar südlich davon steht ein Parkhaus, an dem es mehrere große Murals zu bewundern gibt.

Auf der Südseite des Parkhauses, zur Rua de Fernandes Tomás hin, schaut Euch eine von Blüten umschwirrte und von Händen unterschiedlicher Hautfarben umarmte Dame an. Sie stammt von → Tamara Alves, die in Lissabon lebt. Ihre immer wiederkehrenden Motive: Frauen (meist sie selbst), Flora, Fauna. Im Mural links unten verweist die Künstlerin auf die Europäische Säule sozialer Rechte, eine Forderung nach einem gerechteren Leben in der EU.

 

Mural mit umarmter Frau an einem Parkhaus
Tamara Alves: Die Schöne am Parkhaus

 

An der nördlichen Fassade des Parkhauses (Rua do Alferes Malheiro) haben sich → MrDheo und → Hazul verewigt, zwei waschechte Tripeiros, wie man die Einwohner von Porto nennt. MrDheo, Jahrgang 1985, zeigt seinen Vater mit einer Spraydose in der einen Hand und den Clérigos-Turm, eines der Wahrzeichen Portos, in der anderen. Nur bekommt der Turm keine Farbe ab. Vielmehr umgarnt der Strahl aus der Dose den Turm wie süßer Duft. Nobre e Leal, „Edel und treu“, nennt der Künstler das Mural. Es stammt von 2014 – damals waren die Bäume davor noch Babys.

 

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Hazuls Mural A Invicta („Die Unbesiegbare“) ist typisch Hazul. Der Künstler ist seit der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre an Portos Hauswänden zugange. Er liebt es, geometrische Formen mit organischen zu verbinden, meist in Blautönen, nicht jedoch hier. Dieses Mural soll an die Belagerung Portos in den 1830er-Jahren erinnern, als sich zwei Brüder um die Krone des Landes stritten.

 

Geometrisches Mural
A Invicta: Hazul

 

Der Tätowierer

Im Osten des Parkhauses verläuft die Rua do Bonjardim, wo man einem Mädchen mit großen Augen Hallo sagen kann. Es stammt von → Costah, der in Porto nicht nur als Streetart-Künstler, sondern auch als Tätowierer schwer angesagt ist.

 

Mädchenmural in Altstadtgasse
Costahs Mädchen

 

Die Kreuzung

Nur eine Metrostation nördlich von Trindade (Faria Guimarães, Linie D), wo sich Porto ganz und gar ungeschminkt präsentiert, steht Ihr an der Ecke Rua de Camões/Rua do Paraíso dem Mural Ribeira Negra gegenüber. Verantwortlich zeichnete das Künstlerkollektiv → Colectivo RUA. Mit in diesem Künstlerboot saß unter anderem Frederico Draw, dem wir später noch begegnen werden.

Die Wand bevölkern zwei traurige Frauengesichter, dazu unfreundlich wirkende Geschöpfe. Die plakative Arbeit stammt aus dem Jahr 2014.

 

Blau-weißes Mural
Ribeira Negra vom Colectivo Rua

 

WEITER RICHTUNG CEDOFEITA

Das Viertel Cedofeita erstreckt sich westlich der Metrostation Trindade rund um die gleichnamige Straße. Es wird gerne als alternatives Studentenviertel beschrieben, mit Bars, Galerien und coolen Läden. Das mag stimmen. Gleichzeitig aber hat hier auch der Gentrifizierungshammer ordentlich zugeschlagen. Mehr über Cedofeita lest Ihr bei Sandra vom Blog Tracks and the City: Cedofeita – Portos Kunst- und Szeneviertel.

 

 

Die Polin

Auf dem Weg nach Cedofeita passiert Ihr die Treppen Escadas do Pinheiro und dort ein etwas beunruhigendes Paste-up von → Berri Blue. Die Künstlerin polnisch-irischer Herkunft lebt in Porto. Ihre Themen: Sterblichkeit, Sexualität, psychische Gesundheit bzw. Krankheit. Die von Skeletten umringten nackten Frauen können bei Eurem Besuch schon ausgetauscht sein. Berri Blue scheint die Stelle „gepachtet“ zu haben und regelmäßig umzudekorieren.

 

Paste-up Skelette an einem Treppenaufgang
Berri Blues Skelette

 

Das Theater

Kurz gucken wir mal in der Rua das Oliveiras vorbei, nicht nur, weil es in der Ecke so viele nette Cafés, Bars und Läden gibt, sondern auch, weil dort das Teatro Carlos Alberto steht. Schaut Euch mal das Getüpfel an der Fassade an. Es stammt von der in Porto lebenden Künstlerin → Martinha Maia. Maia bezeichnet ihre Arbeit als eine „Energiewolke“, die die Ruhelosigkeit der Theaterszene symbolisieren soll.

 

Schwarz-weiße Malerei an einem Gebäude
Martinha Maias „Energiewolke“ am Teatro Carlos Alberto

 

Die Berliner

Wir ziehen weiter und landen schon bald in der kopfsteingepflasterten Rua do Mirante. Am so genannten UPTEC-Gebäude, das zur Universität von Porto gehört, haben sich 2014 die Berliner Graffitikünstler → Vidam und → Look The Weird ausgetobt. Berliner Streetart-Gucker kennen sie vom Friedrichshainer RAW-Gelände. Das surrealistische Mural ist mittlerweile leider schon ziemlich ausgebleicht. Genau hinschauen! Vielleicht muss man im sonnigen Porto andere Farben verwenden als im oft wintergrauen Berlin?

 

Mural an Häuserwand
Vidam und Look the Weird: Berlin in Porto

 

Das Phantom

In der Gasse findet Ihr noch viele andere kleinere Arbeiten, unter anderem von → STRA, einem Künstler, der uns in Porto mehrmals begegnet ist und dessen politische Stencils uns begeistert haben. In der Rua do Mirante zum Beispiel hält sich ein junger Mann an (Impf-)Spritzen fest, die an ein Knastgitter erinnern. Wir zeigen Euch später noch andere „STRAs“. Über die Identität STRAs ist wenig bekannt, man weiß nur, dass er französische Wurzeln hat.

 

Stencil Junge hält sich an Impfspritzen fest
STRAs Impfknast und weitere kleinere Arbeiten an der Rua do Mirante

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Der Don Quixote

Von der Rua do Mirante ist es nur einen Katzensprung zur Ecke Rua de Diogo Brandão/Rua de Miguel Bombarda. Das 150 Quadratmeter große Don-Quixote-Mural, das Ihr dort seht, ist eine Gemeinschaftsarbeit von → Mesk (Porto), → Fedor (Porto) und → Mots (aus Porto, derzeit in Berlin). Es entstand 2013. Roxinante sieht doch aus wie aus einem Science-Fiction-Film entsprungen, oder?

 

Mural Don Quixote
Der Don Quixote an der Rua de Miguel Bombarda

 

Die Rua de Miguel Bombardo solltet Ihr mal auf- und abspazieren. Einerseits erstreckt sich hier ein recht ruhiges Wohnviertel, andererseits gibt es auch eine ganze Reihe von Galerien und Nobellokalen. Und Street Art! Auch Hazul hat das Revier markiert (Hausnummer 553).

 

Mural mit grafischem Muster
Auch Hazul hat neben vielen anderen Streetart-Künstlern die Rua de Miguel Bombarda markiert

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Der Angolaner

Folgt man der Rua de Cedofeita, der Namensgeberin des Viertels, gen Norden, begegnet man vor Hausnummer 457 zwei Frauen von → Youthone. Der 1974 in Angola geborene Youthone gilt als einer der Pioniere der Hiphop- und Graffitikultur der Stadt. Er ist seit den späten 1980er-Jahren aktiv. Die beiden Frauen in der Rua de Cedofeita zählen zu seinen eher kleineren Arbeiten.

 

Frauengraffitis
Youthones Damen

 

IM CENTRO HISTÓRICO

Egal wo in der Welt, die aufpolierten touristischen Altstädte sind selten erste Anlaufstelle für Streetart-Künstler. Das historische Zentrum von Porto hat jedoch, obwohl es mittlerweile ordentlich auffrisiert ist und gut überrannt wird, noch immer die eine oder andere Ecke, wo sich die Szene verwirklichen kann. Oder wo man sie sich verwirklichen lässt und dazu noch gut bezahlt. Doch zunächst ein paar Eindrücke:

 

Altstadt mit blau-weiß gekachelten Gebäuden
Bilderbuchaltstadt: Im historischen Zentrum von Porto

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Grau steht vor Azulejo-Wand an einer Ampel

 

Die Fliesen am Steakhaus

Die hübsche Praça Guilherme Gomes Fernandes liegt in Spuckweite zum Torre dos Clérigos und den Schlangen, die vor der Livraria Lello anstehen. Unübersehbar ist dort das Steak ’n Shake, eine Filiale der amerikanischen Burger-und-Steaks-Kette.

Die Seitenwand des Restaurants wurde 2016 von der in Paris geborenen, portugiesischen Künstlerin → Joana Vascencelos mit 8000 (!) handbemalten Fliesen bestückt. Joana Vascencelos ist ganz groß im Geschäft, wenn auch nicht unbedingt im Street-Art-Geschäft. Selbst auf der Biennale von Venedig war sie schon vertreten. Bekannt ist sie für überdimensionale Skulpturen.

 

Bunt geflieste Häuserwand
Diese Fliesenarbeit stammt von Joana Vascencelos

 

Die blaue Katze 

Lasst Euch nun einfach ein wenig durch die Altstadt treiben. Das historische Zentrum von Porto ist UNESCO-Welterbe, und das unserer Meinung nach zu Recht.

Wir treffen uns auf der Rua das Flores wieder, auf einer der touristischen Autobahnen Portos. Haltet dort nach der Rua Afonso Martins Alho Ausschau. Die schmalste Gasse, die Porto zu bieten hat, verbindet die Rua das Flores mit der parallel verlaufenden Rua de Mouzinho da Silveira.

Die Gasse wird von einer riesigen azulejoblauen Katze mit gelben Augen bewacht. Ihr „Herrchen“ ist der Spanier und Wahlmexikaner → Liqen, der die Katze 2018 im Rahmen des Street-Art-Festivals Verão e no Porto an die Wand malte. Liqen kennt man auch in München, wo er als Artist in Residence zahlreiche Spuren hinterlassen hat. Sein großes Thema: Konsumkritik. Das Katzenmural nennt er Perspéntico – was soviel heißen soll wie „groteske Perspektive“. Nur Blindgänger wie wir fotografieren das Mural von unten. Im Netz gibt es genügend Beispiele, wie man es besser machen kann:

 

Riesiges Mural einer blauen Katze mit gelben Augen
Doof fotografiert: Liqens Kätzchen

 

Etwas weiter südlich an der Ecke Rua das Flores/Rua de Ponta Nova haben wir noch ein paar kleinere Pieces entdeckt:

 

 

Die Paketboten

Weiter geht es entlang der Avenida Vimara Peres, die hinab zum Douro und ins Altstadtviertel Ribeira führt. An der Häuserzeile gegenüber dem Hiphop-Laden Ale-Hop (Hausnummer 70) haben wir eine nette kleine Arbeit entdeckt: Amazon bringt das Christkind, und auch die drei Heiligen Könige sind heute Paketausträger bei Amazon. So oder so ähnlich mag man das Stencil interpretieren. Der Künstler dahinter: Wieder einmal STRA.

 

Amazon bringt das Christkind Stencil STRA
STRAs Amazon-Piece

 

Der Großvater

Mehr über das Mural, aber auch seinen Erschaffer, erfahrt Ihr in dem sehr schönen → Artikel des Bloggers Wolfgang Käseler, der mit Draw gesprochen hat.

Nur wenige Schritte weiter an der gleichen Straße seht Ihr an einer Hauswand eines der eindrucksvollsten Murals der Stadt: AN.FI.TRI.ÃO von → Frederico Draw, einem einheimischen Streetart-Künstler. Hier hat er seinen Großvater porträtiert, der ein sehr gastfreundlicher Mann sein muss, wie Draw gerne erzählt. Daher auch der Titel des Murals: Anfitrão ist das portugiesische Wort für „Gastgeber“. Das Mural hat mittlerweile ordentlich Patina angesetzt, doch das macht nichts.

 

Riesiges Mural eines alten Mannes mit Brille
Frederico Draws Großvater

 

Von der Avenida Vimara Peres führt die Treppengasse Escadas do Codeçal hinab zur Uferstraße. Unter anderem ist dort auch STRA wieder am Start:

 

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VITÓRIA UND MIRAGAIA

Den enggassigen, am Hang liegenden Stadtteil Vitória erreicht Ihr vom Torre dos Clérigos in wenigen Spazierminuten. Einen schönen Ausblick auf die Stadt habt Ihr vom Aussichtspunkt Miradouro da Bataría da Vitória. Tolles Altstadtpanorama!

 

Blick über eine schöne Altstadt
Blick vom Miradouro da Bataría da Vitória

 

Die ernsten Gesichter

Rund um den Aussichtspunkt findet Ihr eine ganze Menge kleinerer Streetart-Pieces wie diese hier:

 

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Zudem wurde die Ecke auch von der Euch nun bereits bekannten Künstlerin Berri Blue markiert. Schaut Euch diesbezüglich mal in den Straßen Rua das Taipas und Rua das Virtudes um. Auch dort sind ihre Porträts ausgesprochen traurig bis düster:

 

 

Der Basketballspieler

Von Vitória spazieren wir hinunter zum Douro ins Viertel Miragaia. Unterwegs stoßen wir auf weitere Street Art. An der Ecke Rua de Francisco da Rocha Soares/Calçada das Virtudes schaut uns eine schöne monochrome Frau an. Sie ist ein Werk des französischen Streetart-Künstlers → Rebeb, der sich dem Fotorealismus verschrieben hat:

 

Streetart auf Türen

 

Unten am Largo de São Pedro de Miragaia treffen wir auf ein Porträt des Basketballspielers Allen Iverson (von → Kilos Graffiti). 2009 beendete der US-Amerikaner seine Karriere. Als der „Kleinste unter den Großen“ – Iverson bringt es „nur“ auf 1,83 Meter – ist er unvergessen.

 

Streetart Baske tballspieler
Basketball-Kunst in Miragaia

 

Danach solltet Ihr Euch ein wenig in der Gegend umgucken. Das einstige jüdische Viertel Miragaia ist bis heute überaus ursprünglich und fotogen.

 

Frau läuft vorbei an Altstadthäusern mit Balkonen
Überaus fotogen: Viertel Miragaia

 

Der Hero

Nur wenige Schritte vom Largo de São Pedro de Miragaia entfernt, begegnet Ihr → Vhils. Der Lissaboner Künstler nutzt für seine meist großflächigen Pieces Hammer und Meißel, manchmal sogar Sprengstoff. Er zerstört Altes, um Neues zu schaffen.

Vhils ist ein portugiesischer Streetart-Hero. Mehrere so große wie großartige Arbeiten von Vhils kann man in Berlin bewundern, zum Beispiel in → Friedrichshain und → Schöneberg. Die Arbeit in der Rua da Ancira 6–8 in Porto hingegen holt uns nicht so richtig ab. Zu wenig augenfällig. Oft zugeparkt.

 

Gesicht mit Baum Mural
Vhils in Miragaia: Wie gefällt es Euch?

 

Vihls Mural aus dem Jahr 2016 schmückt die Fassade eines Gebäudes aus dem 14. Jahrhundert. Ein großes Auge schaut den Betrachter an, scheint gleichzeitig auf die Stadt und den Fluss zu blicken. Das andere Auge ist zugewuchert von einem Baum. Was uns der Künstler damit sagen will? Auf Vhils Webseite ist von einer Verbindung aus menschlichen und natürlichen Elementen zu lesen. Das klingt verschwurbelt. Da gefallen uns die riesigen Porträts von Berlin-Promis, die er an der Spree hinterlassen hat, deutlich besser.

 

Die alte Dame

Richtig begeistert sind wir hingegen von dem Porträt einer alten Frau an einer Hauswand 200 Meter weiter südöstlich am Largo de Artur Arcos. Hier hat der in Porto lebende Stencil-Meister → Daniel Eime der alternden Bevölkerung Miragaias ein Denkmal gesetzt. Die Arbeit nennt er Mira. Eimes Schwarz-Weiß-Porträts haben einen hohen Wiedererkennungseffekt.

 

Mural von einer alten Frau an Hauswand
Großes Streetart-Kino: Daniel Eimes Mira

 

PRAÇA DOS POVEIROS UND FONTAÍNHAS

Der Platz Praça dos Poveiros östlich des historischen Zentrums und die Straßen drum herum bilden zusammen einen richtig coolen Kiez, den Ihr Euch vormerken könnt, falls Ihr noch nicht wisst, wo in Porto Ihr Euch einmieten sollt. Auch wir haben da gewohnt. Das Viertel liegt in Laufnähe zur Altstadt mit all ihren Sehenswürdigkeiten und doch weit genug entfernt vom Touristennepp.

 

Der Insta-Knast

Rund um die Praça dos Poveiros gibt es urige Bars, angesagte Restaurants und ein paar hübsche kleine Streetart-Pieces. Am besten gefiel uns die Arbeit von STRA. Wieder einmal STRA. Eine tolle Idee steckt hinter dem Gefangen im selbst auferlegten Insta-Knast.

 

Häftling mit Instagram
STRAs Insta-Häftling

 

Außerdem haben wir am Platz Hazul entdeckt und dazu noch einen pausbäckigen Mann mit Hut, den wir leider keinem Künstler zuordnen können:

 

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Wenn Ihr schon mal da seid: Zwei Snacktipps, für die allein eine Reise nach Porto lohnt: Bei Sol e Sombra an der Rua Passos Manuel 235 gibt es die besten Bifanas, die wir je in Portugal gegessen haben. Bifanas sind Brötchen, die mit in Weißweinsud gekochtem Schweinefleisch belegt werden. Und keine 100 Meter weiter serviert man bei Venham Mais 5 (R. de Santo Ildefonso 219) die allerbesten Pregos. Beim Prego kommt ein zartes, rosa bis blutiges Stück Rindfleisch zwischen die Semmelhälften. Delicioso!

 

Wenn sich der Tag langsam verabschiedet, empfehlen wir Euch, Richtung Douro ins Viertel Fontaínhas zu spazieren. Hier hat Porto viel Melancholie bewahrt. Es fehlen nur noch ein paar schwermütige Fadoklänge zu diesem großartigen Blick auf Fluss und Stadt:

 

Stadt an einem Fluss im Sonnenuntergang
Schönes Porto: Blick von Fontaínhas auf den Douro

 

Die Lastenträgerin

Zum Fluss hinab führt die steile Rampe Calçada das Carquejeiras. Der Name hat folgenden Hintergrund: Noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts landeten in Fontaínhas Boote voller Carqueja an. Die bis zu zwei Meter hohe Nutz- und Heilpflanze wurde zum Heizen, Kochen und Putzen verwendet. Doch selbst Lasttiere konnten den steilen Aufstieg vom Kai hinauf zu den Häusern der Stadt nicht bewältigen.

Deswegen setzte man Frauen von sehr niedrigem Stand ein, die sich tagaus, tagein mit bis zu 60 Kilo Carqueja auf dem Buckel den Hang hinaufquälten. Diese Frauen wurden Carquejeiras genannt. Sie verrichteten eine Arbeit, die selbst für Tiere zu schwer war.

Eine dieser traurigen Frauengestalten hat Streetart-Künstler → Renato Ribeiro 2013 auf der Calçada verewigt. Das Mädchen mit der typischen Kapuze der Carquejeiras hält einen Finger vor den Mund, bittet uns zu schweigen. O Silencio, Schweigen, nennt sich die berührende Arbeit. Lange Zeit nämlich war die Ausbeutung, ja Versklavung der Carquejeiras ein Tabuthema in der Stadt.

 

Mädchen mit Kapuze Streetart
Die junge Lastenträgerin ist eine außerordentlich berührende Arbeit

 

VILA NOVA DE GAIA 

Vila Nova de Gaia auf der anderen Seite des Douro ist bekannt für seine vielen Portweinkellereien. Ihr könnt Vila Nova von Porto spielend zu Fuß erreichen, und zwar über die mächtige Ponte Dom Luís I.

Die 172 Meter lange Stahlbrücke ist ein Wahrzeichen der Stadt und stammt nicht etwa von Gustave Eiffel, sondern von seinem Schüler Théophile Seyring. Sie wurde 1886 eingeweiht. Unten fahren die Autos, oben fährt die Metro, und überall tummeln sich Fußgänger.

 

Brücke über einem Fluss, über die ein Zug fährt
Ponte Dom Luís I.

 

Der halbe Hase

Wir fanden Vila Nova de Gaia enorm touristisch und nicht sonderlich spannend. Den Schrotthasen jedoch, ein alter Hase und Promi in den sozialen Medien, wollten wir einmal in natura sehen. Zu finden ist das Karnickel von → Bordalo II hinter dem Douro-Ufer an der Ecke Rua Dom Afonso III/Rua Guilherme Gomes Fernandes.

Bordalo II hat auch schon in Berlin gewirkt, wo er einen fröhlichen Tukan hinterlassen hat, den Ihr auf unserer → Street-Art-Tour durch Friedrichshain entdecken könnt. Der Lissaboner Künstler (Jahrgang 1987) bastelt seine so genannten Trash Animals aus Schrott und Müll, den er vor Ort findet. Man kann seiner die Umweltzerstörung anprangernden, tierischen Kunst überall auf der Welt begegnen, selbst auf Tahiti. Den aristokratisch anmutenden Namen Bordalo II verwendet der Künstler übrigens, um sich von „Bordalo dem Ersten“, sprich seinem Großvater, dem Maler Real Bordalo, abzugrenzen.

 

Riesiger Hase an einer Hauswand
Der halbe Hase ist ein Meisterwerk Bordalos II

Der Half Rabbit ist ganz großes Street-Art-Kino. „Half“ deswegen, weil die eine Hälfte des Tiers aus buntem Originalmüll besteht, während die andere in Grautönen nachgefärbt wurde.

 

Die faulen Müllmänner

Noch etwas weiter landeinwärts verbindet die Treppe Escadaria da Travessa de Cândido dos Reis zwei auf unterschiedlichen Etagen liegende Straßen. Dort haben wir eine überaus humorvolle Arbeit entdeckt, die auf das Konto des belgischen Streetart-Künstlers → Jaune geht.

An verschiedenen Miniaturhäuschen sind dort Miniaturarbeiter zugange. Putzkräfte hantieren mit Besen, Müllmänner stehen um Mülltonnen. So richtig am Arbeiten aber ist kaum einer, eher treibt man Schabernack. Einer wirft sich gerade vom Balkon, ein anderer pinkelt ins Eck. Herrlich erfrischend, obwohl auch etwas kitschig-verspielt. So sieht das Ganze aus:

 

Frau läuft Treppe hinab vorbei an Streetart

 

AUSSERHALB DER ZENTRALEN STADTTEILE

Macht mal einen Ausflug zum Hospital de São João im Norden Portos. Auf dem riesigen Gelände des Universitätsklinikums nämlich begegnet Ihr Vhils nochmals – im Gegensatz zu seiner Arbeit in Miragaia ziehen wir vor diesem Werk den Hut.

 

Die Corona-Helden

Vor dem Haupteingang des Krankenhauses, an den Wänden der alten Auffahrt zur Notaufnahme, hat Vhils den Helden der Corona-Pandemie ein rührendes Denkmal gesetzt. Ins Mauerwerk „eingraviert“ sind die maskierten Porträts von zehn Krankenhausangestellten, die stellvertretend für all jene stehen, die in den Hochzeiten der Pandemie an vorderster Front gekämpft haben: Ärzte, Pfleger*innen, technisches Personal.

Das Krankenhaus erreicht Ihr vom Zentrum (Trindade) mit der Metrolinie D, steigt an der Station IPO aus.

 

Frau fotografiert Streetart Menschen mit Masken
Vhils Corona-Arbeit am Hospital de São João

 

Der tote Architekt

Das The Last Adventure genannte Mural im Stadtteil Boavista ist unserer Meinung nach so hässlich wie die Geschichte dahinter schön ist. Sie geht so: Die Streetart-Koryphäen → ParizOne und MrDheo (siehe oben) bekamen 2020 den Auftrag, ein vom Architekten José Quintela da Fonseca errichtetes Parkhaus mit einem großen Mural zu dekorieren. Man diskutierte viel und stritt sich, denn die Comicfiguren an der Hauswand, die der Comics liebende Architekt vorschlug, kamen der Ästhetik der beiden Künstler alles andere als nahe.

Dann starb der Architekt. Und die Künstler beugten sich posthum seinem Willen, machten dem Toten mit diesem Mural ein Geschenk. Malten Superman (mit einem „Q“ für „Quintela“), Homer Simpson, Tim ohne Struppi und andere Comic-Helden an die Wand:

 

Mural mit Comicfiguren
Requiem: Superman & Co im Stadtteil Boavista

 

Von Quintela stammt übrigens – festhalten – die Berliner Shoppingburg Alexa, eine der größten Architektursünden der Stadt. Die Welt nannte das grotesk hässliche Bauwerk neben dem Alexanderplatz einen „Alptraum in Schweinchenrosa“.

Adresse/Anfahrt: Nächste Metrostelle ist Casa da Musica. Haltet für das Mural hinter einem Lidl Ausschau!

Wenn Ihr übrigens schon in der Ecke seid, solltet Ihr Euch unbedingt noch die Casa da Música an der Praça de Mouzinho de Albuquerque anschauen. Der coole Betonkoloss, um den die Skater rollen, dient als Konzerthalle und wurde in den Nullerjahren vom niederländischen Stararchitekten Rem Koolhaas umgesetzt. Ihr dürft auch reingehen: Raumschiffcharakter!

 

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Das schwebende Fischernetz

Ganz klar: Mit unkommerzieller, szeniger Street Art hat das riesige, filigrane Netz der amerikanischen Künstlerin → Janet Echelman  nichts zu tun. Dennoch wollen wir Euch die Installation an der Einfahrt in Portos nördlichen Vorort Matosinhos nicht vorenthalten:

 

In der Luft schwebendes Netz im Sonnenuntergang
Hingucker in Matosinhos: „She Changes“ von Janet Echelman

Die großartige Arbeit She Changes stammt von 2005 und passt zu Portos großem Fischerhafen wie der Deckel auf den Topf. Vor Ort nennt man sie ganz blumig Anémona. Echelmans fischnetzartige Skulpturen sind sonst vorrangig in den USA zu sehen.

Die Anémona befindet sich am südlichen Ortsrand von Matosinhos. Nächste Metrostation (Linie A) ist Matosinhos Sul. Es fahren jedoch auch Busse vom Zentrum Portos nach Matosinhos.

 

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3 Kommentare

  1. Faszinierend. Mir ist in Porto auch hier und da ein Stückchen Streetart aufgefallen, aber dass es so viel und so coole Sachen gibt, war mir nicht bewusst. Mein persönlicher Liebling ist die Kritik an Instagram. Erinnert mich an die politischen Karrikaturen in Zeitungen.

    Wisst ihr, ob und wie Streetart in Portugal gefördert wird? Das kann ja nicht von nichts kommen, dass Porto so viele Sachen hat. Bei uns in der Schweiz ist nach meinem Empfinden vieles einfach ein schnelles Geschmiere, ohne Aussage und ohne grosse Kunstfertigkeit.

    Was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass die Strafen hoch sind, wenn man bei illegaler Streetart erwischt wird. Fände spannend, wenn ihr dazu auch noch ein bisschen was zusammentragen könntet.

    • Hallo Oli, natürlich gibt es in Porto und Portugal noch sehr viel illegale Streetart. Gleichzeitig wird Streetart aber von der Stadtverwaltung gefördert, und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch in kleineren Städten wie Aveiro und Estarreja und selbst auf den Azoren. Künstler reichen Projekte ein und bekommen bei Gefallen entsprechende Unterstützung. Auch werden Künstler zu Streetart-Festivals eingeladen. Solche Phänomene kennen wir übrigens nicht nur aus Portugal. Erst neulich waren wir in der nordmährischen Stadt Olomouc, wo ebenfalls Streetart-Festivals stattfinden, zu denen die ganz großen der europäischen Szene einlaufen. Und wir reden von einer Stadt von gerade mal 100.000 Einwohnern! Vergleiche mit der Schweiz können wir leider nicht ziehen, da wir schon seit Jahren nicht mehr in Schweizer Städten unterwegs waren. Die hohen Strafen sind sicherlich Auslöser für viele Künstler, den Ball flach zu halten. In Berlin beispielsweise sind die Strafen mit zehn Euro für illegale Straßenkunst sehr fair, das hat uns mal ein junger Sprayer bei einer Streetart-Führung durch Berlin erzählt. Danke für deine Anregung. Das wird sicher nicht der letzte Streetart-Artikel hier, da können wir noch ein wenig recherchieren.

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